Der Abschied von Adelaide fiel uns nicht gerade schwer, als
wir uns ins Flugzeug nach Alice Springs begaben. Zwei Stunden über den Wolken
lagen vor uns, ehe wir in der kleinen Stadt im Nirgendwo landen sollten. Alice
Springs liegt ziemlich genau in der Mitte Australiens, im Northern Territory,
in der Wüste, im Nichts. Außer Alice Springs gibt es im zentralen Australien
fast keine größeren Siedlungen. Und eigentlich auch keine kleinen. Den Grund
dafür sah ich aus dem Flugzeug: hunderte von Kilometern ausschließlich
unwirtliche Wüstenlandschaft. Und wir landeten in ihrem Zentrum: dem winzigen
Flughafen von Alice Springs. Diese Kleinstadt, die eine Karriere von der
einsamen Telegraphenstation bis zum touristischen Ausgangspunkt ins Outback hingelegt
hat, sollte auch der Startpunkt für unsere dreitägige Tour in die Wüste werden.
Ein Kleinbus brachte uns in unsere Herberge, etwas außerhalb
des Stadtzentrums gelegen und wie erwartet recht… äh… simpel. Kaum dort
angekommen, bemerkten wir ein weiteres unangenehmes Feature dieser Region:
diese unfaßbar aggressiven und nervigen Fliegen! Sie sind kleiner als unsere
Hausfliegen und fliegen mit großer Präzision als erstes auf die Augen, die
Lippen oder in die Ohren oder Nase. Außerdem verfolgen sie den Menschen, den
sie sich als Ziel auserwählt haben, zuverlässig über hunderte von Metern;
meistens hat man auch mehr als eine an der Backe. Die Hitze (ca. 32°C am Tag
unserer Ankunft) machte den Gesamteinduck nicht gerade besser. Aber da wir
ohnehin nur den Nachmittag in Alice Springs verbrachten und nicht gerade mit
einem Touristenparadies gerechnet hatten, nahmen wir das alles friedlich hin
und begaben uns in die Innenstadt, in der man eigentlich alles kriegt, was man
so braucht. Auf dem Weg dahin kommt man allerdings an einigen merkwürdigen
Einrichtungen für Aboriginals vorbei, die wir noch nicht recht verstanden, was
sich im Laufe der Reise allerdings ändern sollte.
Am nächsten Tag standen wir früh auf und genehmigten uns das
etwas improvisiert wirkende Frühstück in unserer Herberge (Toast und zwei oder
drei Aufstriche sowie simple Cornflakes). Um kurz nach 6 wurden wir dann von
einem freundlichen Typen abgeholt; Janner, unser Tourguide für die kommende
Tage. Die erste Station auf unserer Reise war Uluru, von den Westlern auch
Ayer’s Rock genannt, DAS Postkartenmotiv schlechthin in Australien. Diese Tour
war hauptsächlich der Wunsch des Liebsten, der „El Klotzo“ unbedingt sehen und
beklettern wollte. Ich freute mich zwar auch, weil wir so eine weitere Facette
Australiens sehen würden, rechnete aber nicht damit, daß mich „the Rock“
umhauen würde.
Die Strecke zu Uluru und unserer Campsite dort ist etwas
mehr als 400km lang, und die Fahrt gestaltete sich etwas schwierig, da wir auf
den Sündersitzen im Bus gelandet waren: Beinfreiheit oder solchen Luxus konnten
wir uns abschminken. Nach der ersten Stunde machten wir Halt an einer
Kamelfarm. Kamele wurden nach Australien eingeschleppt, leben dort mittlerweile
aber auch in freier Wildbahn. Die Farm hielt wohl vor allem „injured wildlife“,
also verletzte Tiere aus der Wüste. Dazu gehörten rote Kängurus, Emus, Kamele
und ein Dingo, der sich auch streicheln ließ.
Insgesamt war es aber eher einige traurige Angelegenheit;
die Kamele waren auf engstem Raum eingepfercht und hatten offensichtlich alle
eine Macke. Nach einigen weiteren Stops und einem Sandwich-Lunch auf dem
Campingplatz kamen wir dann endlich im Nationalpark an. Ich muß sagen, von
weitem hat mich der Klotz nicht gerade beeindruckt, aber je näher wir kamen,
desto mehr verstand ich, wieso die Ureinwohner Australiens auf die Idee kamen,
ihm spirituelle Bedeutung zuzumessen. Mitten im Nichts ragt plötzlich dieser
rote, zerfurchte, knapp 350m hohe Felsen auf. Nach einem kurzen Abstecher ins
kulturelle Zentrum, in dem der Liebste auch erfuhr, daß er wegen des starken
Winds nicht würde klettern können, was mir sehr leid tat, fuhren wir dann
endlich zum Fuße Ulurus.
Dort begann dann unsere Wanderung, die uns immer wieder
vorbeiführte an Höhlen, mehrere tausend Jahre alten Felsmalereien und
„sensitive sites“, also rituell bedeutsamen Stellen an El Klotzo, die man
bizarrerweise nicht fotografieren durfte.
Schließlich wurden wir mit dem Bus zur Rückseite des Felsens
gebracht, um noch eine Stunde lang dort herumzuwandern.
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Da ist der Liebste dann doch ein bißchen auf Uluru rumgeklettert. |
Dann begaben wir uns zur „Sunset Viewing Area“, um, der
geneigte Leser mag es schon vermutet haben, den Sonnenuntergang zu betrachten.
Der Wechsel der Farben von Orange über Blutrot zu Rostbraun ist ein von
hunderten Touristen betrachtetes Spektakel, das auch wir nicht vermissen
wollten. Das sah so aus:
Wir betrachteten uns das Schauspiel Arm in Arm und stellten
fest, daß es eine exzellente Entscheidung gewesen war, hierher zu kommen.
Anschließend gab es Dinner auf dem Campingplatz: über dem Feuer zubereitete
Nudeln mit Känguru-Bolognese (für die anderen) oder Gemüsesauce (für mich, die
ich ja Freundschaft mit den armen Tieren geschlossen hatte). Anschließend
begaben wir uns in unsere Swags unter freiem Himmel: das sind quasi
Ein-Mann-Zelte im Schlafsackformat, sehr robuste Stoffverkleidungen mit einer
eingebauten Matratze. Dort hinein kommt ein Schlafsack und dort hinein wiederum
kommt ein Mensch. Wir platzierten unsere Swags in der Nähe des Lagerfeuers und
schliefen unter einem wolkenlosen Sternenhimmel, wie man ihn nur fernab jeder
Zivilisation sieht, ein.
Tag 2 begann mit Xavier Rudd-Musik um 4.15 Uhr morgens; der Tourguide kochte Wasser für Kaffee und Tee auf dem wieder entfachten Lagerfeuer und hatte das Frühstück schon vorbereitet. Nachdem wir uns in völliger Dunkelheit aus dem Schlafsack gequält hatten, sollte es wieder in Richtung Nationalpark gehen, um den Sonnenaufgang zwischen Uluru und Kata Tjuta, einer weiteren atemberaubenden Felsformation ca. 50km weiter, zu betrachten. Was soll ich sagen? Es war das frühe Aufstehen sowas von wert!
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Kata Tjuta... |
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... und Uluru. |
Ein unglaublich schöner, fast magischer Anblick, der uns
beide einmal mehr sehr gerührt hat. Danach ging es gleich weiter nach Kata
Tjuta, worauf ich mich wiederum schon sehr gefreut hatte, sah es doch auf den
Bildern, die ich davon gesehen hatte, beeindruckend aus. Doch die Bilder haben
einmal mehr nicht wiedergegeben, wie großartig es dort wirklich ist. Kata Tjuta
ist eine zusammenhängende Felsformation mit insgesamt 36 Kuppeln aus
verschiedenen Gesteinsarten, allesamt rötlich gefärbt. Im Gegensatz zum
vorangegangenen Tag, an dem wir fast ausschließlich Details über die
Ureinwohner und ihre Vorstellungen erfuhren, versuchte sich der Tourguide am
zweiten Tag an der Entstehung von Kata Tjuta und Uluru aus geologischer Sicht.
Das war ganz interessant, aber leider nicht allzu detailliert. Dennoch war die
Rundwanderung durch das „Valley of the winds“ über 7,4 km unheimlich
beeindruckend und wie immer gilt: Bilder können diese Eindrücke nicht
wiedergeben.
Beeindruckend ist auch immer wieder die unglaubliche Weite,
die man nur erahnen kann, wenn man auf diesen Monumenten (Kata Tjuta ist ca.
500m hoch!) steht: kilometerweit nichts als Wüste, nichts menschengemachtes,
nur Himmel und Steppe. Das erdet: wenn man sich mal nicht so wichtig nehmen
möchte, muß man sich nur auf eine dieser Kuppeln stellen und in die Ferne
blicken. Auf allen Touren im Outback ist es übrigens wichtig, ausreichend
Wasser mitzunehmen, um nicht einer der zahlreichen Touristen zu werden, die
jedes Jahr von der Luftrettung aufgeklaubt werden müßen, weil sie zu wenig
trinken und/oder sich übernehmen. Aus diesem Grund wurden uns auch Snacks
ausgeteilt und regelmäßig Pausen eingelegt. Nach dem etwa dreistündigen
Abenteuer begaben wir uns wiederum auf eine Kamelfarm, um dort BBQ-Lunch zu
genießen; außerdem habe ich Kamel Jerky probiert und für schmackhaft befunden.
Der nächste Punkt auf dem Tagesplan war der Mount St. Connor – Lookout, der
sich auf einer Düne aus roten Sand befand, der schließlich auch meine Schuhe
füllte.
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Der Liebste isst Orange. Ein gutes Bild. |
Im Anschluß sollte es weiter zum Campingplatz gehen, mit
einem kleinen Zwischenstop zum Sammeln von Feuerholz. Nachdem wir das in
brütender Hitze getan hatten und ich mir dabei mehrere blutende Schrammen
zugezogen hatte, an denen sich nun die Fliegen niederlassen wollten, begaben
wir uns schwitzend in den Bus und warteten darauf, daß Janner ihn und die
Klimaanlage starten möge – doch wir warteten umsonst. Der Bus sprang nicht an.
Mitten im Outback, mitten am Tag, mitten im Nichts. Bei über 30°C und mit
nervigen Fliegen überall. Bei den zahlreichen Startversuchen flogen irgendwann
Funken und ich war ein klein wenig besorgt ob der beschränkten Wasservorräte,
als auch noch das Satellitentelefon herumzickte. Nach einiger Zeit jedoch hatte
der Guide seine Outback-Engineering-Fähigkeiten erfolgreich angewandt und die
Fahrt konnte weitergehen. Allgemeine Erleichterung und eine einfache Erklärung:
„The battery is fucked up.“ Die Dusche am Campingplatz war eine Erlösung.
Im weiteren Verlauf des Abends wurde gekocht (Reis mit
Hühnchen und Gemüse) und wir unterhielten uns sehr nett mit Pärchen und
Einzelpersonen aus Australien, Frankreich, Spanien und England. Es war ein
wenig schwierig, zwischen drei bis vier Sprachen hin- und herzuwechseln, hat
aber auch ziemlich Spaß gemacht. Um 22 Uhr ging es ins Zelt, da wir am nächsten
Tag wiederum um 4.15 Uhr aufstehen würden.
Und was war das für ein Anblick! Während Eddie Vedders „Big
Hard Sun“ (passenderweise aus dem Into the wild-Soundtrack) lief, schälte ich
mich aus Schlafsack und Zelt und sah einen der beeindruckendsten Sternenhimmel
meines Lebens: man sah nicht nur unheimlich viele Sterne, sondern auch die
Milchstraße und zwei „Nebel“, wobei einer vermutlich die Andromeda-Galaxie war.
Ich taumelte im Halbschlaf, aber voller Begeisterung ins Bad und dann, nach
Mini-Frühstück, in den Bus (der mal wieder notgestartet werden mußte). Heute
sollte es in den King’s Canyon gehen, der uns auch von der Camping-Receptionista
in Halls Gap empfohlen worden war. Der 6,5 km lange Rundgang startet mit dem
steil ansteigenden „Heart Attack Hill“, weswegen wir auch so früh aufgestanden
waren. Während unseres Aufstiegs ging die Sonne auf und bald sahen wir die ganze
Schönheit dieses Canyons.
Außerdem war der Weg gesäumt von totem Gehölz und
versteinerten Seegurken (Alter: ca. 350 Millionen Jahre), die davon zeugten,
daß der Canyon einst von Wasser bedeckt gewesen war.
Bevor mein Akku dann den Geist aufgab, konnte ich noch einen
kleinen Eindruck der Weiten dort einfangen. Und ein großartiges Foto vom
Liebsten machen.
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Oscarverdächtig. |
Nachdem uns der Guide noch einige Pflanzen gezeigt und Dinge
erklärt hatte, neigte sich auch diese Wanderung dem Ende zu: um etwa 10 Uhr
morgens begannen wir den Abstieg und man versuchte mal wieder vergeblich und
unter Fluchen, den Bus zu starten. Nach einiger Zeit und mit der Hilfe eines
Aussie-Bären, der mit einer zerrissenen Plastiktüte ein Provisorium bastelte,
klappte es dann doch und wir konnten zwecks Mahlzeitzubereitung in den Bus zur
Campsite steigen. Es folgten fünf Stunden Fahrt nach Alice Springs, die ab und
an von Stops unterbrochen wurden (unter anderem konnte ich meinem Dingo-Freund
noch Tschüß sagen).
Unterwegs sahen wir übrigens auch eine ganze Reihe wilder
Tiere. Hier eine Liste von denen, die wir in freier Wildbahn erspäht haben:
-
Wildpferde (Straßenrand)
-
Wilde Kamele (ebenso)
-
Wilde Rinder (ebenso)
-
Kängurus (bei Kata Tjuta)
-
Adler (Luft)
-
Red-tail Cuckatoos (Luft)
-
Thorny devil (eine bizarr aussehende Echse, die sicher
bei Cornelius abgebildet wird, auf der Straße)
-
Dingos (Straßenrand)
-
Emus (Straßenrand)
Wie schon berichtet, war der Bus für uns nicht besonders bequem,
also waren wir recht froh, nach fünf Stunden wieder in Alice Springs zu sein.
Auch war es angenehm, mal wieder ein wenig Privatsphäre zu haben, nachdem wir
die vergangenen Tage in einer 22-Leute-Gruppe verbracht hatten. Dennoch gingen
wir abends noch zum gemeinschaftlichen Abendessen und verabschiedeten uns von
den zum größten Teil sehr netten Leuten, mit denen wir dieses Abenteuer erlebt
hatten.
Noch ein Wort zu den Aboriginees: es ist erfreulich zu
sehen, wie sehr die Ureinwohner Australiens mittlerweile respektiert und
geachtet werden und kontrastiert auch die Geschichte anderer Urvölker, z.B. der
Indianer in Amerika. Natürlich ist „Aboriginal Art“ auch ein Geschäftskonzept,
mit dem sicher viel Schindluder getrieben wird, da viele Touristen darauf
abfahren. Die Aboriginees sind sehr stolz auf ihre 30.000 Jahre alte Kultur und
Tradition, die beinahe bedingungslos von den eingewanderten Australiern
angenommen bzw. sogar hofiert wird (so wird von allen Seiten strengstens davon
abgeraten, auf Uluru zu steigen, weil es eine „sacred site“ sei). In ihren
Communities scheinen die Ureinwohner auch noch sehr ursprünglich und nach
strengen Regeln zu leben. Diejenigen, die man in den Städten antrifft, die sich
oft in einem unheimlich desolaten Zustand befinden, sind jedoch meistens, so
lernten wir, aus ebendiesen Gemeinschaften ausgestoßen worden wegen
irgendwelcher Regelverstöße (die meistens den verbotenen Alkoholkonsum
betreffen). So leben sie also in heruntergekommenen Buden oder speziellen
Zentren, ziehen sich ziiiemlich unschön an, sind alle übergewichtig, rauchen
und trinken. Da die Urbevölkerung erst spät mit Alkohol in Kontakt kam (nämlich
dann, als die Einwanderer kamen), scheinen sie ihn nicht besonders gut zu
vertragen. So wurden wir auf dem Rückweg vom Restaurant am letzten Abend Zeugen
davon, wie hoffnungslos betrunkene Gestalten pöbelten, schrieen, um Geld
bettelten und sich Gewalt androhten. Da offenbar außerdem kein großer Wert auf
Körperhygiene gelegt wird, riechen sie auch nicht besonders appetitlich. Es war
wirklich ein trauriges Schauspiel.
Wir verbrachten dann noch eine letzte Nacht mit reichlich
Schlaf in der Herberge, ehe wir uns aufmachten, noch ein wenig einzukaufen und
den Nachmittag mit dem Verfassen von Blogbeiträgen zu verbringen, bevor es per
Flugzeug zu unserem letzten Urlaubsziel gehen sollte: nach Cairns, zum Great
Barrier Reef.
P.S.: für diejenigen unter uns, die auch
unmetallischer/unklassischer Musik zugetan sind, noch ein Nachtrag: zwar war
die meiste von unserem Guide und DJ aufgespielte Musik unerträglich, es waren
jedoch auch ein paar tolle oder eben erträgliche/witzige Lieder dabei, die mich künftig immer an dieses
Abenteuer und den Wüsten-Roadtrip erinnern werden. Hier also mein Cornelius-won't-like-it-Outback-Soundtrack:
- Eddie Vedder: Big Hard Sun (Aufwachen unter dem Sternenhimmel)
- Xavier Rudd: Miss You In My Life (ebenso, nur eine Nacht
vorher)
- Imagine Dragons: Radioactive (Aufbruch am Morgen des letzten Tages)
- The XX - Intro (Wüstenfahrt)
- Jeff Buckley: Halleluja (Fahrt und Morgen des letzten
Tages) und Grace (Fahrt)
- Men At Work: Land Down Under (Sonnenuntergang bei Uluru)
- Rolling Stones: Paint it black (Wüstenfahrt)
Hallo Ihr Beiden! Klingt nach einem tollen Urlaub- Euer Bericht ist super. Könnte man eigentlich mal ein Buch für Weihnachten drauss machen, oder so. ;-) Ich wünsche Euch noch eine tolle Zeit!
AntwortenLöschenLiebe Grüße aus der Zivilisation, Klaus
Ps.: Lass bitte den Corn keine Orangen mehr essen. ;-)