Montag, 16. September 2013

Teil 6: Red Centre (Claudia)

Der Abschied von Adelaide fiel uns nicht gerade schwer, als wir uns ins Flugzeug nach Alice Springs begaben. Zwei Stunden über den Wolken lagen vor uns, ehe wir in der kleinen Stadt im Nirgendwo landen sollten. Alice Springs liegt ziemlich genau in der Mitte Australiens, im Northern Territory, in der Wüste, im Nichts. Außer Alice Springs gibt es im zentralen Australien fast keine größeren Siedlungen. Und eigentlich auch keine kleinen. Den Grund dafür sah ich aus dem Flugzeug: hunderte von Kilometern ausschließlich unwirtliche Wüstenlandschaft. Und wir landeten in ihrem Zentrum: dem winzigen Flughafen von Alice Springs. Diese Kleinstadt, die eine Karriere von der einsamen Telegraphenstation bis zum touristischen Ausgangspunkt ins Outback hingelegt hat, sollte auch der Startpunkt für unsere dreitägige Tour in die Wüste werden.

Ein Kleinbus brachte uns in unsere Herberge, etwas außerhalb des Stadtzentrums gelegen und wie erwartet recht… äh… simpel. Kaum dort angekommen, bemerkten wir ein weiteres unangenehmes Feature dieser Region: diese unfaßbar aggressiven und nervigen Fliegen! Sie sind kleiner als unsere Hausfliegen und fliegen mit großer Präzision als erstes auf die Augen, die Lippen oder in die Ohren oder Nase. Außerdem verfolgen sie den Menschen, den sie sich als Ziel auserwählt haben, zuverlässig über hunderte von Metern; meistens hat man auch mehr als eine an der Backe. Die Hitze (ca. 32°C am Tag unserer Ankunft) machte den Gesamteinduck nicht gerade besser. Aber da wir ohnehin nur den Nachmittag in Alice Springs verbrachten und nicht gerade mit einem Touristenparadies gerechnet hatten, nahmen wir das alles friedlich hin und begaben uns in die Innenstadt, in der man eigentlich alles kriegt, was man so braucht. Auf dem Weg dahin kommt man allerdings an einigen merkwürdigen Einrichtungen für Aboriginals vorbei, die wir noch nicht recht verstanden, was sich im Laufe der Reise allerdings ändern sollte.

Am nächsten Tag standen wir früh auf und genehmigten uns das etwas improvisiert wirkende Frühstück in unserer Herberge (Toast und zwei oder drei Aufstriche sowie simple Cornflakes). Um kurz nach 6 wurden wir dann von einem freundlichen Typen abgeholt; Janner, unser Tourguide für die kommende Tage. Die erste Station auf unserer Reise war Uluru, von den Westlern auch Ayer’s Rock genannt, DAS Postkartenmotiv schlechthin in Australien. Diese Tour war hauptsächlich der Wunsch des Liebsten, der „El Klotzo“ unbedingt sehen und beklettern wollte. Ich freute mich zwar auch, weil wir so eine weitere Facette Australiens sehen würden, rechnete aber nicht damit, daß mich „the Rock“ umhauen würde.
Die Strecke zu Uluru und unserer Campsite dort ist etwas mehr als 400km lang, und die Fahrt gestaltete sich etwas schwierig, da wir auf den Sündersitzen im Bus gelandet waren: Beinfreiheit oder solchen Luxus konnten wir uns abschminken. Nach der ersten Stunde machten wir Halt an einer Kamelfarm. Kamele wurden nach Australien eingeschleppt, leben dort mittlerweile aber auch in freier Wildbahn. Die Farm hielt wohl vor allem „injured wildlife“, also verletzte Tiere aus der Wüste. Dazu gehörten rote Kängurus, Emus, Kamele und ein Dingo, der sich auch streicheln ließ.


Insgesamt war es aber eher einige traurige Angelegenheit; die Kamele waren auf engstem Raum eingepfercht und hatten offensichtlich alle eine Macke. Nach einigen weiteren Stops und einem Sandwich-Lunch auf dem Campingplatz kamen wir dann endlich im Nationalpark an. Ich muß sagen, von weitem hat mich der Klotz nicht gerade beeindruckt, aber je näher wir kamen, desto mehr verstand ich, wieso die Ureinwohner Australiens auf die Idee kamen, ihm spirituelle Bedeutung zuzumessen. Mitten im Nichts ragt plötzlich dieser rote, zerfurchte, knapp 350m hohe Felsen auf. Nach einem kurzen Abstecher ins kulturelle Zentrum, in dem der Liebste auch erfuhr, daß er wegen des starken Winds nicht würde klettern können, was mir sehr leid tat, fuhren wir dann endlich zum Fuße Ulurus.


Dort begann dann unsere Wanderung, die uns immer wieder vorbeiführte an Höhlen, mehrere tausend Jahre alten Felsmalereien und „sensitive sites“, also rituell bedeutsamen Stellen an El Klotzo, die man bizarrerweise nicht fotografieren durfte.




Schließlich wurden wir mit dem Bus zur Rückseite des Felsens gebracht, um noch eine Stunde lang dort herumzuwandern.

Da ist der Liebste dann doch ein bißchen auf Uluru rumgeklettert.


Dann begaben wir uns zur „Sunset Viewing Area“, um, der geneigte Leser mag es schon vermutet haben, den Sonnenuntergang zu betrachten. Der Wechsel der Farben von Orange über Blutrot zu Rostbraun ist ein von hunderten Touristen betrachtetes Spektakel, das auch wir nicht vermissen wollten. Das sah so aus:




Wir betrachteten uns das Schauspiel Arm in Arm und stellten fest, daß es eine exzellente Entscheidung gewesen war, hierher zu kommen. Anschließend gab es Dinner auf dem Campingplatz: über dem Feuer zubereitete Nudeln mit Känguru-Bolognese (für die anderen) oder Gemüsesauce (für mich, die ich ja Freundschaft mit den armen Tieren geschlossen hatte). Anschließend begaben wir uns in unsere Swags unter freiem Himmel: das sind quasi Ein-Mann-Zelte im Schlafsackformat, sehr robuste Stoffverkleidungen mit einer eingebauten Matratze. Dort hinein kommt ein Schlafsack und dort hinein wiederum kommt ein Mensch. Wir platzierten unsere Swags in der Nähe des Lagerfeuers und schliefen unter einem wolkenlosen Sternenhimmel, wie man ihn nur fernab jeder Zivilisation sieht, ein.

Tag 2 begann mit Xavier Rudd-Musik um 4.15 Uhr morgens; der Tourguide kochte Wasser für Kaffee und Tee auf dem wieder entfachten Lagerfeuer und hatte das Frühstück schon vorbereitet. Nachdem wir uns in völliger Dunkelheit aus dem Schlafsack gequält hatten, sollte es wieder in Richtung Nationalpark gehen, um den Sonnenaufgang zwischen Uluru und Kata Tjuta, einer weiteren atemberaubenden Felsformation ca. 50km weiter, zu betrachten. Was soll ich sagen? Es war das frühe Aufstehen sowas von wert!

Kata Tjuta...
... und Uluru.

Ein unglaublich schöner, fast magischer Anblick, der uns beide einmal mehr sehr gerührt hat. Danach ging es gleich weiter nach Kata Tjuta, worauf ich mich wiederum schon sehr gefreut hatte, sah es doch auf den Bildern, die ich davon gesehen hatte, beeindruckend aus. Doch die Bilder haben einmal mehr nicht wiedergegeben, wie großartig es dort wirklich ist. Kata Tjuta ist eine zusammenhängende Felsformation mit insgesamt 36 Kuppeln aus verschiedenen Gesteinsarten, allesamt rötlich gefärbt. Im Gegensatz zum vorangegangenen Tag, an dem wir fast ausschließlich Details über die Ureinwohner und ihre Vorstellungen erfuhren, versuchte sich der Tourguide am zweiten Tag an der Entstehung von Kata Tjuta und Uluru aus geologischer Sicht. Das war ganz interessant, aber leider nicht allzu detailliert. Dennoch war die Rundwanderung durch das „Valley of the winds“ über 7,4 km unheimlich beeindruckend und wie immer gilt: Bilder können diese Eindrücke nicht wiedergeben.



Beeindruckend ist auch immer wieder die unglaubliche Weite, die man nur erahnen kann, wenn man auf diesen Monumenten (Kata Tjuta ist ca. 500m hoch!) steht: kilometerweit nichts als Wüste, nichts menschengemachtes, nur Himmel und Steppe. Das erdet: wenn man sich mal nicht so wichtig nehmen möchte, muß man sich nur auf eine dieser Kuppeln stellen und in die Ferne blicken. Auf allen Touren im Outback ist es übrigens wichtig, ausreichend Wasser mitzunehmen, um nicht einer der zahlreichen Touristen zu werden, die jedes Jahr von der Luftrettung aufgeklaubt werden müßen, weil sie zu wenig trinken und/oder sich übernehmen. Aus diesem Grund wurden uns auch Snacks ausgeteilt und regelmäßig Pausen eingelegt. Nach dem etwa dreistündigen Abenteuer begaben wir uns wiederum auf eine Kamelfarm, um dort BBQ-Lunch zu genießen; außerdem habe ich Kamel Jerky probiert und für schmackhaft befunden. Der nächste Punkt auf dem Tagesplan war der Mount St. Connor – Lookout, der sich auf einer Düne aus roten Sand befand, der schließlich auch meine Schuhe füllte.

Der Liebste isst Orange. Ein gutes Bild.
Im Anschluß sollte es weiter zum Campingplatz gehen, mit einem kleinen Zwischenstop zum Sammeln von Feuerholz. Nachdem wir das in brütender Hitze getan hatten und ich mir dabei mehrere blutende Schrammen zugezogen hatte, an denen sich nun die Fliegen niederlassen wollten, begaben wir uns schwitzend in den Bus und warteten darauf, daß Janner ihn und die Klimaanlage starten möge – doch wir warteten umsonst. Der Bus sprang nicht an. Mitten im Outback, mitten am Tag, mitten im Nichts. Bei über 30°C und mit nervigen Fliegen überall. Bei den zahlreichen Startversuchen flogen irgendwann Funken und ich war ein klein wenig besorgt ob der beschränkten Wasservorräte, als auch noch das Satellitentelefon herumzickte. Nach einiger Zeit jedoch hatte der Guide seine Outback-Engineering-Fähigkeiten erfolgreich angewandt und die Fahrt konnte weitergehen. Allgemeine Erleichterung und eine einfache Erklärung: „The battery is fucked up.“ Die Dusche am Campingplatz war eine Erlösung.
Im weiteren Verlauf des Abends wurde gekocht (Reis mit Hühnchen und Gemüse) und wir unterhielten uns sehr nett mit Pärchen und Einzelpersonen aus Australien, Frankreich, Spanien und England. Es war ein wenig schwierig, zwischen drei bis vier Sprachen hin- und herzuwechseln, hat aber auch ziemlich Spaß gemacht. Um 22 Uhr ging es ins Zelt, da wir am nächsten Tag wiederum um 4.15 Uhr aufstehen würden.

Und was war das für ein Anblick! Während Eddie Vedders „Big Hard Sun“ (passenderweise aus dem Into the wild-Soundtrack) lief, schälte ich mich aus Schlafsack und Zelt und sah einen der beeindruckendsten Sternenhimmel meines Lebens: man sah nicht nur unheimlich viele Sterne, sondern auch die Milchstraße und zwei „Nebel“, wobei einer vermutlich die Andromeda-Galaxie war. Ich taumelte im Halbschlaf, aber voller Begeisterung ins Bad und dann, nach Mini-Frühstück, in den Bus (der mal wieder notgestartet werden mußte). Heute sollte es in den King’s Canyon gehen, der uns auch von der Camping-Receptionista in Halls Gap empfohlen worden war. Der 6,5 km lange Rundgang startet mit dem steil ansteigenden „Heart Attack Hill“, weswegen wir auch so früh aufgestanden waren. Während unseres Aufstiegs ging die Sonne auf und bald sahen wir die ganze Schönheit dieses Canyons.



 Der Weg führte uns hinab in eine Felsspalte, in der es plötzlich ganz grün und paradiesisch wurde, bis hin zu einem kleinen Teich, über den die Vögel flogen und der von Farnen und Bäumen umgeben war. Da wir die ersten dort waren, genossen wir bei unserem Snack dort die Stille und freuten uns einmal mehr, diese Reise angetreten zu sein. Bilder davon hat Cornelius sicher. Hier dennoch ein Versuch, die Felsspalte darzustellen:


 Nachdem wir diese überquert hatten, sahen wir auch die Kuppelstruktur der Seite, auf der wir gerade entlanggewandert waren:


Außerdem war der Weg gesäumt von totem Gehölz und versteinerten Seegurken (Alter: ca. 350 Millionen Jahre), die davon zeugten, daß der Canyon einst von Wasser bedeckt gewesen war.


Bevor mein Akku dann den Geist aufgab, konnte ich noch einen kleinen Eindruck der Weiten dort einfangen. Und ein großartiges Foto vom Liebsten machen.


Oscarverdächtig.
Nachdem uns der Guide noch einige Pflanzen gezeigt und Dinge erklärt hatte, neigte sich auch diese Wanderung dem Ende zu: um etwa 10 Uhr morgens begannen wir den Abstieg und man versuchte mal wieder vergeblich und unter Fluchen, den Bus zu starten. Nach einiger Zeit und mit der Hilfe eines Aussie-Bären, der mit einer zerrissenen Plastiktüte ein Provisorium bastelte, klappte es dann doch und wir konnten zwecks Mahlzeitzubereitung in den Bus zur Campsite steigen. Es folgten fünf Stunden Fahrt nach Alice Springs, die ab und an von Stops unterbrochen wurden (unter anderem konnte ich meinem Dingo-Freund noch Tschüß sagen).

Unterwegs sahen wir übrigens auch eine ganze Reihe wilder Tiere. Hier eine Liste von denen, die wir in freier Wildbahn erspäht haben:
-         Wildpferde (Straßenrand)
-         Wilde Kamele (ebenso)
-         Wilde Rinder (ebenso)
-         Kängurus (bei Kata Tjuta)
-         Adler (Luft)
-         Red-tail Cuckatoos (Luft)
-         Thorny devil (eine bizarr aussehende Echse, die sicher bei Cornelius abgebildet wird, auf der Straße)
-         Dingos (Straßenrand)
-         Emus (Straßenrand)

Wie schon berichtet, war der Bus für uns nicht besonders bequem, also waren wir recht froh, nach fünf Stunden wieder in Alice Springs zu sein. Auch war es angenehm, mal wieder ein wenig Privatsphäre zu haben, nachdem wir die vergangenen Tage in einer 22-Leute-Gruppe verbracht hatten. Dennoch gingen wir abends noch zum gemeinschaftlichen Abendessen und verabschiedeten uns von den zum größten Teil sehr netten Leuten, mit denen wir dieses Abenteuer erlebt hatten.

Noch ein Wort zu den Aboriginees: es ist erfreulich zu sehen, wie sehr die Ureinwohner Australiens mittlerweile respektiert und geachtet werden und kontrastiert auch die Geschichte anderer Urvölker, z.B. der Indianer in Amerika. Natürlich ist „Aboriginal Art“ auch ein Geschäftskonzept, mit dem sicher viel Schindluder getrieben wird, da viele Touristen darauf abfahren. Die Aboriginees sind sehr stolz auf ihre 30.000 Jahre alte Kultur und Tradition, die beinahe bedingungslos von den eingewanderten Australiern angenommen bzw. sogar hofiert wird (so wird von allen Seiten strengstens davon abgeraten, auf Uluru zu steigen, weil es eine „sacred site“ sei). In ihren Communities scheinen die Ureinwohner auch noch sehr ursprünglich und nach strengen Regeln zu leben. Diejenigen, die man in den Städten antrifft, die sich oft in einem unheimlich desolaten Zustand befinden, sind jedoch meistens, so lernten wir, aus ebendiesen Gemeinschaften ausgestoßen worden wegen irgendwelcher Regelverstöße (die meistens den verbotenen Alkoholkonsum betreffen). So leben sie also in heruntergekommenen Buden oder speziellen Zentren, ziehen sich ziiiemlich unschön an, sind alle übergewichtig, rauchen und trinken. Da die Urbevölkerung erst spät mit Alkohol in Kontakt kam (nämlich dann, als die Einwanderer kamen), scheinen sie ihn nicht besonders gut zu vertragen. So wurden wir auf dem Rückweg vom Restaurant am letzten Abend Zeugen davon, wie hoffnungslos betrunkene Gestalten pöbelten, schrieen, um Geld bettelten und sich Gewalt androhten. Da offenbar außerdem kein großer Wert auf Körperhygiene gelegt wird, riechen sie auch nicht besonders appetitlich. Es war wirklich ein trauriges Schauspiel.

Wir verbrachten dann noch eine letzte Nacht mit reichlich Schlaf in der Herberge, ehe wir uns aufmachten, noch ein wenig einzukaufen und den Nachmittag mit dem Verfassen von Blogbeiträgen zu verbringen, bevor es per Flugzeug zu unserem letzten Urlaubsziel gehen sollte: nach Cairns, zum Great Barrier Reef.

P.S.: für diejenigen unter uns, die auch unmetallischer/unklassischer Musik zugetan sind, noch ein Nachtrag: zwar war die meiste von unserem Guide und DJ aufgespielte Musik unerträglich, es waren jedoch auch ein paar tolle oder eben erträgliche/witzige Lieder dabei, die mich künftig immer an dieses Abenteuer und den Wüsten-Roadtrip erinnern werden. Hier also mein Cornelius-won't-like-it-Outback-Soundtrack:
- Eddie Vedder: Big Hard Sun (Aufwachen unter dem Sternenhimmel)
- Xavier Rudd: Miss You In My Life (ebenso, nur eine Nacht vorher)
- Imagine Dragons: Radioactive (Aufbruch am Morgen des letzten Tages)
- The XX - Intro (Wüstenfahrt)
- Jeff Buckley: Halleluja (Fahrt und Morgen des letzten Tages) und Grace (Fahrt)
- Men At Work: Land Down Under (Sonnenuntergang bei Uluru)
- Rolling Stones: Paint it black (Wüstenfahrt)

1 Kommentar:

  1. Hallo Ihr Beiden! Klingt nach einem tollen Urlaub- Euer Bericht ist super. Könnte man eigentlich mal ein Buch für Weihnachten drauss machen, oder so. ;-) Ich wünsche Euch noch eine tolle Zeit!
    Liebe Grüße aus der Zivilisation, Klaus
    Ps.: Lass bitte den Corn keine Orangen mehr essen. ;-)

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