Mittwoch, 11. September 2013

Australien #10 - Ende der Großen Fahrt und Ankunft in Adelaide (Corn)

An meinem Geburtstag (vielen Dank an dieser Stelle allen, die an mich gedacht und mich mit Grüßen und Nachrichten bedacht haben, hat mich sehr gefreut J ) ging es nach einem letzten Camping- und gleichzeitig dank der Liebsten Geburtstagsfrühstück mit Minikuchen und Minikerzen

es gab sogar Erdbeeren! :-***

auf den letzten Streckenabschnitt nach Adelaide, für wo es uns trotz intensiver und mehrere Quellen einbeziehender Recherche noch nichts wirklich interessantes zu tun oder sehen zu planen gelungen war.
Auf dem Weg dahin lagen ungefähr hundertfünfzig Kilometer Landstraßen und Highways aber wir machten etwa 50 km vor Adelaide noch in „Hahndorf“ halt, einer ehemals von 50 deutschen Lutheranerfamilien im Jahr 1839 gegründeten Ortschaft und damit Australiens ältester deutsch(stämmig)er Siedlung, wo es angeblich noch ganz viele Originalfachwerkhäuser aus der Zeit geben sollte. Wir fragten uns, was wohl noch von diesem Erbe übrig sein würde. Wie sich zeigte: nix. Hahndorf ist einfach nur eine trashige, (für Deutsche) nahe am Peinlichen rangierende Folklore- und Kitschparodie dessen, was man sich im Ausland so unter Deutschland und Deutschtümelei

wenigstens die "" haben sie hingeschrieben
vorstellt, also mit Läden für „original“ Kuckucksuhren,

wer kennt sie nicht, die typisch deutschen "Teehandtücher"?

Würste aller Art (auch solche, von denen wir bisher noch nie gehört hatten – „Kransky“ irgendwer?) und sonstigem Tinnef



an allen Ecken und Enden, Deutschland- und Bayernfahnen und –wimpeln,

Claudia fühlt sich ihren Landsleuten verbunden, alte Bayerin, die sie ist

besch….eidener deutscher Volkmusik aus Lautsprechern, „Brauhäusern“ etc. ad nauseam. Das ganze besteht aus einer einzigen langen, geraden Straße, an der entlang der ganze Budenzauber veranstaltet wird, also so, wie Dörfer im 19. Jhdt. ganz bestimmt nicht aussahen. Viele der angeblich alten Häuser waren offensichtlich aus auf alt getrimmten Fakesteinen

typisch deutsches Eiscremegeschäft (wtf?!)

gebaut und echtes Fachwerk gab es nur ganz selten.
Besonders trashig war, daß diese Typen es nicht mal auf die Kette gekriegt haben, auch nur ein bißchen zu recherchieren (Google ist Dein Freund!), um wenigstens die groben Fehler auszumerzen: der Unterschied zwischen Roggen und Rüben war jedenfalls unbekannt (ist ja eh das gleiche), die meisten garantiert wahlweise „originalen“ oder „authentischen“ Gerichte, die allerorten aufgetischt wurden, waren irgendwelche kruden und total unpassenden Mixturen aus Sauerkraut, Rotkohl, „Schnitzel“, Würsten, Braten, Leberkäse, Senf und Kartoffeln, die in Deutschland natürlich keine Sau ißt, darunter die bizarre „Stuttgart Platte“, von der die Liebste sicher berichten wird.

Für mich eher ein Reinfall, den ich höchstens als amüsante Trashentgleisung genießen konnte. Also schnell wieder ins Büschen und den Rest der Strecke zurückgelegt. Und so endete unsere abenteuerliche Fahrt in Adelaide, die uns die bisher intensivsten Eindrücke vom Land und der Natur Australiens beschert hat.
Es war wunderbar. Diese Weite. Diese Weite! Das Land hier, die Horizonte, die Himmel, das Meer, alles ist so weit und erstreckt sich scheinbar bis ins Unendliche. Man kann sich gar nicht sattsehen, will darin aufgehen und versinken und schaut und starrt, bis endlich der Blick erschöpft und die Seele satt und glücklich ist. Wir waren uns einig: das ist unsere ganz irdische und weltliche und doch tief erfüllende Spiritualität.
                                            
Doch nun zu etwas völlig anderem: Adelaide. Unser Motel, das „Princes Lodge“ sah von außen recht schmuck aus.


Es ist ein 1913 gebautes Haus direkt an einer großen Parkanlage mit Pferdeweiden und viel Grün, das zum Motel umfunktioniert wurde und im Reiseführer war von „liebenswert uncool“ und „faded grandeur“ die Rede, also von verblichenem Glanz. Das trifft es zumindest für die Empfangshalle recht genau


Das ganze Interieur zehrt noch von einstiger Größe zeigt aber deutlich Fraßspuren des Zahns der Zeit. Dies hingegen traf nicht für unser Zimmer zu, das sich nicht im Haupthaus sondern im „Coach House“ befand. Hierfür wäre eher das Adjektiv „schangelig“ oder „abgeschangelt“ in Anschlag zu bringen.

keine Ahnung, was das baune Viereck oben rechts ist. Vermutlich das alte Radio von Erwin Rommel
 Eigentlich ist so etwas eine Zumutung und wirklich ganz und gar nicht dem entsprechend, was sowohl Reiseführer als auch Internetbilder erwarten lassen. Aber psychologisch gewitzt wie wir sind und zugleich unwillens uns die Urlaubsfreude trüben zu lassen, haben wir die Situation uminterpretiert und das Spiel „Mängel finden“ erfunden, bei dem derjenige gewinnt, der die meisten Mängel findet. Insgesamt kamen wir auf:

  • Flecke an Wänden
  • Risse in Wänden
  • Absplitternde Wandfarbe
  • Löcher in Bettdecken
  • Katscher in Türrahmen
  • Telefon geht nicht (Kommentar des Rezeptionisten: „Haha, yes, I know!“)
  • Tür klemmt
  • Keine Heizung (nur Heizlüfter)
  • der Kühlschrankkompressor macht laute und äußerst bizarre Geräusche (in etwa wie drei Hornissen in einer Pappröhre)
  • die Klospülung ist überaus langsam und braucht Minuten, um mit Rauschen aufzuhören
  • das Klo steht so nah an der Wand, daß man einen veritablen Spagat machen muß, um draufzusitzen
  • die Klobrille ist nur hauchdünn und fimschig und es sind Stücke rausgebrochen
  • die Wasserhähne tropfen und sind undicht, so daß man sie mit brutaler Gewalt zudrehen muß
  • es steht Kakerlakenspray im Schrank (mehr nicht, aber man fragt sich schon, warum)
  • in der Badtür ist eine Ecke eingesägt, weil sie sonst nicht am Waschbecken vorbei zugehen würde
  • das Waschbecken hat zwar zwei Wasserhähne, ist aber nicht größer als meine Hand
  • die Aussicht auf den Hinterhof erinnert an Trümmerbilder aus Deutschland ’45
  • die Wände sind papierdünn, so daß man exakt das Timbre des vibrierenden Schleims beim Morgenröcheln des benachbarten Junkies mitverfolgen kann
  • Die Möbel sind im 70er Jahre-Sperrmüllstil: schäbbig und im Arsch. Der Stuhl mit Defekten, ein schmuddeliger Winzschrank und so ein schangeliger Mini“schreibtisch“
  • Geschirr und Besteck waren schmutzig
  • das Insektengitter vorm Fenster enthielt zahlreiche verblichene Insekten, dafür aber auch Löcher
  • das Motel befindet sich in der Einflugschneise des Flughafens
  • die Fliesen in Flur und Bad passen nicht zueinander und sind schäbig und unappetitlich
  • das Warmwasser ist weiß (!), wenn es aus der Leitung kommt
(Anmerkung: die Leute, die im Motel arbeiteten, waren sehr freundlich, hilfsbereit und zuvorkommend – typisch australisch und das soll nicht unerwähnt bleiben)

Und irgendwie bildete Adelaide eine Entsprechung dazu. Diese Stadt konnte uns nicht für sich gewinnen und inzwischen lächeln wir wissend über die überschwenglichen Beschreibungen in den Touristenheftchen und den seeeehr schmeichelhaften Photos, die einem Adelaide schmackhaft machen sollen. Die Australier und ihr Hang zum Overstatement… Nein, „faded grandeur“ paßt auch auf diese Stadt, in der es so aussieht.


jaja, oftmals führt einen der Pfad der Ehre wahrhaftig auf die schiefe Bahn

kann ein Imperativ verfehlter sein?

Vieles wirkt verblichen, vielleicht gar verschossen,

gleich einer lange schon in die Jahre gekommenen und verstummten Operndiva, die zu einer Groteskdame geworden ist, die grell geschminkt, mit Netzhandschuhen und einem Affen an der Leine durch die Straßen schreitet, mit einem traurigen und verbissenen aber irgendwie bewundernswerten Rest der alten Haltung.

Nach einem kurzen Erkundungsgang bei Nieselregen und bleigrauem Himmel von North Adelaide in den CBD, setzten wir uns zu einem durchaus gelungenen Geburtstagsabendessen in „The Strathmore“ und kehrten danach mit gemischten Gefühlen, wie wir den hier bitte noch zwei Tage rumbringen sollten, in unsere Ranzbude zurück.

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