Donnerstag, 19. September 2013

Australien #13 - Die Tour zum großen Felsen (Corn)


Tag 1
Sie kämen um 6.10 Uhr in der Frühe, um uns abzuholen, hatte es geheißen. Die Touren zu Uluru & Co. beginnen immer so früh und bei Toddy’s gibt es deshalb schon ab 5.30 Uhr Frühstück (die übliche „Continental Variante“ mit Cornflakes und Toast). Müde und in morgendlicher Noch-nicht-Hitze und Dunkelheit spachtelten wir soviel wie möglich vom lieblos Dargebotenen in uns hinein und mußten, nachdem inzwischen alle anderen Wartenden abgeholt worden waren, doch bis 6.30 Uhr warten, bis daß unser Guide, Janner mit Namen, um die Ecke kam und uns einsammelte.
Wir bestiegen das üble kleinbusartige und schon mit 15 anderen Reisenden besetzte Gefährt, mit dem wir in den folgenden Tagen von Sensation zu Sensation expediert werden sollten und nahmen mit gemischten Gefühlen unsere fast quälend unbequemen Plätze ohne Kopfstützen, Armlehnen sowie ausreichenden Fuß- und Beinraum ein, auf denen stundenlang auszuharren uns aufgegeben war, bevor wir Uluru würden erblicken können.
Zum Glück hielten wir jede Stunde irgendwo an, um Flüssigkeiten aus Menschen bzw. in Tanks zu befördern, Kamele zu, je nach Standpunkt, bewundern oder zu bedauern, Dingos zu streicheln



sich die Beine zu vertreten und sich an den aufdringlichen Zuwendungen der geflügelten Fauna nicht zu erfreuen. Gegen Mittag erreichten wir eine Art Campingplatz mit „Shelters“, also Dächern über Bänken und Tischen, wo es auch Strom und Wasser gab, sowie eine Feuerstelle. Dort gab es Sandwiches und dorthin würden wir auch zum Schlafen wiederkehren. Nach dem Essen ging es endlich zum Ayer’s Rock, zu Uluru. Doch bevor wir zum Felsen selbst vordrangen, mußten wir noch das Cultural Centre besichtigen, wo es eine vor allem aus Schrifttafeln und ein paar Photos bestehende Ausstellung bzw. Einführung in die Kultur der Aborigines zu sehen gab. Hier sollte man grundlegende Dinge über die Ureinwohner, ihre komplizierte und alle Lebensbereiche umfassende „Religion“/Rechtslehre namens „Tjukurpa“ erfahren, sowie welche Bedeutung Uluru für die Ureinwohner hat und besonders, warum sie nicht wollen, daß man draufklettert.
Das Dilemma, dem ich mich gegenübersah, zwischen zwar einerseits anzuerkennen, daß die Weißen den Aborigines übel mitgespielt haben und diese dafür irgendwie „etwas gut haben“ sollten, andererseits aber sehr gerne auf den Felsen klettern zu wollen und kein Verständnis für und keine Geduld mit irgendwelchen abergläubischen Vorstellungen zu haben, die das verbieten (es ist eben nur ein Felsen), wo es gesetzlich ja ausdrücklich erlaubt ist, wurde dadurch aufgelöst, daß an diesem Nachmittag der Aufstieg wegen zu hoher Windgeschwindigkeiten gesperrt war. Schade. Also würde ich, wie die anderen, an der Umrundung von Uluru teilnehmen. Als wir dann darauf zufuhren, als ich ihn das erste mal richtig sah, packte es mich. Der Anblick dieses behemotischen, urzeitlichen, rotglühenden Monolithen, der unvermittelt aus der flachen Steppenlandschaft aufragt, wühlte mich auf, bewegte etwas tief im Inneren, so als würde ein uraltes, verborgenes Wissen (vielleicht ein wenig so wie bei Feud beschrieben) erweckt. Natürlich gibt es nichts derartiges, aber es fühlt sich doch ein wenig so an und ich genoß es.
Am Fuß des Felsens gab Janner uns einige Erklärung zu Alter und Entstehung und kultureller Bedeutung und führte uns dann an seinen Flanken entlang.






 Immer wieder gab es „sacred sites“, meist an Stellen, an denen irgendwelche Löcher oder Einbuchtungen in der Felswand zu sehen waren, an denen das Photographieren bei hoher Strafe verboten ist.



Warum das so war, also welchen Schaden in der Vorstellung der Aborigines das Anfertigen von Lichtbildern anrichte, konnte mir unser Guide, den man offensichtlich auf übertriebenen Respekt und Ehrfurcht vor deren Vorstellungen, Sitten und Gebräuchen gedrillt hatte, aber nicht beantworten. Ein spanischer Mitreisender, der entweder die Anweisungen nicht verstanden hatte oder sie ignorierte, stellte sich jedenfalls direkt vor das „no photos“-Schild und knipste munter drauf los.
Mir persönlich ging der schon fast unterwürfige Respekt vor den in meinen Augen ziemlich albernen und haarsträubenden (Glaubens-)Vorstellungen der Aborigines (wofür ich aber auch alle anderen vorwissenschaftlichen volksreligiösen Erklärungsversuche natürlicher Erscheinungen und Phänomene halte) zu weit, da ich prinzipiell Respekt nur für Menschen, nie aber für Glaubensinhalte aufbringen kann. Was mir grundsätzlich aber gefallen hat, ist, daß der Uluru-Kata-Tjuta-Nationalpark gleichberechtigt von Aborigines und Weißen betrieben, verwaltet und bewirtschaftet wird. So wird das alte Vorrecht der Ureinwohner auf dieses Land, das ihnen Jahrzehntausende lang gehörte, anerkannt und ihre Wünsche und Bedenken werden geachtet. Es werden z.B. sowohl weiße Park-Ranger in den traditionellen Vorstellungen der Aborigines geschult, als auch Aborigines zu Park-Rangern ausgebildet. Vielleicht bewirkt das, daß die Aborigines auch wenn in der Zukunft der alte Pachtvertrag abgelaufen sein wird, allen Menschen weiterhin erlauben werden, diese Naturmonumente zu bewundern.

lovin' it
 Nach der Umrundung fuhren wir zum „Sunset Lookout“, von dem aus man den spektakulären Farbwechsel, den Uluru im Licht der sinkenden Sonne durchläuft, beobachten kann.




Hernach ging es zurück zum Shelter, wo Janner uns auf einem Feuer aus von uns zuvor am Straßenrand aufgeklaubtem Holz, Pasta mit Känguruh-Bolognese kochte: eine schmackhafte Mahlzeit, der es allerdings an Würze fehlte und die wir vom mitgebrachten Blechgeschirr verspeisten. Satt und zufrieden legte ich mich in meinen Swag, einen traditionell australischen Busch-Schlafsack mit eingebauter Matratze und schlief ein unter einem Sternenhimmel wie ich ihn noch nie gesehen hatte.

Tag 2
Der zweite Tag begann um 4.15 Uhr bei tiefster Dunkelheit und Sternenpracht mit der schon von den Busfahrten gewohnten, schlechten Musik, mit der uns Janner weckte, sowie einem spartanischen Frühstück, um eine Stunde später aufbrechen und rechtzeitig den besten Beobachtungspunkt für den Sonnenaufgang direkt hinter Uluru erreichen zu können.






In den Armen meiner Liebsten war das einer der, wenn nicht der schönste und erhebendste Moment dieser Queste in Australiens Mitte, den ich nie vergessen werde.

Anschließend fuhren wir zu Kata Tjuta und dem „Tal der Winde“, wo wir eine sensationelle Wanderung durch diese grandiose, mystische rote Felsenlandschaft machten, die sich nur unzureichend mit (zahlreich erzeugten) Lichtbildern bezeugen läßt.



die Liebste mit Hut und Wanderstimmung





Wie schon angesichts anderer Naturschauspiele in Australien ergötzten wir uns auch hier stundenlang an der Pracht der Anblicke, die sich uns boten und unauslöschlich in die Erinnerung einschrieben und den unausgesprochenen Wunsch entstehen ließen, daß unser Besuch hier nicht der letzte gewesen sein möge.

Das Mittagessen, das auf einer weiteren Kamel-Farm, wo Rennkamele gehalten,

und wat für schöne


Rennkamelsättel hergestellt und alberne, phototrächtige Kamelritte gegen Bares absolviert werden, eingenommen wurde, war ganz nach meinem Geschmack: Australian BBQ! Auf einer gasbefeuerten Bratplatte brutzelte uns unser Guide und Küchenchef Janner Burgerbuletten und sowohl echte, als auch für die einzige Vegetarierin in der Gruppe, aus kränklich-weißlicher Ersatzmasse geformte Würstchen, die wir zusammen mit den üblichen Belägen, Saucen und Tunken zwischen Brotscheiben stopften und verschlangen.


Ich probierte auch eines der angeblich aus Rindfleisch bestehenden Würstchen und darf an dieser Stelle einmal dem Nationenklischee huldigen sowie eine der wenigen Dinge nennen, die nicht gut an Australien sind: die können keine Würste und dieses fettig-garstige „Ding“, das ich bedauerlicherweise verzehrte, ließ mich mich selbiges nach einer guten Thüringer oder Nürnberger tun.

Auf der anschließenden Fahrt über hundert Kilometer endlos erscheinender Wüstenstraßen


zum Nachtlager dieses Tages, einem Outback-Campingplatz, hielten wir noch an, um den Mount St.Connor und einen ihm gegenüberliegenden Salzsee zu betrachten, den man von einer Düne aus diesem hier überall vorhandenen, wunderbar feinen roten Sand



aus betrachten konnte



Nachdem wir am Straßenrand gehalten und, von Janner geheißen, Brennholz für’s abendliche Feuer zusammengeklaubt hatten, was sich bei 5000°C Außentemperatur und zudringlichster Aufmerksamkeit Tausender Fliegen als eine scheußliche, schweißtreibende und in meinem Fall mit einer blutigen Schramme quittierte Aufgabe erwies, sollte die Fahrt fortgesetzt werden. Allein, es sprang der Bus nicht an. So gar nicht. Und während Janner, dessen Puls zu keinem Zeitpunkt über 50 bpm zu steigen schien, friedlich an Motor, Batterie und Zündung herumwerkelte und sicherheitshalber schon einmal das Satellitentelefon für einen evtl. nötigen Notruf herausgeklaubte, hatten wir die Wahl, in der 6000°C heißen Bussauna sautiert oder im Schatten draußen in einer gewitterdunklen Wolke aus Fliegen erstickt zu werden. Nach allerhand Flüchen, funkenschlagenden Batteriekabeln und diversen ausgeschiedenen Litern Transpirates erwachten Motor und Klimaanlage unseres Höllengefährts wieder zum Leben und wir gingen des Abenteuers einer echten Autopanne im Outback verlustig, konnten aber weiterfahren.

Erschöpft und angefüllt mit den Eindrücken dieses Tages rollten wir schließlich auf dem fliegenversuchten, sturmumtosten und nicht unräudigen Platz ein, wo wir uns erst ein Zweimannzelt mit echten Betten sicherten und dann getrennter Wege zu umfänglichen Waschungen (Liebste) und einem Besuch des kleinen aber erfrischenden Swimmingpools (moi) gingen.
Bei der Vor- und Zubereitung des Abendessens, Reis mit wahlweise Huhnlecker oder so Gemüseschnodder sowie von zwei Britinnen geknetetem und auf dem Feuer gebackenem Schokobrot zum Nachtisch, sozialsierten wir fleißig und vielsprachig umeinander, um auch mit der nicht-deutschsprachigen Hälfte der Reisegruppe ins Gespräch zu kommen. In der Tat: ganze acht Mitglieder der Gruppe waren oder sprachen deutsch, darüber hinaus gab es Franzosen, Briten, Iren und Spanier, eine Japanerin aber auch ein Paar Australier, die ihr eigenes Land besser kennenlernen wollten.
Nach dem Essen und im Licht von Lagerfeuer und einem phänomenalen Sternenhimmel krochen wir in unser Zelt und sanken rasch in einen Schlaf, dem erneut keine erholsame Dauer beschieden sein sollte.



Tag 3
Denn wieder um 4.15 Uhr zwang uns Janner mittels unguter Beschallung den Anbruch des dritten Tages auf. Diesmal galt es nicht, rechtzeitig aufzubrechen, um einem weiteren Sonnenaufgang beiwohnen zu können, sondern, um noch vor selbigem beim Kings Canyon anzukommen, da man dort, um die vor uns liegende Wanderung in Angriff bzw. -tritt nehmen zu können, zuersteinmal den „Heart Attack Hill“ bewältigen muß. So wird ein extrem steiler Anstieg auf die Höhe des Canyons bezeichnet mit einer Steigung von durchgängig 60-70°, der mir keine Probleme bereitete, zumal es noch schön kühl war, der aber eine gewisse Liebste schon ordentlich ins Schnaufen brachte.
Die Anstrengung zahlte sich jedenfalls aus, denn ihr folgte eine der schönsten Wanderungen unseres Lebens durch den und vorbei am Kings Canyon mit seinen Kuppeln, Domen und versteinerten Dünen.




Mitten in dieser bizarren Landschaft liegt eine kleine und passenderweise als „Garden Eden“ bezeichnete Oase, mit Palmen, Farnen und Bäumen, die um einen kleinen Teich herum wachsen und so ein stilles, feines und pausenträchtiges Idyll bilden.


Garden of Eden

Unterwegs boten sich uns immer wieder atemberaubende Anblicke, versteinerte Fauna und war auch ab und an Zeit für Schabernack.



versteinerte Mollusce
na? Jemand das Filmzitat erkannt?
man muss sich jetzt noch das Bruce-Lee-Geraeusch vorstellen

und der Oscar fuer die beste Nebenrolle goes to...
 
Als wir wieder herabstiegen, waren wir glücklich und auch der Kings Canyon wird uns unvergeßlich bleiben.

Der Rest des Tages gestaltete sich deutlich weniger erfreulich, denn die stundenlange Rückfahrt nach Alice Springs im Todesbus stand uns bevor. Wir kehrten noch kurz zum Campingplatz zurück, um dort die Zelte auszufegen und anstelle eines richtigen Mittagessens ein paar armselige Stullen zum Mitnehmen anzufertigen und dann traten wir die etwa fünfstündige Fahrt an, die sich wirklich arg zog und wegen der unmöglichen Sitze und trotz großer Müdigkeit uns nicht mal ein Schläfchen gestattete. Auf dem letzten Abschnitt füllten wir noch den Bewertungsbogen für die Tour aus, bei dem Claudia deutlich gnädiger als ich war, wobei wir beide unseren wirklich sehr netten und extrem gut organisierten Guide (der sogar an einen Strauß Fliegenklatschen („weapons of maß destruction“) für uns alle gedacht hatte) ausdrücklich lobten.
Endlich erreichten wir sogar noch vor der angepeilten Zeit verschwitzt, verkrampft und verdreckt aber glücklich Alice Springs, wo wir uns, angeleiert vom treuen Janner, abends nach ausgiebigen Erfrischungen noch zum Abschiedsessen mit der Gruppe trafen. Auf dem Heimweg ließen wir noch einmal die sagenhaften Eindrücke der wilden und anstrengenden letzten drei Tage an uns vorbeiziehen und stellten fest, daß es jede Sekunde wert war und wie froh wir waren, das gesehen und erlebt zu haben.

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