Samstag, 15. August 2015

Mauritius - Ausflüge (Corn)

Hier schwadroniere und erzähle ich von unseren Ausflügen auf Mauritius.

Erster Ausflug in den Norden: Mon Choisy & Les Cannoniers, Grand Bay, Pérey Bère

Weil wir keine bornierten Hotelhocker sondern verantwortungs- und pflichtbewußte Aktivtouristen sein wollten, nahmen wir uns vor, unseren schönen aber, so waren wir überzeugt, in seiner Sauberkeit und Perfektion überaus unauthentischen, wenn nicht gar unmauritanischen Wohnbums auch mal zu verlassen und zu schauen, wie es draußen im Land so zugeht, wie man dort wohnt, lebt und arbeitet.
Also mieteten wir ein bereits stark abgegriffenes, brombeerfarbenes japanisches Kleineuteken, stürzten uns, ich als inzwischen geübter Linksverkehrer kaum noch mit dem Seitenwechsel fremdelnd, auf die mauritanischen Straßen und fuhren unter der Beschallung in weiser Voraussicht selbst gerösteter CDs, die uns davor bewahrten, uns der bereits im Player harrenden „Michael Bublé“-Folter auszusetzen, gen Norden.
Als erstes besichtigten wir den öffentlichen Mon Choisy-Strand, wo Einheimische und Touristen in trauter Eintracht die Leiber dem indischen Ozean überantworteten.

Die gepiercten Genitalien, den Geruch nach Marihuana und den Scott McKenzie-Song im Hintergrund denke man sich bitte

Wer hatte, stieg in Jolle, Laser, Katamaran, Barke, Schaluppe, Kogge, Langboot oder Karavelle und ließ sich treiben. Andere schwammen Brust.

 Da der Reiseführer, dem wir die Anregung entnommen hatten, den „Point aux Cannoniers“ zu besuchen, wohl noch aus der Zeit stammte, als man mit den namengebenden Haubitzen noch von den französischen Garnisonsmauern verdammte Tommy-Schiffe zu versenken pflegte, war ihm nicht bekannt und uns erst bewußt, daß sich dort inzwischen einfach nur diverse Hotels befinden, als wir auf der Suche nach den Kanonen mit unserer Brombeere schon fast in deren Einfahrt standen. Wir wendeten und the Cloud nahm’s gelassen

She don’t need Cannonpower when she’s rockin’ deese guns!

Also weiter nach Grand Bay, wo wir absichtlich alsbald die lange und touristische Einkaufsstraße verließen, um mal hinter die Fassade zu blicken. Hier und auch in den Dörfern, durch die wir auf dem Weg hierher gefahren waren, erinnert mich Mauritius mit seinen Strassen, Häusern und deren Bewohnern sehr an die nicht glitzerweltigen Teile der Côte d’Azur nur in etwas „älter“ und schmuddeliger und ein wenig heruntergekommen, aber mit einem gewissen, abgeschabten Vintage-Charme.

Straßenhändler mit Obst. DA ist die Kiste, die Himmler gesucht hatte!



Ob die wohl selber überhaupt gegen irgendwas versichert sind?



Vive la france! (Zufall oder Sarkasmus?)
  
Ich hätte auch gerne ein Boot in der Garage


Overstatement? Kann der Mauritanier.



Das Verkehrsschild hat seine besten Tage hinter sich, aber das Männchen hat immerhin Absätze an den Schuhen.


Nach der Arbeit ein lecker Süppchen. Und dazu? Ein koffeinhaltiges Brausegetränk?

Jaha, auch auf Mauritius gibt es einen Sunset Boulevard!

Alles ist ein wenig abgestoßen und angeschangelt, Farben sind verschossen, Lack blättert ab, Stoffe sind verschlissen oder abgewetzt, vieles ist rostig oder ausgebessert und immer werkelt irgendwer an irgendwas, flickt es liebevoll mit Draht oder Klebeband. Viele Leute die mit dem Bus oder zu mehreren auf uralten Mopeds fahren oder auf - gerne und mit größter Selbstverständlichkeit auch mitten auf der Schnellstraße - noch älteren Fahrrädern gaukeln sind wahrscheinlich eher arm aber keiner hier ist elend und das hat mir gut gefallen. Es gibt keine Bettler und keine Menschen, die Hunger leiden müssen und die Leute sind auch außerhalb des Hotels freundlich und wirken eigentlich zufrieden und einverstanden mit ihrem Leben in diesem schönen Land. 

Wir haben gelesen und für unseren Eindruck hat sich das bestätigt, daß ein Punkt, der das Leben hier so angenehm macht, ist, daß hier alle Religionen, Hindus, Christen, Moslems, Tamilen etc. friedlich neben- und miteinander leben und sich gegenseitig in Ruhe im Sinne von gelten lassen. Bei Claudia gibt's Bilder zu den Tempeln, die wir gesehen haben. Ich berichte lieber von einer anderen bemerkenswerten Stätte, die den mauritianischen Panökumenismus auf extrem eindrückliche Weise illustriert: der Friedhof bei Pérey Bère ist sicher der merkwürdigste und interessanteste Totenhain, den ich je gesehen habe. 


Hier liegen Christen, Juden, Moslems, Hindus und Konfessionsfreie nicht zusammen, sondern durcheinander und so ungeordnet wie im Leben geht es hier auch im Tod zu.

Das Grab eines Moslems. Erfrischende Abwechslung.
Hier (?) ruht eine Gazelle. Jedenfalls ihr Grabkreuz.
 
Dieser Friedhof, der kaum beschattet von Bäumen in der prallen Sonne liegt und von dem aus die Toten eine beeindruckende Aussicht genießen könnten,

Grab mit Meerblick? Nehm ick!
 hat nichts von der drückenden Pietäts-Schwere europäischer Pendants mit ihren rechtwinkligen Grabanlagen und bitteren, graugesichtigten Greisinnen, die an den Gräbern verblichener Gatten Dienst tun und mit der der Gießkanne ebenso schnell bei der Hand sind, wie mit der Beschwerde bei der Friedhofsaufsicht, geht es drunter und drüber


windschiefer Miniobelisk neben windschiefem Grabstein vor total schiefer, desolater "Wanne"



 und ist der Friedhof auch ein Ort der lebendigen Lebenden, die hier offenbar Partys feiern, 



Auf ‚nem Friedhof Tarzan Teil schlecht nachstellen, geht vielleicht doch etwas zu weit. Was man nicht sieht, ist daß Tarzans Kumpel 1 Minute vorher dank nachgebenden Pflanzenwerks mit Schmackes auf Arsch und Omme gedonnert ist. Engländer...



grillen und ihren kompletten Müll gleich dort lassen






 Aber auch die andere Wirbeltiere vergnügen sich hier, z.B. eine Herde wilder Ziegen, die hier offenbar lebt und „arbeitet“


Den Bock zum Friedhofsgärtner machen: Grabpflege auf mauritianisch


und ich schätze, wilden Hunden ist es zuzuschreiben, daß die als ewig beabsichtigte Ruhe des ein oder anderen Anwohners wohl eine rüde Unterbrechung erfahren hat

irgendwie Arm, daß die nicht raffen, daß es sechs Fuß tief sein muß, nicht bloß "Schippe Erde drauf"

Und das war für mein Empfinden auch die Kehrseite dieses Ortes. Neben all der Leichtigkeit und Gelöstheit, die diese Art von Umgang mit dem Tod vermittelt, bedrückt einen doch die Verwahrlosung und das enorm schnelle Vergessen, das viele Grabstellen eher wie Deponien denn als Orte der Erinnerung erscheinen lassen.

Nach dem Friedhof fuhren wir noch beim Cap Malheureux vorbei, das so heißt, weil dort mal ein Schiff in Seenot geraten und mit Mann und Maus versunken ist.


ist gar nicht so übel da


 Heuer steht da einer der nicht so häufigen Christenbetbümse mit rotem Häublein.


freundliche Adventisten beim Fensterwienern

 An diesem Tag war offenbar Hausputz, denn die gesamte Gemeinde war versammelt und scheuerte den Kasten und die Bänke, die sie nach draußen geschleppt hatten, hingebungsvoll sauber. Jeder braucht ja ein Hobby….
Soviel vom Ausflug in den Norden...




Zweiter Ausflug in den Süden: Black River National Park und Casela-Park

The Cloud hatte im Süden zwei nahe beieinanderliegende Parks ausfindig gemacht: einen Nationalpark, in dem wir als engagierte Aktivtouristen die Schönheiten des mauritianischen Binnenlandes zu bestaunen gedachten und einen Erlebnispark, mit Tieren, Rutschen und „Canyon Swing“ (ich wußte, bis ich in die Tiefe stürzte, eigentlich nicht, was das ist), um nach der Naturandacht auch noch wat Spaß inne Backen zu kriegen.

Wieder mieteten wir ein Auto, bekamen diesmal eine komfortable Limousine „for the same price“ und brausten wohlklimatisiert und zivilisiert (Carni-fuckin-fex!) in den brodelnden Moloch namens mauritianischer Straßenverkehr, dessen irrsinniges Zentrum in der Hauptstadt Port Louis liegt, durch die wir mußten.

im Ver-, im Verkehr

Der Verkehr hier richtet sich weniger nach einer Strassenverkehrsordnung, die es hier vermutlich gibt, die aber wohl eher als Sammlung freundlicher Empfehlungen aufgefaßt wird, als viel mehr nach einem Gentlemen’s Agreement: fahren und fahren lassen. Wenn es einer eilig hat und extra hupt, dann hat er auch Vorfahrt, egal aus welcher Richtung er kommt und wenn ein Motorradfahrer nach Hause will, dann spielt die Straßenseite, auf der er dorthin fährt, nur eine beiläufige Rolle. Die Autofahrer, die ihm entgegen kommen, sehen ihn ja schließlich. Überhaupt: daß die überaus zahlreichen (Kraft)zweiradfahrer nicht zu plattgefahrenen Dutzenden die mauritianischen Straßen säumen, grenzt an ein Wunder, vor allem, wenn man versteht, daß ein Moped oder Motorroller hierzulande gut und gerne ein Auto ersetzen kann: wir sahen einen Herrn mit grotesken Mengen auf abenteurliche Weise befestigten Ernteguts bei minimaler Sicht auf einem klapprigen Mofa über die Schnellstraße eiern, einen Radfahrer, der, ebenfalls mitten auf der Schnellstraße, mit schweren und bedrohlich pendelnden Einkaufstaschen an beiden Lenkerseiten Schlangenlinien fuhr und eine komplette, dreiköpfige Familie, samt Einkäufen und schwer adipöser Mutter wie Orgelpfeifen auf einer keuchenden, schicksalsergebenen Vespa nach Hause tuckern.
Und wenn ein Mauritaner schnell Baguette holen und/oder seinem Freund am Straßenrand etwas lustiges, das ihm heute passiert ist, erzählen will, dann läßt er sein Auto eben kurz dort stehen. Daß sich daraufhin auf der zwar schmalen aber beidseitig stark befahrenen Straße ein vertiabler Impromptu-Stau ergibt, ist für ihn zweitrangig, schließlich stand er auch schon selber in Hunderten solcher Staus und wozu gibt es Hupen. Die sind hier ein vollwertiges Kommunikationsmittel und Instrument, um seinen Gefühlen differenziertesten Ausdruck zu verleihen.

Natürlich braucht man in dieser Art von Verkehr für 40 km ca.  1 ½ Stunden und irgendwann bogen wir also endlich auf eine Dreckpiste ein, die dem Navigationsgerät zufolge zum Nationalpark „Black River“ führen würde. Stattdessen war es wohl nur eine Art Landwirtschaftsweg, über den wir ca. 20 Minuten im Schneckentempo (da die Schlaglöcher den Achsen sonst wohl den Garaus gemacht hätten) schlichen und keinem einzigen anderen Menschen begegneten.



Als wir schließlich an einem Tor ankamen,

Understatement oder Wrong Turn? Ich fühlte mich jedenfalls auch wie ein Tor.

beschlich uns der leise Verdacht, daß es sich dabei nicht um den Eingang zum Park handelte, worauf wir, das Navi verfluchend, uns auf den ebenso meditativen Rückweg machten. Unterwegs passierten wir die Butze eines Bewohners dieses gastlichen Landstrichs

wohnt sich doch ganz kuschelig, im Nirgendwo, oder?

 Aber schön haben sie es hier doch: 



Danach ging es in den Casela-Park,


wo wir einen Termin hatten: ja, auf Mauritius gibt es Termine in Freizeitparks: um 15 Uhr sollten wir zum Canyon-Swing abgeholt werden. Zuvor jedoch stromerten wir durch den Park. Dort gab es Tiere



zum Beispiel die uralte Morla


Zombie-Truthähne


rührende Verbrüderungsszenen zwischen Schweinchen und Reh


und natürlich die mit the Cloud unvermeidlichen Grabbelorgien, wobei sie auch vor weniger handschmeichlerischen Kameraden nicht Halt machte. 

HASE!

das Reh hat Claudia gehasst

Leguan Joe fand's geilo

 Es hatte sogar ein Nilpferd-Gehege, wo es zwar keine Nilpferde, dafür aber ein witziges Schild gab:

 
Für mich viel spannender war die „Avalanche Mine“, eine lange, sehr steile Rutsche, die man auf einem Reifen runterheizen konnte, um dann mit der richtigen Geschwindigkeit von einer Sprungschanze in die Höhe geschossen zu werden und auf einem riesigen Luftkissen zu landen. Etwa so:


Das Mädchen macht es richtig: es hält sich bis zur Landung am Reifen fest. Ich vergaß diese komplizierte Anweisung im Rausch der Geschwindigkeit natürlich und, naja, seht selbst: 

DEATH FUCKIN METAL!!

Nach diesem Schabernack ging es aber dann endlich zum Canyon-Swing, zu dessen Stätte, dem Canyon, uns ein unfassbares Ungetüm von ungefedertem Safari-Bus über eine aus Buckeln und Löchern bestehende Piste holperte, daß wir schon dachten, die Busfahrt sei die eigentliche Mutprobe. Am Canyon angekommen schirrten uns freundliche Mauritier an:

Helm und Handschuhe hätt's im Nachhinein nicht gebraucht


und führten uns einen Trampelpfad zum Canyon. Weil ich am mutigsten aussah und das coolste T-Shirt anhatte, wurde verfügt, daß ich als erster müsse. Es handelte sich dabei, wie ich 20 Sekunden vorher erfuhr, um eine Art-Bungee-Sprung, nur daß man nicht federt, sondern pendelt: man springt aus 45m Höhe in einen Canyon und pendelt dann an einem Stahlseil hin und her über dem Abgrund. Ich sagte: ach so. Der Typ sagte: "You ready?" und auf mein "Ähhh... I think so..." ließ er das Seil los und ich wurde über die Klippe gerissen. Dann war's eigentlich ganz schön:
 
Hab mich jedenfalls nicht hängen lassen: 


Auch the Cloud hat es gut gemacht und neben Schiß inne Buchse auch viel Spaß inne Backen und sie wird sicher davon berichten. Danach machte der Park zu und wir fuhren heim, wobei der Verkehr noch schlimmer war als auf dem Hinweg. An den zahlreichen Verkehrs-, Straßen- und Werbeschildern stellten wir ein ums andere Mal fest, daß hier wirklich drei Sprachen, Englisch, Französisch und Kreolisch, völlig gleichberechtigt nebeneinander gesprochen werden, was schon irgendwie cool ist, so wie die ganze Kultur hier und auch das Alltagsleben ein wilder Mix aus den verschiedensten Einflüssen ist und zugleich irgendwie europäisch-vertraut (die Assoziation zum alpes maritim Frankreich hat sich nur verstärkt), chaotisch-indisch-fremdartig und exotisch-urlaubig wirkt.

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