Samstag, 20. August 2022

Yosemite Nationalpark

Am Morgen des vierten Tages meines USA-Besuchs frühstückte ich ordentlich (um halb 7, zum frühestmöglichen Zeitpunkt und mußte schon Schlange stehen, um den Frühstücksraum zu gelangen :-o), packte zusammen und ömmelte mit einem old-schooligen Streetcar (vgl. Straßenbahn) bis zur Marketstreet, wo ich in den Bart-Train stieg, der bis zum Flughafen Oakland fährt, um dort mein Auto zu holen. Es gab einen eigenen Shuttle-Bus zur Auto-Vermietung und der war auch dringend nötig, da letztere extrem weit vom Flughafen entfernt liegt.

Dort angekommen erhielt ich meinen Nissan Versa und machte mich auf die 3,5-stündige Fahrt durch das riesige ausgedörrte, bisweilen wüstenartig imponierende Kalifornien Richtung El Portal und Yosemite. Straße und Umgebung wurden immer ländlicher, langsam hoben sich erst Hügel dann schon erste Bergvorläufer aus dem Boden und es gab keine Abzweige mehr von der Straße. Die Landschaft war wunderschön, ich fuhr in tiefen Tälern über schmale Brücken und entlang von Flüssen, die Klimaanlage und Google Maps taten ihren Dienst und die Zeit flog dahin. Die Anzeige vor °F stieg und stieg, ich wußte aber nicht, wie warm es wirklich da draußen war. Inzwischen war nämlich das Wetter kalifornisch um nicht zu sagen mörderisch heiß geworden, > 40°C, die mich förmlich erschlugen, als ich an der Unterkunft angekommen war und aus dem Auto stieg und ließ mich einen Augenblick zweifeln, ob es wirklich klug sei, bei diesen Umständen zu wandern.

Das Hotel, das sich selbst „Cedar Lodge“ nennt, ist eher so eine Motel-Sache, mit Bungalows, in denen die Zimmer sind. 

 

der Bär ist "Programm" ;)

Es ist alt, unmordern, trashig und arm an Service: kein Zimmerservice („because of Corona, you know“ – „yes, I’ve heard of Corona… but where is the togetherhang, good woman?”), zwar eine Kaffeemaschine, Milchpulver und Zucker aber keinen Kaffe auf dem Zimmer, Einrichtung, über die man in den 60ern gesagt hätte: „Wollen wir uns nicht mal was zeitgemäßes zulegen, und nicht alles in dunkelbraun und dunkelgrün?“, den Wasserdruck eines pullernden Dackels mit billiardkugelgroßer Prostata, eine Klimaanlage, die so laut war, wie das Triebwerk einer Antonov und die wahrscheinlich noch von Erwin Rommel konstruiert worden war oder so, das einzig moderne, war – natürlich – ein riesiger Flatscreen-TV. Allerdings mit verrauschtem Empfang und trashiger Ersatzfernbedienung mit fast leeren Batterien, so daß man nur ein 4:3 Bild grieseliger Qualität hatte ;D. Die wirklich einem *****-Luxushotel würdigen Preise rechtfertig man hier offenbar damit, daß man eben in 15 Minuten mit dem Auto im Yosemite Nationalpark ist. Und das ist nicht nichts. Wenigstens gab es einen kleinen Laden, wo man Wasser, Brötchen, Stullen, Snacks etc. zu Mondpreisen kaufen konnte (was ich notgedrungen tat) und einen Pool, in dem man in mit Wasser verdünntem Chlor baden konnte.

Sehr gut gefiel mir die lapidare Erläuterung der Rezeptionistin (so im Stile von „Ach ja, was ich noch sagen wollte!“, als ich mich schon wegzudrehen im Begriffe war): „Bitte lassen sie kein Essen oder stark riechende Dinge im Auto. Hier läuft seit Kurzem öfters mal ein Bär auf dem Gelände rum und der knackt Autos, in denen er was für ihn interessantes riecht.“ Ich so: „Äh. Ok. Und was ist, wenn der Bär mein Auto gerade dann inspiziert, wenn ich es benutzen will.“ Sie: „Och, dann gehen sie einfach auf den zu und klatschen ein paarmal in die Hände. Der geht dann schon, der tut nichts.“ Ich dann: „Ach so. Gut zu wissen. Klatschen. Was sonst. Mach ich dann.“ So ist das hier in der „rural area“. Apropos „rural area“: es gab null Balken Mobilempfang und auch kein Internet oder WLAN auf dem Zimmer, das mußte man extra kaufen.

Aber ich wollte da ja nicht wohnen sondern nur zwischen meinen Yosemite-Abenteuern pennen. Ich hatte schon erfahren, daß man nicht nur einen Paß braucht, um in den Park reinzukommen, sondern auch, daß man nur mit vorheriger Reservierung rein darf, es sei dann, man kommt nach 16 Uhr oder vor 6 Uhr (morgens!). Ich packte also meinen Rucksack und kurz nach 16 Uhr los, kaufte den Paß am Eingang und war drin!

Was soll ich sagen? Mir fehlen hier ein bißchen die Worte. Naturspektakel können mich wirklich ins Mark treffen und faszinieren mich endlos. Und Yosemite ist einfach überwältigend! Egal, wo man hinsieht, überall sind absolute Postkarten-Kulissen. Spektakuläre Berge, Flüsse, Wälder und alles so wunderschön zusammen, daß man fast denken könnte, es wäre designt worden um besonders ergreifend und phantastisch auszusehen. 

 

Willkommen in Yosemite

Ich fuhr in den Park und schaute und schaute! Da ich noch nicht wußte, wie alles funktioniert, hielt ich irgendwann an, bei „Yosemite Falls“ und machte eine kurze Wanderung zum „Lower Yosemite Fall“, der leider bis auf ein kleines Rinnsal ausgetrocknet war.


aus dem "Fall" ist ein Rinnsal geworden - selbst dem Yosemite ist zu heiß

Ich kehrte am Abend zurück und verspeiste noch einen sehr feinen Burger im „Canyon Grill“ des Hotels

frisch gegrillt und durchaus schmackhaft

und machte um 22 Uhr das Licht aus, denn am nächsten Tag sollte es früh losgehen: Es sollte ein langer, sehr heißer und sehr anstrengender Tag werden.

Noch im Stockdunklen um 4:45 Uhr stand ich auf, fraß elend trockene Weichbrötchen, die ich mit dem stets mitgeführten Klappmesser mit noch übrigem Nuttela beschmiert hatte:

das Frühstück der Champions :-/

und fuhr dann auch bald los, so daß ich gegen 5:30 Uhr schon im Park war und dort den Sonnenaufgang erleben konnte. Ich fuhr direkt zum Tunnel View, hielt unterwegs hier an:

die Worte, nach denen Ihr sucht, sind: Scheiße noch eins!

und erreichte die berühmte Stelle zum günstigen Zeitpunkt:

:'-)

Ergriffen wohnte ich dem langsamen Herbeifließen des Tages vor dieser herrlichen Kulisse bei.

Danach stellte ich das Auto ab und entschloss mich, zu den Upper Yosemite Falls zu wandern, eine Wanderung, die als „schwer“ und ca. 5-6 Stunden lang deklariert war.

Der erste Teil des Weges war wunderschön, ich stieg im Schatten der Wälder und bei noch angenehmer Temperatur und grandioser, opulenter Musik auf den Ohren hinan, immer wieder anhaltend und den Blick über äonenalte Bergrücken und in nebelverhangene Täler schweifen lassend, und war vollends begeistert und angerührt von dieser Natur:

 

so schön, daß es fast weh tut

Dann aber wurde es unangenehm. Schon um 8-9 Uhr war die Sonne brachial, es waren sicher 35°C und der Weg ging nun über den blanken Stein, der Boden voller dicker, kantiger Steine, so daß man jeden Schritt sorgsam setzen mußte. Ich wurde regelrecht gebacken, der Schweiß lief nur so runter und nach ein, zwei Stunden fielen die Schritte immer schwerer. Ein paar andere Wanderer hatten schon aufgegeben, eine rastende dickliche Amerikanerin kommentierte das Erscheinungsbild der Vorüberziehenden nicht untrefflich mit „The Walking Dead“. Es wurde immer wärmer und steiler, mein Wasservorrat (2l) schrumpfte schneller als geplant und ich rastete immer wieder in schattigen Eckchen. Nach insgesamt ca. dreieinhalb Stunden, in denen ich ein paarmal kurz davor war, die Hitze (meine Achillesferse) nicht mehr zu ertragen und kehrtzumachen, kam ich auf einem Plateau an, wo es etwas Schatten gab und folgte dem Schild „North Point“, um an den Gipfel und damit ans Ziel zu kommen. Nach ein paar hundert Metern traute ich meinen Ohren nicht: fröhliche Stimmen, Rauschen, Platschen? In der Tat, das Wasser, das die Fälle speist, sammelt sich vorher herrlich, klar und eiskalt in kleinen Becken:

Der perfekte Ort für eine Pause und eine dringendst benötigte Erfrischung

Aaaahhhhhh!!

Das Wasser sah so gut aus, daß ich es für trinkbar hielt und meine Flaschen damit füllte. Naja und auch der Ausblick war wundervoll:

...

Nach ausreichender Pause machte ich mich an den ebenfalls überaus beschwerlichen Abstieg, der zwar nicht so anstrengend wie das Steigen, dafür aber wegen des trügerischen Untergrunds und in Anbetracht meines lädierten Fußgelenks eine rechte Tortur war und sich ziemlich lange hinzog. Irgendwann kam ich, dennoch glücklich und vollauf zufrieden unten an. Ich fuhr ins Hotel, sprang dampfend in den Pool, schäkerte mit zwei Pärchen, aus den USA und Australien, genehmigte mir noch mal den gleichen Burger und hieß das gewesenen einen schönen Tag.

Yosemite ist einmalig, grandios und in meinen Augen weltbewegend. Es hat mich im Innersten berührt, zutiefst bereichert und beglückt. Man spürt überall den Hauch des Uralten, Zeitlosen, Mystischen darin und bei der unausgesetzten Anschauung der Pracht und Herrlichkeit dieser Natur stellt und verliert sich zugleich die Frage, ob wir das Erhabene schön oder das Schöne erhaben finden. Das ist ein Ort, an dem ein Herz gesunden kann. Um mal einen Ausspruch eines ehemaligen Deutschlehrers zu modifizieren:

Wenn man Yosemite gesehen hat, kann man sterben. Sonst verreckt man.

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Am nächsten Tag gab es wieder selbst gebasteltes Frühstück mit schlechtem Kaffee aus der Lobby und um 9:00 checkte ich auch schon aus und machte mich bei bereits wieder deutlich zunehmender Hitze auf den Weg nach Fresno. In einem Industriegebiet setzte ich mich in einen klimatisierten Krispy Kreme Doughnut-Laden, verzehrte zwei der dort feilgebotenen Fettkringel und einen Becher annehmbaren Kaffees (das ist nicht selbstverständlich, denn leider begegnet man in diesem Land recht häufig als angeblich Kaffee ihren Dienst tuenden Lorken, Plörren und Brühen, die einem Aficionado wie mir in der Seele und auf der Zunge weh tun) und machte ein wenig Korrespondenz mit der Heimat.

Der Flug von Fresno nach Vegas war selbstverständlich verspätet, dafür aber schnell, angenehm und reibungs- und vor allem maskenlos! Danke, USA, daß Ihr diesen lächerlichen Zirkus nicht mehr mitmacht.

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