Dienstag, 16. August 2022

USA! USA! (Go West)

Wir schreiben das Jahr 2022, wir befinden uns in einem äußerst heißen und trockenen Sommer im zweiten Jahr der C-Wort-Pandemie, man ist x-mal geimpft, wird aber immer noch zum Maskentragen gezwungen, im Februar hat der Russe einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine vom Zaun gebrochen und damit die halbe Welt ins Chaos gestürzt, am 6.1. des Vorjahres hat der Wahlverlierer Trump einen Putsch versucht, weil er sich mit seiner Niederlage nicht abfinden konnte; die Ungeheuerlichkeit wirkt noch immer nach, wird noch immer aufgearbeitet, gegen Trump wird ermittelt (eine Sensation), die US-amerikanische Gesellschaft ist indes bis auf die Knochen gespalten, polarisiert, unversöhnlich und bitter gegeneinander aufgehetzt und natürlich bis an die Zähne bewaffnet, es geht schon die Rede von Bürgerkrieg. Die deutschen Flughäfen ächzen derweil unter Personalmangel und Mismanagement (wer hätte denn ahnen können, daß die Leute, wenn C-Wort weniger akut ist, wieder reisen wollen?!), die Schlangen vor den Securityschleusen sind hunderte Meter lang, man steht dort Stunden, die Piloten der Lufthansa schicken sich an, zu streiken (wie soll auch man mit 100.000 € im Jahr klarkommen?).

Allerbeste Voraussetzungen also, um meinen lange geplanten und um eine Tagung in Washington herum drapierten (und inzwischen so dringend wie selten benötigten) Urlaub in den USA, der mit einem Besuch der Westküste beginnen soll, anzutreten und überleben zu wollen. Gut, daß ich staatlich zertifizierter Optimist bin.... ähem, ja....

Ich habe das ganze jedenfalls penibel vorbereitet, die Hotels sind lange reserviert, die Routen geplant, die Autos vorbestellt, Nationalparktickets bezahlt und runtergeladen, Züge und Flüge gebucht, Reiseführer gekauft und schon halb gelesen, ich fahre sogar einen Tag eher nach Frankfurt, um schon am Vorabend den Koffer abgeben zu können - Urlaubsstrebertum par excellence also, man ist ja doch Deutscher.

Hier der Plan:

1. Flug von Frankfurt nach San Francisco, dort drei Übernachtungen

2. Mit dem Mietwagen von Oakland aus zum Yosemite, dort zwei Übernachtungen

3.Mit dem Flieger von Fresno nach Las Vegas

4. Vier Übernachtungen in Las Vegas, von dort aus Sternfahrten zu verschiedenen Nationalparks 

5. Mit dem Mietwagen nach Page zum Antilope Canyon, eine Übernachtung

6. Mit dem Mietwagen zum südlichen Grand Canyon, eine Übernachtung im Zelt

7. Flug über Nacht von Phoenix nach Washington

8. Kongress in Washington

9. Zugfahrt nach Kingston, Rhode Island, 2 Übernachtungen bei der Family

10. Zugfahrt nach New York, 1 Übernachtung und Flug nach Frankfurt.

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Alles begann, es ist inzwischen so selbstverständlich, daß es keiner gesonderten Erwähnung mehr bedürfen sollte, mit einer neuerlichen Manifestation meines Bahnfluchs, nämlich damit, daß der Zug mit Platzreservierung zum Frankfurter Flughafen ausfiel. Der nächste Zug nach dort hatte dafür wenigstens satt Verspätung, war brechend voll (weil alle vom vorherigen Zug mitwollten) und ich bekam nur mit Glück noch einen Sitzplatz.

Am Frankfurter Airport angekommen gelang es mir unerwartet flugs, den Koffer aufzugeben. Als ich mich nach Nachweisen des Geimpftseins auch gleich schon einchecken konnte, druckte mir der Computer der Kofferannahmemamsel ein "SSSS" auf die Bordkarte. Die USA-Einreiseheinis, so sagte man mir, hätten sich als zusätzliche Schikane für Leute, die freiwillig dieses Land besuchen und Zaster hineintragen wollen, einfallen lassen, aus jedem Flugzeug per Zufall ein paar Reisende herauszupicken, die, bevor sie an Bord dürfen, noch über ein paar extra Stöckchen hüpfen müssen. Doch dazu später mehr. Mit gemischten Gefühlen trat ich den absurd komplizierten und langen Weg zum "Airport Intercity Hotel" an, das offenbar nur so zum Spaß so heißt, nicht aber, weil es nahe am Flughafen oder von dort aus wenigstens gut erreichbar wäre. Das wäre ja auch verrückt. Mit Bahn, Bus und zu Fuß kam ich bereits im Dunkeln dort an und stieg nach kurzer Nacht um halb 7 am nächsten Tag in den Shuttle-Bus zum Flughafen. Wegen des Kainsmals auf meiner Bordkarte hatte man mich geheißen, nochmal extrafrüh zu kommen.

Nach kurzem Frühstück am Flughafen gelangte ich relativ schnell und unbehelligt durch Paß- und Sicherheitskontrolle und begann schon, mich zu wundern, während ich die Wartezeit totschlug, ob man mich vergessen hatte. Kurz vor der eigentlich angesagten Boardingzeit wurden dann nochmal die Pässe und Bordkarten kontrolliert und schließlich doch noch alle AuSSSSätzigen aussortiert. An der Zusammensetzung des Häufleins Gezeichneter, u.a. ein 15-jähriger Knilch, ein deutscher und ein britischer Oppa (letzterer mit Cowboyhut), eine ältere Dame, war abzulesen, daß es sich wirklich nur um eine zufällige und nicht eine evidenzgestützte Auswahl wahrscheinlicher Terroristen gehalten habe konnte oder der Selektionsalgorithmus ist ungefähr so nützlich, wie eine Maskenpflicht im ÖPNV. Wir wurden alsdann geheißen, so einem Flughafen-Jogi zu folgen, der uns zur Sicherheitsprüfung bringen sollte. Und so liefen wir zu meinem größten und kopfschüttelnden Amüsement im Gänsemarsch durch den halben Flughafen bis zu so einer Fummelecke, wo wir, unser Hab und Gut, darunter unsere Schuhe der Reihe nach Sprengstoff und Drogen abgerieben wurden. Dann ging es zurück zum Gate und als ich dort dann endlich – natürlich eine Stunde später als geplant – in der Schlange zum Einsteigen stand, sah ich, daß ich zu knapp 12 Stunden in der Hölle verdammt war, denn dort standen mindestens 15 Familien mit Kindern und Säuglingen (wer tut sowas?!), ein besonders fruchtbares Paar mit offenbar zu viel Tagesfreizeit hatte derer gleich sechs (6!) mitgebracht.

die Leiden des jungen Courts
 

Zu allem Überfluss kam im Flugzeug in der Dreierreihe vor mir eine überaus propere amerikanische Damenriege zu sitzen, deren größte und fetteste ihren mindestens 1,80m messenden muschelsackartigen Körper in den Sitz genau vor mir quetschte, so daß ich in den Genuß des magenhebend miasmatischen Mischaromas offenbar eher unenthusiastisch betriebener Körperpflege, zu der auch das Übertriebenhalten von mehr als einer Haarwäsche pro Woche zählte und billigen Paprikachips und Saletti-Würstchen (die Mopsbrigade vor mir hatte nämlich tütenweise Fressalien mit ins Flugzeug geschleppt) kam. Wenigstens saß neben mir ein magerer und offenbar COVID-panischer Asiate, der seine Maske selbst zum Essen nicht abnahm und seine Bissen stattdessen daran vorbei schob. Bevor er sich setzte und niederließ, zog er sich Einmalhandschuhe an und wienerte mit Desinfektionstüchern erstmal penibel seinen kompletten Sitzbereich.

schee putze, Mei Ling!

Mit dicker Verspätung hoben wir ab und in das Brüllen der Triebwerke der 747 mischte sich unverzüglich das Gebrüll jedes einzelnen Säuglings an Bord. Als diese sich irgendwann leer gebrüllt hatten, konnte ich endlich, längst schicksalsergeben und halb suizidal vor mich hinbrütend, das auf volle Lautstärke gedrehte Mobiltelephon, auf dem der völlig unerzogene 5-jährige zwei Plätze neben mir, von Erziehungsversuchen des schirmbemützten Erzeugers unbehelligt bleibend, irgendwelche hirnzertrümmernden Spiele spielte, viel besser hören.

Mobiltelephon statt Erziehung. #Kulturpessimismus
 

Das infernalische Gerät ließ er nur einmal kurz ruhen, als er wegen einer Petitesse einen halbstündigen und mit Gebrüll, Gegeifer und Gezeter umtosten Tobsuchts- und Trotzanfall inszenierte, was, als er schließlich in höchster Rage begann, den Bildschirm im Sessel vor sich, mit Tritten zu traktieren, überraschenderweise die Mutter der Qualitätsfamilie zum Anlaß nahm, ihrerseits zu brüllen und ihm Schellen anzudrohen (vermute ich, es wurde ausländisch parliert) um ihn zur Raison zu bringen. Als die Rotznase sich erst müde und dann in den Schlaf getobt hatte, wurden die Gänge offiziell als Rennbahn freigegeben, so daß eine Horde anderer Blagen wie irrsinnig und unaufhörlich auf und ab rannten, mich natürlich jedes Mal anrempelnd. Sie hielten nur dann mit Rennen und Rempeln inne, wenn sie Verstecken spielten, wobei das „Versteck“ immer das Klo war, so daß man warten mußte, bis die darin jeweils versteckte Blage gefunden worden war, bevor man das Örtchen betreten konnte.

Es war so schrecklich und absurd, wozu auch beitrug, daß man eigentlich auch noch eine Maske tragen hätte müssen (was ich nach Kräften umging), daß ich, der ich in der drangvollen Enge meines Sitzes wie gewöhnlich keine bequeme Position finden konnte, es schon fast komisch fand. Wie eine übertriebene und auf lustig gemachte Schilderung für ein Reisetagebuch… Ich befand wieder einmal, daß Reisen (also der Vorgang des Ortswechsels selbst) wirklich gar keinen Spaß mehr macht und heutzutage eigentlich nur noch stressig, nervig und ätzend ist und viel zu viele Asoziale unterwegs sind. Schrecklich alles.

Nach was sich wie eine Ewigkeit in der Hölle anfühlte, landeten wir endlich, auf der äußeren 2, auf der inneren Uhr ca. 11 Stunden später als als wir abgeflogen waren. Einigermaßen fertig mit der Welt wankte ich aus dem Flieger in die Schlange vor dem Einreiseschalter, den ich nach mehr als einer Stunde erreichte und der muffigen, barschen Dame dahinter meine Fingerabdrücke anvertraute und verklickerte, was ich denn überhaupt in den USA wolle. Irgendwann war ich „free to go“, suchte und fand bald den Bart-Train, der mich in ca. 40 Minuten in die Innenstadt brachte, wo ich noch einen Bus bestieg, der mich endlich in der Nähe meines Hotels ausspie. Ich war angekommen in San Francisco. Es war Sommer und obwohl ich keine Blumen im Haar trug war ich bereit, endlich ein paar nette Leute zu treffen.

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