Freitag, 26. August 2022

Kein schöner Land - Arizona: Von Page zum Grand Canyon und nach Phoenix

Die 4,5 stündige Fahrt nach Page war, einmal aus dem Großraum Las Vegas und Nevada raus, nicht nur nicht langweilig, sondern wegen der phänomenalen und in ihrer Weite mir immer wieder den Atem raubenden Landschaft sogar sehr schön. Meine Güte, diese Weite… Land, ewiges Land bis zum Horizont!

Ich hatte am Vorabend der Fahrt herausgefunden, daß man den „Antelope Canyon“, den ich eigentlich besuchen wollte, nur mit einem Navajo-Führer betreten kann, da er auf deren Land ist. Nicht nur verlangen diese dafür einen Haufen Kohle für 1,5h Tour, man habe, so wurde berichtet, auch gar keine Zeit, sich im Canyon in Ruhe umzusehen und Photos zu machen, sondern werde in einem Strom von Touristen durchgejagt. Und Tickets müsse man eh im Voraus kaufen und alles. Danke, aber nein danke! Also hatte ich mir andere Dinge, die man in Page ansehen kann, ausgeguckt. Ich kam bei meinem einfachen „Clarion Inn“ Hotel an, schmiss meinen Kram ab und fuhr gleich wieder los zum „Wahweap Overlook“

The Epic...

it shines!

Die ganze Umgebung von Page und eigentlich fast alles, was ich bisher von Arizona gesehen hatte, entzückte mich. Man fühlt sich die ganze Zeit wie in einer Kulisse für Western, so mit 15 Minuten Einstellungen ohne Schnitt, in der Wüste mit orangenem Sand, Steppe mit grünen Flecken, Kakteen, Canyons und blutroten Felsen und weitem, weitem Land.  Ganz famos das alles!

Zurück im Hotel überantwortete ich den Leib abkühlungshalber dem sehr überschaubaren Swimming Pool, dümpelte rum und hörte einer badischen Familie versonnen beim Unsinnreden zu („Wie heischt nochmal des afrikanische Land, wo immer Zores macht?“ „Meinscht Du Paläschtina? Oder Israel?“ „Ja, des!“) . Für den Abend v.a. den Sonnenuntergang wollte ich mir noch für 10$ Eintritt den berühmten Horseshoe Bend ansehen und bei Darwin hat sich das gelohnt!!:


BÄM!

I was there :-)

Zum Abendessen organisierte ich mir, als die Sonne ganz weg war, eine Pizza Hut Pizza, die ich mir auf Stube einverleibte und es leidlich zufrieden war.

Am Morgen nach einem Frühstück, wie es hinsichtlich Verpackungsirrsinns und Umweltfeindlichkeit amerikanischer nicht sein könnte,

'merica :-/

„schlug ich“ wie der Amerikaner sagt, dann die Straße gen Süden und fuhr Richtung Grand Canyon Südrand, nochmal ca. 3 Stunden. Die Landschaft war weiterhin wundervoll, allerdings stimmten mich die immer einmal wieder am Straßenrand stehenden, runtergekommenen und meist verlassenen Büdchen, in denen in nahegelenen Reservaten lebende Indianer versuchen, Vorbeifahrenden selbstgemachten Schmuck u.ä. zu verkaufen, etwas melancholisch: 

 


Irgendwann erreichte ich aber den Zugangsbereich und wurde ganz aufgeregt. Gleich würde ich ihn sehen. Doch als es dann wirklich soweit war, ich die letzten Schritte bis an den Rand trat, war ich nicht auf den Eindruck vorbereitet, den dieses Naturwunder auf mich machte. Ich liebe die Sprache und schmeichle mir selbst mit der Vorstellung, als halbwegs sattel- und wetterfester Kämpe in auch entfernten Ausläufern ihres Reiches kein Fremder zu sein, dem es meist gelingt, annehmbar zu beschreiben, was er sieht, doch hierfür fehlten mir die Worte, die Superlative sind mir längst ausgegangen und auch die Photos können diese Offenbarung der Natur, dieses Jahrmillionen alte, tief bewegende Wunder, dessen Bewunderer ich wurde und mein Lebtag bleiben werde, nur unvollkommen darstellen: 

es ist

nicht zu beschreiben

ich war da. Und hingerissen.

Ich blieb bis zum Sonnenuntergang in der Gegenwart des Canyons, lief an seinem Rand auf und ab, fuhr mit dem Bus zu noch weiter entfernten Stellen, schaute und schaute und schaute:

Hier ein kleiner Videoschwenk.

Als dann die Sonne unterging und die Schatten länger und das Licht roter wurde, legte sich der Canyon seinen feuerfarbenen Abendmantel um und wurde noch schöner und anrührender:

ok. Jetzt kann ich dann also sterben.

Prall, satt, besoffen und triefend von den Eindrücken des Canyons und meiner ganzen bisherigen Reise verließ ich hochbeglückt den Park und verbrachte die Nacht im „Under Canvas“, so einem Zelt-Hotel, wo man in einem Zelt schläft und auch die Lobby in einem Zelt ist: 

 

Lobbyzelt




 Es gibt da auch nur einen Gemeinschaftsklo- und Duschwagen und einen Yogamattenverleih, dafür aber weder Strom noch WLAN (das gehöre zum Konzept, man wolle den Gästen helfen, sich mal von der Technologie zu lösen). Das hier war mein Zelt/Zimmer:

meine "Bude" - außen und

innen (kann man ja so machen)

also nix Isomatte, klammer Schlafsack und nur kriechende Fortbewegung, sondern ein fürstliches und bequemes Bett! Es hatte sogar einen kleinen Bullerofen mit Schornstein, so daß man sich abends, wenn die Kälte herankriecht, ein gar mollig Holzfeuerchen machen kann, was ich auch tat.

Auf dem Platz vor der Lobby werden bei Einbruch der Dunkelheit Feuer entzündet, um die die Gäste sich mit Heißgetränken versammelten, und so ein Gitarren-Jogi spielte melancholische Songs wie „Hotel California“. Über allem prangte das prachtvollste und reichhaltigste Sternenzelt mit prominenter Milchstraße, das ich von solcher Qualität bisher nur einmal im australischen Outback gesehen hatte (nur eben in der Südhalbkugelversion 😉)

besser ging es nicht...

lag am Equipment, nicht am Himmel :-)

Also sehr naturverbunden, urtümlich und WILDROMANTISCH das Ganze, so daß ich sehr viel lieber zu zweit gewesen wäre 😊. Später saß ich noch alleine vor meinem Zelt, der warme Bullerofen hinter mir, und zwei Dinge erfüllten mein Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht:  der bestirnte Himmel über mir und die moralische Musik in mir 😉

Am nächsten Morgen frühstückte ich noch einen schmackhaften French Toast mit allerlei Fruchtfreunden und stieg dann ein letztes Mal in den treuen Toyota. Die Fahrt nach Phoenix war einigermaßen stressig. Der erste Teil bis Flagstaff, wo ich – natürlich - in einer Doughnut-Bude Halt machte und endlich wieder Internet nutzen konnte, um der sich fragenden Welt mitzuteilen, daß ich noch lebe, war noch wunderschön, da er auf meistens kerzengerader Strasse


durch den märchenwaldartigen, mit seinen Bergen, Blumenwiesen und Bauernhäuschen aber auch bisweilen ans Allgäu erinnerende „Coconino“-National Forest führte. Ab Flagstaff aber ging es auf den Freeway, die Straße wurde schlecht bis miserabel, so daß das Fahrgeräusch ohrenvergrämend laut tönte und schließlich verdunkelte sich der Himmel und Wolken türmten sich zu düster dräuenden Gebirgen auf. Als die ersten Tropfen fielen, meldete sich auf einmal mein Mobiltelephon, das ja im amerikanischen Telefonnetz eingeloggt war, mit einer ziemlich bedrohlich klingenden Warnung des nationalen Wetterdienstes: „LEBENSGEFAHR! In Ihrem Gebiet wird es eine FLASH FLOOD geben! Stellen Sie sofort jede Reisetätigkeit ein, es sei denn, Sie fliehen aus diesem Gebiet!“  und ähnlich dramatisches. Als der Regen dann an Intensität zunahm und schließlich sintflutartig wurde, wurde es mir schon etwas mulmig. Es waren noch 50 Minuten bis Phoenix, und ich wußte ja nicht, ob ich in das schlimme Gebiet rein oder aus ihm rausfuhr oder es nur streifte. Es wurde sehr langsam gefahren, auf der Gegenspur hatte sich schon ein beträchtlicher Stau gebildet, die Sicht betrug nur ein paar Meter, da nun auch Nebel dazukam, auf der Straße stand inzwischen das Wasser schienbeinhoch. Ich malte mir schon Szenarien aus, wie ich in meinem Auto fortgespült wurde, doch ich hatte Glück, denn nach einiger Zeit wurde es heller, der Regen ließ nach und ein paar Kilometer weiter gab es schon wieder eitel Sonnenschein und der Regen trocknete dampfend von der heißen Strasse. Die Wetterlagen hier in der arizonischen Wüste sind schon extrem :-o

Am Ende kam ich heil in Phoenix an und machte abermals Pause bei einem? Na? Richtig, Doughnut-Laden, meine bevorzugten Zufluchtsorte mit lecker Fettkringeln, Klo, Internet, Klima, Tisch zum Sitzen und im Falle von Phoenix auch netten Leuten, denn ich bestellte ein heiße Schokolade und da es länger dauerte, diese herzustellen, bekam ich sie gleich geschenkt 😊 Da es in Phoenix auch wahnsinnig heiß vielleicht sogar noch heißer als in LV war, verbot sich jede Aktivität draußen, so daß ich, statt was ich mal erwogen hatte, den botanischen Wüstengarten zu besuchen,

weiter bin ich nicht gekommen ;)

 in Phoenix auch einfach „Garten“, schon recht frühzeitig mein Auto abgab, zum Flughafen shuttelte und dort in einem arg bequemen Sessel die Zeit bis zum Abflug um 23:50 Uhr totschlug.

Und damit endeten meine Ferien vor dem Kongreß in Washington, die schöner und reicher an Abwechslung und phantastischen Eindrücken nicht hätten sein können.

Mittwoch, 24. August 2022

Leaving Las Vegas

Da ich keine Lust hatte, lange Schlange (!) vor dem Original-Schild zu stehen, nahm ich eben das hier

Schon als ich gegen 18 Uhr das Flughafengebäude verließ, um mich in die lange Schlange derer, die auf einen Shuttle-Bus zum Autoverleih warteten, einzureihen, traf mich hitzehalber fast der Schlag. Deutlich über 40°C! Man beginnt nach wenigen Augenblicken zu schwitzen, eine gewisse Trägheit und Lähmung setzen ein (man kann den Südeuropäern ihre Siesta zur Mittagszeit wirklich nicht verdenken). Schicksalsergeben und transpirierend schlurfte ich in der Schlange Schritt um Schritt, Bus um Bus der Einstiegsstelle entgegen: meine schiere Existenz strengte mich an.

Wie soll man bei dieser Affenhitze bitte irgend etwas im Freien unternehmen? Die sehr nette und sehr geschminkte und beperückte Transfrau Anna, bei der ich die Autoleihformalitäten abarbeitete, bestätigte, daß „that’s not normal“ und es letzte Woche viel angenehmer gewesen sei. Gutes Timing, wa?  Man überließ mir einen Toyota Corolla, in dem ich ersteinmal zu einem Wallmart Supercenter in der Nähe rollte, um mir so ein Ding (das sonntagsabends selbstverständlich auf hat) mal anzusehen

Soooo muß ein Cornflakes-Regal aussehen

und um halbwegs bezahlbares Wasser und vielleicht ein paar Bananen, um über die Tage zu kommen, zu kaufen. Es ist auf jeden Fall groß. Und gar nicht mal so günstig. Auf jeden Fall teurer als in Deutschland und das im Wallmart. Wie machen das die Amis, mit ihren noch geringeren Einkommen? Ich habe auch gleich mehrere in Fettsackwägelchen gesehen: also Fette, die so fett sind, daß sie nicht mehr laufen können/wollen und in kleinen Elektroäuteken fahren :D Es gab sogar Leih-Fettsackwägelchen (für die Fetten, die ihr eigenes Fettsackwägelchen nicht in ihr Auto kriegen) und Fettsackwägelchenaufladestationen, wenn man vor dem Einkaufen erst nochmal "tanken" muß.

Als ich rauskam, dunkelte es bereits und als es mir schließlich gelungen war, die Einfahrt für das Self-Parking meines Hotels (18$ pro Tag, *katsching*), das Bally‘s,

so, da so (17. Stock)

 zu finden, war es komplett dunkel. Also der Himmel, sollte ich sagen, Las Vegas war natürlich von einer TrilliardeN Lichtern quietschbunt hell erleuchtet und Menschenmassen waren auf den Straßen unterwegs.

Schon auf dem Weg durch den, wie alles hier, gigantischen Hotel-Casino-Komplex bemerkte ich, daß das hier alles nicht meins ist, 

so sieht das überall aus

 zumal mich Glücksspiel in etwa soviel interessiert, wie den Wölki gute PR und Opferentschädigung. Ich erhielt meine Zimmerkarte (nochmal +45$ pro Nacht „Ressort Fee“ kamen oben druff – man gönnt sich ja sonst nichts), fuhr mit einem der 8 (!) Lifte in den 17. Stock und war endlich angekommen. Das Zimmer war kühl, geräumig und angenehm. Zum Glück, denn ich ahnte bereits, daß ich hier eine Menge Zeit verbringen würde.

Ich machte mich kurz frisch, wie man sagt, und dann auf den Weg, um erste Blicke zu werfen und noch etwas zu essen zu finden. Kurze Zeit später stand ich auf dem Las Vegas Boulevard, genannt dem „Strip“ und alles, der ganze Irrsinn dieser Stadt, stürzte auf mich ein:

 

 

ich bin kein Fan

Mein erster, unredigierter und vielleicht etwas unfairer Eindruck von Las Vegas:

Hier ist alles und von allem zu viel - viel zu viel! Zu viele Menschen und Lichter, zu viel Lärm, Geschrei, Verkehr, zig gegeneinander anplärrende Musikanlagen, zu viel Hitze (später um 23 Uhr waren es noch 33°C), zu viele Angebote und Attraktionen, zu viel Auswahl, zu viele Gerüche, zu viel Bombast, zu viel Reklame, zu viel Konsum, zu viel halbnacktes, tätowiertes Fleisch in zu kurzen oder gleich ohne Kleider, zu viel, zu viel! Wie soll ein Mensch das ertragen?! Man weiß nicht, wo man hingucken, wohin man gehen, worauf man hören, was man (außer dem allgegenwärtigen Marihuana) riechen soll. Und zugleich ist das ganze maximal unpersönlich, man ist ein Nichts, eine gesichtslose potentielle Einnahmequelle, eine Geldbörse auf zwei Beinen, ein Renditepartikel. Das wird auch an den völlig grotesken Preisen deutlich, die hier fast allerorten für fast alles aufgerufen werden, falls man nicht gerade Geld beim Glücksspiel vernichtet (dann sind Getränke umsonst).

Es geht in dieser schrecklichen, geschmacklosen, brachialen, grotesken Stadt, die nirgendwo falscher aufgehoben sein könnte, als inmitten der lebensfeindlichen Wüste, der man sie aufgezwungen hat, nicht um Spaß oder Freude (deutlich zu erkennen, an den verbissenen Gesichtern der Leute, die rauchend in hypnotischem Rhythmus auf den unzähligen Slot-Maschinen herumdrücken), sondern ausschließlich ums Geschäft. Es werden hier erbarmungslos alle marktpsychologischen Tricks angewandt, um die Leute in eine überforderte Sinnesbetäubung, Prassstimmung und Duldungsbereitschaft zu manipulieren, in der sie bereitwillig ihr letztes Geld ausgeben, in der fatalen und orientierungslosen Illusion, Spaß zu haben. Las Vegas packt sie wie Puppen an den Beinen und schüttelt sie solange, bis der letzte Cent heraugepurzelt ist. Und wer nichts (mehr) hat, wird weggeworfen wie Müll:

habe geschaut: er hat geatmet :/ wenn er aufwacht, kann er den Menschen um sich herum beim haltlosen Prassen und Verschwenden zusehen und wird von dem leben, was sie wegwerfen

Eigentlich ist das alles furchtbar leer und traurig und unendlich oberflächlich.

Das alles ging mir durch den Kopf, als ich hungrig den Strip entlang flanierte. Durch geräuschunterdrückende Kopfhörer konnte ich wenigstens meine Klangkulisse selber gestalten (das hier und das hier waren mein Las Vegas-Soundtrack) und so akustisch abgeschottet im Kokon meiner Eigenwelt wurde es deutlich erträglicher, auch wenn mir beim einfachen Flanieren bereits der Schweiß in die Chemisette stieg. Ich wußte schon, wo ich essen wollte, zumal es diese Kette ja inakzeptablerweise in Deutschland nicht gibt, und ließ mir bei Taco Bell einen Taco und einen Burrito schmecken.

wir brauchen das in Deutschland! Weg mit den Stullenbelegern von Subway, her mit der Taco-Bimmel!

Am nächsten Morgen war ich schon um 6 Uhr wach und beschloß, die Stadt bei Tageslicht und noch vor der monströsen Mittagshitze zu erkunden und dabei etwas zum Frühstücken zu finden. Um halb 7 war ich schon auf der Straße unterwegs und noch war die Stadt nicht ganz erwacht (wobei sie natürlich niemals schläft – es ist hier zu jeder Uhrzeit etwas los). Durch das bereits jetzt helle Sonnenlicht wirkte sie auch nicht mehr ganz so halbweltlich wie noch in der Nacht zuvor. Allerdings waren es bereits jetzt 30°C und ich versuchte, möglichst im Schatten zu gehen. Ich lief und lief und schaute mir immer noch kopfschüttelnd und musikhörend das morgendliche Las Vegas an; gefrühstückt wurde schließlich im Earl of Sandwich, einem britischen Stullenbeleger, der aber auch Frühstück kann und in einem monolithischen, dunklen Einkaufskomplex, der zum Casino „Planet Hollywood“ gehört, liegt und dessen Inneres, einschl. künstlichen Himmels, mich irgendwie an die Silbermine im Phantasialand erinnerte:

Miracle Mile Mall

Gegen 10 Uhr war es schon so heiß (deutlich >30°C), daß das Rumlaufen im Freien zusehends unangenehm wurde, so daß ich, der ich ja schon drei Stunden unterwegs war und dabei >9.000 Schritte getan hatte, mich entschloß, zurück ins kühle Hotel zu kehren und mich bald in der absurden Situation fand, mit einem gekühlten Getränk am Schreibtisch in meinem Zimmer zu sitzen, die Stille nur von Beethoven gefüllt, während draußen in der Hitzehölle der Irrsinn wieder Fahrt aufnahm und für all die anderen der Tag erst begann. Mir gefiel das eigentlich außerordentlich gut – Las Vegas kam gut ohne mich aus und vice versa ;D

Später suchte ich das Fitness-Studio im Keller des Hotels (einfach an der „Körperwelten“-Dependance, dem Massage-Studio, dem Süßwarenladen, den brüllenden Videospielautomaten, dem National-Geographic-Foto-3D-Erlebnis, dem Food-Court mit 5 Fressläden (bei einem kostete ein Stück Pizza Peperoni 12 $, die ganze 50 $!!) vorbei, „schon“ ist man da) und danach zur Abkühlung den Hotelpool auf (wobei bei 35°C Wassertemperatur der Erfrischungscharakter des Bades sehr zurückhaltend ist). Am Abend ging ich, einem Tip folgend, ins kleinere und nicht am Strip gelegene Ellis Island Casino wo man im „Village Pub Café“ gut essen kann und  hatte lecker Beef Rib French Toast 😊

Ich verbrachte, An- und Abreise nicht mitgerechnet, drei volle Tage in der Stadt, den ersten gerade beschriebenen und die Abende der folgenden nutze ich, um den Strip und viele der angrenzenden Etablissements in Tausenden von Schritten zu erkunden und im Folgenden beschreibe ich ein paar ungeordnete, nicht chronologisierte Eindrücke:

In Las Vegas steht neben ungezählten Hotel-Casino-Hochhäusern, eines bunter und protziger und abscheulicher als das andere, eine Kopie des Eiffelturms (Maßstab 1:2), daneben der Arc de Triomphe mitten in der Stadt,

das Dingen gehört zum „Paris“-Casino, in dem Paris nachgebildet ist

gegenüber schießen die beleuchteten Belagio-Fontänen Wasser zu Musikbegleitung zig Meter in die Luft,

Im Takt von "Billy Jean"

selbst eine Nachbildung von Venedig gibt es hier im Keller des „Venetian“, sogar einschließlich der Kanäle und singenden Gondolieren

O Sole Mio - auch, wenn er die Sonne nie zu sehen bekommt

Vor dem Mirage gibt es einen Feuer spuckenden Vulkan:

Es gibt ein gigantisches Riesenrad, den „High Roller,

einmal fahren 23 Tacken (außer in der Kapsel mit der Bar, da sinds 50 und frei saufen)!

Flamingos im Flamingo,

und eine Nachbildung von New York und der Freiheitsstatue, in dessen Skyline man eine Achterbahn (was auch sonst) eingeflochten hat:

und so weiter und so immer weiter… der helle Irrsinn eben.

Für den Dienstag (Tag 3) hatte ich eine Bustour zum Western Rim des Grand Canyon auf dem Gebiet der Hualapai Indianer gebucht und zum Hoover Dam, der den Colorado River in den Lake Mead staut und wurde vom Bus bereits um halb 7 vor dem Hotel eingesammelt. Mittwoch (Tag 4) stand ich um halb 5 auf und saß um 5 im Auto auf dem Weg ins Valley of Fire, wo ich um 6 den Sonnenaufgang erlebte und schon früh wanderte, um der mörderischen Hitze zu entgehen. Von beiden Touren berichte ich an anderer Stelle.

Donnerstag war der letzte Tag in Vegas. Ich schlief etwas länger, ging noch einmal zum Earl of Sandwich frühstücken, packte meine Sachen und trat die 4,5-stündige Fahrt nach Page, Arizona an.  Zur Fortsetzung….

____

Nach diesen 5 Tagen Las Vegas fällt mein endgültiges Urteil über diese Stadt etwas milder und differenzierter aus:

Wie die eigentliche Stadt Las Vegas ist, weiß ich überhaupt nicht, da ich so gut wie nur den Strip und ein paar Straßen beim Durchfahren gesehen habe (man kann auch nicht Hamburg beurteilen, wenn man nur auf der Reeperbahn war). Ich kann also gar nicht sagen, was sich da außer dem Irrsinn am Strip noch so abspielt und wie man als normaler Las Vegasianer, falls es die gibt, so lebt.

Aber Millionen Menschen aus der ganzen Welt wollen hier offenbar dringend hin, kommen immer wieder und sin glücklich hier und neben Glücksspiel (und Sportwetten, das ist so ein neues großes Ding) bietet diese „Stadt der Sünde“ ja auch haufenweise weitere plebejische Vergnügungen, darunter die großen Shows aller möglichen Künstler, Fahrgeschäfte, den Suff, den (THC)-Rausch, käuflichen Sex (die machen das hier nicht mit Straßenprostitution oder Bordellen – das ist verboten, sondern mit Escort-Damen, das geht offenbar), viel Essen (von absolutem Junk zu Spitzengastronomie) bis hin zu Schnelltrauungen durch Elvis-Imitatoren, ganz nach dem Motto: „what happens in Vegas, stays in Vegas”. Also, eine Million Fliegen können nicht irren? Ich weiß es nicht, diese These hat mich nie überzeugt - es ist nur eben schwierig, wenn man weder Alkohol, noch Miet-Vaginen, noch Shows, noch Glücksspiel begehrt und es, Mama, nicht so heiß will. Und THC konsumieren und lecker essen kann man auch anderswo. Jemand wie ich ist in Las Vegas jedenfalls denkbar falsch aufgehoben.

Dennoch kann ich mich bei aller nötigen Kritik an diesem Moloch von Stadt dem nicht erwehren, rechtschaffen und leicht ironisch kopfschüttelnd beeindruckt zu sein (so, wie von nutzlosen und degoutanten aber eben doch erstaunlichen Fähigkeiten mancher Leute, z.B. in 2 Minuten 20 Hot Dogs zu vertilgen oder alle Lieder von Roland Kaiser auswendig zu kennen), von diesem amerikanischen Größenwahn und Gigantismus, von der enormen, gewaltigen Leistung, diese Stadt mit all ihren kolossalen Bauwerken, aber auch ihrem Bedarf an Wasser, Strom, Lebensmitteln etc. diesem Ort abzutrotzen und am Laufen zu Halten und der mondsüchtigen Phantasie und halluzinanten Vision, der titanischen Anstrengung, aber auch der höchsten Bau- und Ingenieurskunst, derer es dafür bedurft haben muß. Und einige Dinge, die Fontänen zum Beispiel, sind auch wirklich schön anzusehen und völlig gratis. Auch hat mich für Las Vegas eingenommen, daß hier totale Toleranz herrscht und jeder überall willkommen ist und reindarf, Aussehen und Kleidung egal, solange man 21 ist. Der Las-Veganische Traum ist hier Wirklichkeit: Man wird hier nicht aufgrund der Farbe seiner Haut, sondern nur anhand des Inhaltes seines Geldbeutels beurteilt.

Also, was ist dieses Las Vegas nun? Eine echte Stadt? Oder doch eher eine durch das Geld und die Ansprüche nie versiegender Besucherströme mühsam zusammengehaltene Mischung aus Rummel, Kuriositätenpanoptikum, Freizeitzpark, Spielhölle, Bordell, Zirkus, Opiumhöhle, Spelunke und Fressmeile? Ich kann es nicht sagen, ich weiß es nicht, aber in meinen Augen ist Las Vegas, in dem alles riesig und übertrieben ist, eine Anomalie, ein gleißendes Fanal für den Sieg von Materie über Geist und Natur, völlig entfesselte, brüllende Dekadenz und himmelschreiende Verschwendungssucht und -lust, seine eigentliche Sünde. Ich glaube auch nicht, daß diese Stadt irgend einen Menschen kalt lassen kann, der dort ist - dafür ist sie zu extrem und zu übergriffig, sie erzwingt eine Reaktion, ob gut oder schlecht.

Leaving Las Vegas. Es ist schon ok, sich diese erschröcklichste und obszönste Manifestation menschlicher Hybris, die man nächtens sicher sogar aus dem Weltraum sehen kann, einmal angesehen zu haben. Für mich aber war das schönste an Las Vegas, es im Rückspiegel verschwinden zu sehen.



Kein schöner Land - Grand Canyon Westrand und das Valley of Fire

Ich war nach Las Vegas ja vor allem gekommen, um seine Nähe zu verschiedenen Nationalparks zu deren Besuch zu nutzen. Leider war das Death Valley wegen einer abnormen Hitzewelle gesperrt (da wird es dann 60°C und da steigen auch die Autoklimaanlagen aus und man wird frittiert oder gesotten), so daß ich stattdessen einen Tag in Vegas selbst verbrachte. Das „echte“ Tal des Todes wäre mir lieber gewesen :-/

Am dritten Tag ging es aber mit einer gebuchten Bustour zuerst an den Westrand des Grand Canyon (wofür man nach Arizona fahren mußte) und auf dem Rückweg am Hoover-Staudamm vorbei. Der Bus kam um halb 7 morgens und gehörte zum Unternehmen „Comedy on Deck“, die als Tourguides ausschließlich Comedians einstellen. Ich freute mich also auf US-amerikanische Comedy (das ist ja wirklich etwas, was die besser, vielleicht sogar am besten können) während der Bustour. Die gab es aber leider nicht, auch wenn der Guide Andrew sehr nett und sympathisch war und unzählige Las-Vegas-Tips und -Empfehlungen gab (das macht der auch auf youtube). Keine Ahnung, warum die das so nennen, hatte mit Comedy jedenfalls nichts zu tun und war eigentlich Etikettenschwindel.

Jedenfalls ging es zuerst mal Frühstücken im Omelette-House (Mann, war der Kaffe ein Rotz!) und dann auf das Gebiet der Hualapai-Indianer, von wo man zum Westrand des Canyons gelangt. Wir fingen mit dem Eagle-Point an, wo es eine Felsformation gibt, die an einen Adler mit ausgebreiteten Schwingen erinnert und der in der Vorstellung der Indianer den Canyon bewacht und beschützt.

 

und hier sieht man den Adler fliegen

I was there

Die Hualapai haben am Eagle Point noch den „Skywalk“ errichtet, eine Art Glasschleife, die man entlanggehen und unter sich in die Tiefe des Canyons blicken kann. Die Brücke zu betreten, kostet nochmal 30 $ extra (zusätzlich zum Eintritt auf das Gelände), man darf aber nichts mitnehmen, muß Mobiltelephon, Kamera, Börse etc. in einem Fach einschließen. Wenn man dann auch noch ein Photo von sich und/oder dem Ausblick auf dem Skywalk möchte, muß man einen Hualapai-Photographen mieten, der die Photos macht für nochmal 65 Ocken. Also fast 100$ obendruff. Die nehmen es echt von den Lebenden (Fun Fact: man konnte in dem Laden, den die da hatten, nicht nur „Skywalk – I did it“ Shirts, sondern auch eines kaufen, auf dem steht, daß man zu feige war, auf den Skywalk zu gehen! Das ist sicher ein Verkaufsschlager…)  Da habe ich dann dankend abgelehnt und meine eigenen, auch schönen Fottos gemacht.

 


Dann fuhren wir zum Guano-Point weiter, wo es zuerst mal Mittach gab und uns sich mir dann noch beeindruckendere Ausblicke boten. Meine erste Begegnung mit dem Canyon war schon sehr beeindruckend, auch wenn ich wußte, daß ich die eigentliche Sensation erst am Südrand erleben würde. Dennoch war es sehr bewegend, diesem Naturwunder zum erstenmal zu begegnen:


Auf dem Rückweg hielten wir noch beim Hoover-Staudamm, der den Colorado-River zum Lake Mead aufstaut. Wir gingen eine Autobahnbrücke entlang und konnten von dort das beeindruckende Bauwerk, das durch Wasserkraft auch viel Energie erzeugt, aus großer Höhe bestaunen:

it's huge!
 
bißchen näher ran gezoomt: man sieht an der Grenze zwischen hell und dunkel auf den seitlich begrenzenden Felswänden, wo der Wasserstand eigentlich sein müsste und wie tief er aufgrund der Dürre schon gesunken ist

Es war ca. 15-16 Uhr, wirklich brachial heiß und man konnte beim besten Willen nicht lange draußen bleiben, ohne zugleich seine verflüssigten Organe auszuschwitzen und von außen schön knusprig gegrillt zu werden. So hielten wir uns nicht lange beim Staudamm auf und machten uns rasch auf den Rückweg nach Vegas.

____

Für den vierten Tag hatte ich einen Besuch des Valley of Fire geplant. Da für den Tag bereits Hitzewarnungen ausgesprochen worden waren, stand ich um 4:30 Uhr auf, frühstückte irgendwelches Supermarktzeug, das ich am Vorabend gekauft hatte und saß um 5 Uhr im Auto. Auf dem Weg ins Valley

 

 ging spektakulär die Sonne auf


und dann fielen sogar ein paar Regentropfen, so daß ich, als ich um eine Kurve bog, das sah, bremste, ausstieg, und lachend wirklich einen Moment lang mit der Fassung rang:

:'-)

Als ich den Park betrat, war dort niemand! Keine Menschenseele und mir begegnete auch niemand. Ich hielt beim „Rainbow View“ an und ging barfuß durch den puderweichen, orangenen Sand

Farben, Farben Farben 


durch verzauberte Felsformationen, die wie eine Marslandschaft auf mich wirkten, in ihrer Schroffheit, mit den bizarren Formen und der blutroten Farbe.

 




Am "Fire Canyon" angekommen setzte ich mich hin und genoß den Ausblick. Ich war bisher mit Musik auf den Ohren gegangen und hatte mich einmal wieder der Kombination von Hör- und Naturgenuß erfreut. Als ich so dasaß, nahm ich jedoch die Earplugs heraus und erschrak regelrecht, wie absolut vollkommen still es war. Kein Mucks, kein Laut, kein Insekt, gar nichts. Um mich herum nur rotes Land und absolute Stille. Wunderschön! Ich ließ mich in den weichen Sand fallen und lag lange einfach nur da.

Auch beim Aussichtspunkt, von dem aus man den Canyon von einer anderen Seite, sowie den Silica Dome sehen kann, war niemand,

 

noch bei den "White Domes", die ich in einstündiger Wanderung andächtig umrudete,

 

während derer es schon langsam empfindlich warm wurde. Mir war klar, daß meines Bleibens nicht länger sein konnte, stieg in das bereits backofige Auto und hielt auf dem Rückweg noch kurz am Visitor Center an, wo ich meinen Eintritt zahlte, da an der Schranke, wo man eingelassen wird, als ich kam, ja noch keiner gesessen hatte, der Park aber offiziell mit Sonnenaufgang öffnet.

Ein grandioses Naturerlebnis, ganz ganz anders als Yosemite und der Canyon, voller toller Farben, bizarrer Felsformen, feinem Sand und vor allem ohne Leute. Ungeheuer eindrucksvoll und natürlich  unvergesslich!