bedeutet, so sage ich Dir:
Saudade ist das, was bleibt,
wenn alles erloschen ist."
-- Domingos Gonçalves Castro
Es ist jetzt eine Weile her, daß ich den Fado und dann meine große Zuneigung zum Fado entdeckt habe. Eine Musik, bei der zur Begleitung durch portugiesische und spanische Gitarre herzzerreißend über unglückliche Liebe, soziale Mißstände, die guten aber vergangenen oder die Sehnsucht nach besseren Zeiten gesungen wird und die die musikalische Manifestation, ja die Essenz der saudade ist, jenes nostalgischen Gefühls, etwas Geliebtes verloren zu haben, und das Unglück und die unterdrückte Gewißheit, die Sehnsucht nach dem Verlorenen niemals stillen zu können - eine Liebe, die (übrig)bleibt. Erinnerung und Tränen sind die Kennzeichen dieser urportugiesischen Version des Weltschmerzes, die nicht nur eine Lust an der Traurigkeit – Schmerzlust – beschreibt, sondern Resignation und Fatalismus mit einschließt und aus abgrundtiefer Seeleneinsamkeit kommt.
Das also ist die Seele des Fado und wie soll man das nicht lieben? Und ausgerechnet diese völlig unzeitgemäße, zutiefst melancholische Musik ist von der UNESCO zum immateriellen Weltkulturerbe ernannt worden. Ist das nicht famos? Und da Lissabon die Wiege des Fado ist und keine Stadt ihn besser verkörpert und verstehen läßt und auch noch der, dank seines "Buchs der Unruhe" von mir inzwischen sehr verehrte Fernando Pessoa dort lebte und wirkte, war klar, daß ich dahin mußte.
Und so dachte ich, wenn ich eh schön in der Nähe (also wenigstens immer noch näher, als sonst) bin, nutze ich doch die Gelegenheit. Also flog ich Anfang Mai von Hauptstadt zu Hauptstadt, um herauszufinden, warum hier der Fado erfunden wurde.
Vom Flughafen fuhr ich bei bestem Empfangswetter, sonnig, laue Brise, nicht zu warm, mit der komfortablen und günstigen Metro bis fast vor die Schwelle meiner Interimsbleibe, bei der es sich um ein kleines, in der Baixa am Rande der Alfama gut gelegenes und sichtlich betagtes Stadthotel handelte. Offenbar, so dachte ich beim Betreten meines Zimmerleins, wohl eher Kammer, ist der Portugiese, auf den man diese Behausung zugeschnitten haben mußte, rachitisch und zwergenwüchsig, da ich mich allen Ernstes seitwärts durch Tür und Miniflur zwängen mußte, um nicht anzustoßen. Für mehr als das Bett und ein Winztischchen, etwa meinen Koffer, war in der 6 qm-Zelle überdies kein Platz. Und wenn ich im Bad mein Ponem zwecks Rasuren oder sonstiger Wartungsarbeiten im Spiegel in Augenschein zu nehmen trachtete, hatte ich mich in eine wenig kommode domestikenhafte Dienerpose oder aber eine sportliche Dreiviertelkniebeuge zu begeben.
Mit der kopfinternen Aufmunterung, daß man schließlich nicht zum Wohnen, sondern zum Schauen, Hören, Erleben hier sei, warf ich unnützen Ballast ab und stürzte mich in den Lissaboner Frühabend, wo meine erste touristische Amtshandlung darin bestand, pasteis de nata zu erwerben
und diese mit wachsender Begeisterung verzehrend einher zu strawanzen und die Stadt auf mich wirken zu lassen: schön ist sie, voller Plätze mit Säulen, auf denen in kühnen Posen die Helden der Vergangenheit stehen,
alte, würdevolle und opulente Repräsentativbauten residieren neben quietschbunten und mit den typischen Kacheln
gezierten Wohnhäusern. Gebraucht sieht diese Stadt aus und fühlt sie sich an, oder sagen wir “abgeliebt”, wie das liebste Paar Schuhe, das man haben kann. Die, die schon ein wenig ausgetreten sind und hie und da etwas abgeschabt, denen man ihre Geschichte ansieht, die sich aber unglaublich gemütlich und wohlig anfühlen und im rechten Licht und aus dem rechten Winkel betrachtet auch immer noch gut aussehen. So ist Lissabon, offen und freundlich, lebendig und gleichsam alt und geschichtsträchtig, wie auch jung, quirlig und voller Lebensfreude. Aber auch die saudade ist dort sofort zu fühlen. Es braucht nur einen Blick im Vorübergehen zur portugiesischen Wirtin mit dem müden, faltigen Gesicht und ihrer erschöpften Haltung, in der sie an der windschiefen, abendlichtfarbenen Wand ihrer kleinen Schenke lehnt und raucht, weil sie es drinnen nicht mehr darf und wie sie unter schweren Lidern den Blick von der Welt und den Fremden aus aller Herren Ländern, die unaufhörlich durch ihre alte Stadt strömen, genommen und nach innen gekehrt hat - und man versteht. Ich seufze tief, lasse in meinem Walkman Camané laufen und betrete die Alfama, jenes uralte und verwinkelte Gassenlabyrinth, wo ich nicht nur die Sé seh'
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Sehn'se? Die Sé. |
sondern auch dem inzwischen anbrandenden Hunger mit einer Mahlzeit in einer winzigen, urigen Schenke mit einem anständigen Fleischlappen abhelfe, der mir von einem kauzig-mürrischen Greis, der sich vor allem für das in der Glotze über mir dargebotene Fußballspiel zu interessieren scheint, hingestellt wird. Im Hintergrund läuft Fado im Radio und ich bin's zufrieden.
Anschließend laufe ich noch zum Praca de Comércio, wo gerade die Vorbereitungen für die Austragung jenes grauenerregenden paneuropäischen Singsang-Wettstreits stattfanden, als deren Gastgeber Portugal sich herzugeben offenbar die bescheuerte Schnapsidee hatte.
Dennoch gefiel mir die Stimmung sehr gut, in der milden Abendsonne am breiten Fluß Tejo, über den mehrere Hängebrücken führen, zu stehen und dem heiteren Treiben hier zuzusehen.
Auf dem Rückweg ins Hotel passierte ich noch den "Rossio" genannten Praca de D. Pedro IV und fand, daß die Portugiesen Plätze können! (Hinweis an Köln: eine vielbefahrene unattraktive Straßenkreuzung einfach "xy-Platz" zu nennen, macht sie nicht zu einem Platz. An Plätzen sollen sich Leute aufhalten können, wofür man, nun, Platz benötigt. #herrjottnochens; Hinweis an Deutschland: in Lissabon gibt es einen Platz, der nach dem größten portugiesischen Dichter benannt ist, dem auch ein eigener Nationalfeiertag gewidmet ist! #reformationstagumwidmen #ehrewemehregebührt )
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Der Onkel auf der Säule ist übrigens Pedro IV |
Die erste Nacht verlief akzeptabel, wenn ich auch, wegen der Zeitverschiebung um 1 Stunde und der matratzenhalber unzureichenden Bettstatt, zu absurd früher Stunde erwachte und in Verweigerungshaltung mich zum Weiterschlafen zwang. Nach dem akzeptablen aber eher einfachen und durch vorfindlichen Mangel korrekt antizipiert habenderweise aus Wien selbst mitgebrachtes Nutella deutlich aufgewertetem Frühstück gelang es mir gerade noch, an deren Starthaltestelle in einen Wagen der berühmten Linie 28E zu einer Unzahl anderer Touristen zu schlüpfen.
Gemütlich und holzruckelig jökelten wir durch die stark auf- und absteigend geneigten Straßen Lissabons und ich konnte mir einen guten Eindruck von den nicht so touristenbefallenen und eher von "normalen" Portugiesen bewohnten Bereichen verschaffen. Es war wie ein inverser Zoo, in dem nicht die Leute an einem Käfig vorbeigehen, sondern ein mobiler Käfig an den Leuten vorbeifährt und unklar bleibt, wer hier eigentlich wen beäugt. Amüsant war auch, daß ein fescher Jungportugiese, der entweder unwillens war, sich mit uns Gemeinen im Fahrzeug zu drängen oder den verlangten Fahrpreis zu entrichten und ebensowenig geneigt zu sein schien, sich frühmorgens die nicht unerehebliche Straßensteigung zuzumuten, vom Fahrer jedoch keineswegs uns Insassen unbemerkt, aufsprang, sich außen am Wägelchen festhielt und in bester Wildwestmanier die 28 bergauf surfte, nur um kurz vor der nächsten Haltestelle wieder abzuspringen. Weniger amüsant war die verdammte asiatische Touristenomma, die ihren komfortablen Fensterplatz mit bester Aussicht, derer teilhaftig zu werden ich selbst mich unkommod niederneigen mußte, nutzte, um ein exakt die gesamte Fahrt dauerndes Nickerchen zu machen:
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PENNT! |
Man sollte denen die Tourismuslizenz entziehen! An der Endhaltestelle "Prazeres" stieg ich aus und besuchte den "Cemitério de Prazeres". Dort lebte außer einer Bande von Friedhofskatzen niemand mehr, aber imposante Grabstätten gab es.
Und auch das ein oder andere Grab der ein oder anderen Bedeutsamkeit:
Im Zentrum des Friedhofs sieht man die Grabhäuser der Gutbetuchten, in welche die Särge hineingestellt statt in Erde begraben werden. Einige waren so alt, daß die inneren Strukturen nachgegeben hatten und die Särge heruntergefallen und teilweise aufgebrochen waren, so daß man ein gelegentliches Gebein in Augenschein nehmen konnte.
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hat die KVB unter dem Grab einen Tunnel gegraben? |
Trotz wegen meines durch völlig augeleierte Bänder ermöglichten Hobbys "Umknicken" schmerzenden Fußes entschloss ich mich, den mehrere Kilometer langen Weg vom Friedhof zum Fado-Museum, meiner nächsten Station, zu Fuß zurückzulegen. Dies erwies sich als gute Idee, denn so sah ich nicht nur die "Assembleia da República", das portugiesische Parlament, in Lapa, vor dem gerade ulkige Uniformonkels ihr übliches Gefuchtel und Gestakse aufführten,
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Parlament Portugals, mit Uniformonkels, die gerade fertig sind mit Fuchteln und Staksen |
sonden ich konnte durch diese kleine Detour auch meinen Eindruck des eigentlichen Lebens auf den Straßen in Lissabon vertiefen.
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typischer Lissabonner-Straßenzug |
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auch in Lissabon schmieren Narrenhände. Und dann auch noch auf das Fenster von "Krülland Schwimmbecken". Kann man doch nicht machen! |
Schließlich kam ich wieder in der Alfama beim Fado-Museum an, das federführend bei der Kandidatur des Fados als Weltkulturerbe gewesen war. Ein schönes Museum mit einem gut gemachten Audioguide, in den man dankenswerterweise seine eigenen Kopfhörer stecken konnte, so daß man, statt sich das Ding an ein Ohr pressen zu müssen, entspannt sicher in besserer Qualität zuhören konnte. Es gab auch ein kleines Kino, in dem ein Film in Dauerschleife lief, in dem einige der Granden des Fado, Carlos de Camo, Mariza, Camané, Carminho etc. in ihrem wunderschön klingenden Portugiesisch versuchten, den Fado zu erklären und sich einig waren, daß man diese Musik nicht erklären könne sondern fühlen müsse. Ich schließe mich an, anrührend und faszinierend.
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Camané: Fado ist so eine ernste Sache, so peinlich genau. |
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C. de Camo: Und dann passierte es plötzlich |
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Ein für die Geschichte des Fado sehr wichtiges Gemälde: "O Fado" |
Einzige Kritik: es wurde zu wenig auf die eigentliche Musik des Fado eingegangen. Wie zeichnet er sich musikalisch aus, mit welchen Mitteln wird gearbeitet, um ihn so klingen und wirken zu lassen, welche musikalischen Einflüsse hat er, wie entwickelten sich diese? Und ich hätte mir mehr Information zur Rolle der Saudade gewünscht, mehr Erklärungsversuche, mehr Würdigung. Dennoch: es hat sich gelohnt und ich blieb lange.
Nach einigen Obsten und natürlich pasteis zu Mittag stieg ich am Praca de Comércio in eine Tram und fuhr nach dem westlichen Bélem, wo gleich mehrere Weltkurlturerbe-Stätten, das Mosteiro dos Jerónimos die Klosterkirche Santa Maria und der "Torre de Bélem", zu bestaunen sind. Letzteres tat ich dann auch, aber in erster Linie über die Schlange vor dem Kloster, die nicht nur Goin und Moin alle Ehre machte, sondern mich auch das Vorhaben verwerfen ließ, mir das Mopped von innen anzusehen. Von außen ist's schließlich auch recht imposant
und in die Kirche kam man ohne großes Anstehen und ich stand ergriffen vor den (Ehren)gräbern Camoes'
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Luiz de Camoes, portugiesischer Nationaldichter (1524-1579), Schöpfer der "Lusiaden" |
und Vasco da Gamas
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Vasco da Gama (1469-1524), Seefahrer und Entdecker des Seewegs nach Indiens |
Wieder draußen lief ich noch zum Torre, das Padrão dos Descobrimentos sah ich dabei nur aus der Ferne
und war von dem wuchtigen, vertiablen Turm
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der Torre |
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mein beeindruckt-verwegener Gesichtsausdruck (und der Beweis:ich war da :)) |
Leider war es gerade 5 Uhr geworden und man teilte mir mit, daß diese arbiträre Uhrzeit als Anlaß angesehen werde, keine Touristen mehr auf den Turm zu lassen. Ungut, dies. Es verhagelte mir aber nicht die Stimmung, denn ich freute mich schon auf den Abend, der ein Fado-Konzert in einem Saal im Chiado für mich bereithalten sollte. Ich fuhr also zurück, versorgte mich mit einem galão para levar und natürlich pasteis, schlenderte bester Dinge noch ein wenig durch die angenehm warme, sonnendurchflutete Lissaboner Altstadt und kam pünktlich beim Konzertsaal an. Geboten wurde eine Stunde Fado, wie immer begleitet von portugiesischer und spanischer Gitarre und sehr gut und inbrünstig gesunden von einem Jungspund und einer Dame besten Alters. Es war natürlich wunderschön und herzergreifend:
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"O Julia Florista!" |
Satt und triefend voller Eindrücke trug ich mich ins Hotel, um seelisch und körperlich auszuruhen.
Gleich am Morgen nach dem Frühstück begab ich mich zum Bahnhof in der Nähe des Rossio, um nach Sintra zu fahren, wo mit dem Maurenkastell, dem Palácio Nacional de Pena und anderen Großartigkeiten eine ganze zum Weltkulturerbe gekürte Landschaft auf mich wartete. Auf mich und ca. 40.000 Touristen, die sich am Bahnhof in absurd langen Schlangen vor den Schaltern und exakt 3 (in Worten: drei) Fahrkartenautomaten drängten. NÄ!, dachte ich, ich hasse Warten mehr, als ich es lieben würde, Sintra zu sehen und sowieso wird es Mittag, bis ich hier drankomme.... Es sei denn... ich versuchte es einfach: ich hielt meine bereits am Flughafen erworbene, wieder aufladbare Metrodauerkarte vor den Scanner und, siehe da, die automatischen Pforten klappten auf, ließen mich ein und mit 0 Minuten Wartezeit ergatterte ich noch einen Platz im nächsten Zug nach Sintra, der mich und ca. 30.009 andere Touristen dort etwa 45 Minuten später auf einen kleinen Bahnsteig spie. Unfaßbar, wie voll es war!
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Ham' die kein Zuhause? |
Im Nachhinein aber wohl kein Wunder, denn Sintra und seine Attraktionen sind absolut großartig und aller Mühe wert! Oder, wie es J. de Castro ausdrücken würde:
‘(...) Having written most of my work in Sintra, where I have so often dreamed and worked, I would like to stay there for ever (...). I would like to be buried at the edge of one of those poetic footpaths that lead the way to the Moorish Castle (...). Being close to men, my brothers, and closer to the moon and the stars, my friends, with the green earth in front of me and the sea stretching into the distance - the sea and the earth that I have loved so much. (...)'.
-- José Maria Ferreira de Castro
Nach anfänglicher Orientiererei und einem kurzen Fußmarsch in das historische Zentrum von Sintra, in dem es sogar dem alten Nieselpriem Byron so gut gefallen hatte, daß man seinem Hiersein mit einer Bar gedenkt:
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"Lo! Cintra's glorious Eden intervenes in variegated maze of mount and glen." --- Lord Byron |
entschloß ich mich, zuerst zum Maurenkastell hochzusteigen. Ein ganzes Stück also:
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da ganz oben, das Mäuerchen, da muß man hoch |
Und zwar schön auf Schusters Rappen und nicht mit dem Bus, wie die ganzen fußkranken, faulen Lahmen, denen obendrein die schöne Landschaft beim Wandern entging. Oben angekommen entrichtete ich den üppigen Obolus (gleich mit für den Palació, wenn ich schon da war, allerdings nur für den Garten und das Drumherum, rein wollte ich nicht - weiserweise, wie sich noch herausstellte) und verfiel sofort dem Zauber der eigens "romantisierten" Ruine aus dem Mittelalter. Moraleshörend schwelgte, kraxelte und staunte ich auf den Mauern, Stiegen und Türmen herum,
genoß immer wieder den phänomenalen Ausblick und konnte mich gar nicht sattsehen:
Beseelt und beschwingt verließ ich das Kastell und ging zum sogar noch höher liegenden Palácio hinauf und ach Du Scheiße waren da viele Touristen! Die erste Riesenschlange derer, die Eintrittsbillets begehrten konnte ich dank meiner Kombikarte umgehen, doch schon auf dem gewundenen Pfad durch einen herrlichen Garten zum eigentlichen Palazzo staute sich das Volk hunderte Meter (!) lang, um Einlaß in den bunten Bums zu erhalten:
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was die wohl genommen haben, um auf die Idee hierfür gekommen zu sein? |
Wie froh war ich, daß ich das nicht mußte und auch überhaupt nicht brauchte, um diesen Paradiesvogel unter den Palästen zu bewundern und mich daran zu erfreuen. Weniger erfreulich war, daß schon während ich noch den Weg hochstieg, recht rasch dichter Nebel aufgezogen war,
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Turm im Nebel |
so daß die erwartete Spitzenaussicht auf ca. 4 cm reduziert war und man selbst im Hof vielleicht 3 m weit sehen konnte. Dafür war der Weg auf der Brüstung in luftiger Höher in dicker Nebelsuppe um die Türme herum ein eigenes kleines Abenteuer.
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Aussicht: sie Sie sehen, sehen Sie nichts. |
Da wegen des Nebels und der Menschenmassen meines Bleibens nicht länger sein sollte, machte ich mich an den Abstieg nach Sintra und zwar über gewundene Pfade durch die großartige und riesige zum Palast gehörende Gartenanlage, voller kleiner Häuschen, Brunnen, Teiche, künstlicher Seen und einer ungemein vielseitigen Pflanzenwelt.
Dabei hörte ich das grandiose "Buch der Unruhe" von F. Pessoa, schwelgte in dieser wunderbaren, poetischen Sprache und seinen reichen, reichen Bildern:
Für mich ist Schreiben Selbstverachtung, aber ich komme nicht vom Schreiben los. Schreiben ist für mich wie die Droge, die ich verabscheue und doch nehme, wie das Laster, das ich verachte und von dem ich nicht lassen kann. Es gibt notwendige Gifte, und es gibt solche subtilster Art, aus Ingredienzien der Seele, Kräuter, gesammelt aus den verborgenen Trümmern unserer Träume, schwarzer Mohn, gefunden an den Gräbern unserer Absichten, lange Blätter obszöner Bäume, deren Zweige an den hallenden Ufern der Höllenflüsse unserer Seele rauschen. Schreiben, ja, das bedeutet, mich zu verlieren, aber alle verlieren sich, denn alles ist Verlust. Ich jedoch verliere mich freudlos, nicht wie der Fluß in der Mündung, für welche er unbekannt aus der Quelle entsprang, sondern wie die Lachen, welche die Flut am Strand bildet, deren versickerndes Wasser nie wieder zum Meer zurückkehrt.
-- F. Pessoa
Wirklich eine phantastische Landschaft mit tollen Attraktionen, zurecht als Weltkulturerbe eingestuft!
Oh Christ! it is a goodly sight to see
What heaven hath done for this delicious land!
What fruits of fragrance blush on every tree!
What goodly prospects o'er the hills expand!
-- Lord Byron
Überaus froh, daß ich doch hergekommen war, fuhr ich mit dem nächsten Zug zurück nach Lissabon, wo ich mir noch das Barrio Alto genauer ansehen und vielleicht ein Plätzchen für's Abendessen finden wollte. Das Barrio ist ziemlich cool und wirkt sehr gemütlich: enge, wild auf- und abgehende Gässchen mit leicht angeschangelten aber behaglich aussehenden Häusern,
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es ist eben überall immer ein bißchen Köln |
zwischen denen wahlweise Wäscheleinen oder bunte Girlanden gespannt sind,
oder auch schonmal ein Fahrrad am Balkon hängt
unzählige Bars, Kneipen und Restaurants,
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wer bei einem dicken Mann, unter dem "Farta Brutos" steht, an dasselbe dachte, wie ich, ist mir Bruder/Schwester im Geiste :D |
kleine Lädchen, Oppas, die ein Nickerchen an einem Brunnen machen
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Oppa, pennend auf Brunnenrand, mit Hund auf Bauch und Arm auf Armablegekiste. Ein Stilleben. |
Typen, die an Autos rumschrauben, Damen, die in winzigen Ecklädchen Aprikosen kaufen. Wenn ich ausgehen, mich mit der Absicht, Ethanolhaltiges zu konsumieren tragen und das sogenannte Nachtleben interessant finden würde, wäre das hier wahrscheinlich der Ort, an den es mich zöge. So aber freute ich mich nur, es gesehen und einen Laden gefunden zu haben, wo ich essen und dazu live gespielten Fado genießen konnte. Und so geschah es. Leider nur waren weder das Essen noch der Fado reichlich bemessen noch von das Herz höher schlagen lassender Qualität. Was will man machen? Ich hatte ohnehin bisher den Eindruck gewonnen, daß die portugiesischen Restaurants, jedenfalls die, die sich an Touristen richten bzw. viele derselben bewirten, sich nicht sonderliche Mühe geben (müssen).
Dennoch, meine Begeisterung für Lissabon trübte das keineswegs und ich versprach dieser tollen Stadt und mir selbst feierlich, daß ich wiederkommen und noch mehr sehen und erleben würde.
Am nächsten Morgen checkte ich aus und fuhr mit der Metro nach "Parque", wo ich ganz in der Nähe mein Mietauto in Empfang nehmen wollte. Also, mit der Organisation hat's der Portugiese ja nicht so, oder? Bis auf die Straße standen die Leute bei Europcar Schlange. Weil ich reserviert hatte, durfte ich in eine kürzere Schlange, hatte aber immer noch ca. 7 Leute vor mir. Ich zog eine Nummer, nutzte den SMS-Benachrichtigungsservice, der einem eine Meldung schickt, wenn nur noch drei Leute vor einem sind und trank gegenüber einen Galao. Es dauerte und dauerte. Irgendwann wurde ich mißtrauisch, ging rüber und stellte fest, daß selbstverständlich der Dienst nicht funktioniert hatte und meine Nummer längst vorbei war. Ich machte der Einweisedame sehr deutlich, daß ich dies nicht hinzunehmen gedächte und sie sorgte dafür, daß ich sofort drankam. Nach insgesamt ca. 1,5 Stunden hatte ich endlich mein Auto, einen kleinen, weißen eher einfachen Fiat Punto, natürlich ohne das bestellte Navigationssystem und fuhr los, statt ins Ungewisse - 1000 Dank meinem Motele und Google Maps - gen Süden.
Was ich dort erlebte ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.
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