Samstag, 12. Mai 2018

Portugal - An südlichen Gestaden

Als ich die Ponte 25 de Abril über den Rio Tejo befur, begann meine Reise durch Südportugal. Die Fahrt ging eigentlich recht gut, denn im Gegensatz zum Ungarn und seiner Charakterisierung durch L. Mozart, macht der Portugiese sehr wohl einen Weg, sogar Autobahnen in bestem Zustand hat er, deren Erhaltung er sich qua an großzügig verteilten Registrierstationen abgepresster Maut auch reichlich entgelten läßt. Und weil er offenbar am Steuer seine ansonsten durchaus erlesene Höflichkeit gründlich und sorgfältig ablegt und gerne sich und andere totfährt, v.a. auf der EN125, auf der auch ich später noch fahren sollte, verfolgt die portugiesische Polizei, wie ich gewarnt wurde, eine Null-Toleranz-Politik hinsichtlich Geschwindigkeitsüberschreitungen und sonstiger Schweinigeleien. Also hielt ich mich eisern an 50 in der Stadt, 90 auf der Landstraße und 120 auf der Autobahn, was den ein oder anderen raselüsternen Jungportugiesen offenbar wider mich aufbrachte: zwei haarscharf gerade eben noch vermiedene Horrorcrashs passierten nicht, weil mich jeweils ein testosterongesättigter Bursche in rollendem Penisersatz mit schwungvoll überhöhter Geschwindigkeit im Überholverbot und vor einer Kurve zu überholen genötigt sah und sich jeweils schlingernd, hupend und mit kreischenden Reifen gerade noch vor mir auf die Fahrbahn retten konnte, bevor er frontal in den überraschenderweise vorhandenen und kurvenhalber nicht einsehbaren Gegenverkehr getrümmert wäre.
Nach ca. zwei Stunden gemächlicher Fahrt, inzwischen fuhr ich über Landstraßen durch bukolische Dörfer, hieß mich das Motele, links in einen unbefestigten, aus Lehm, Splitt und Schlaglöchern bestehenden Weg einzubiegen.
Befremdet tat ich, wie geheißen, fuhr einen Kilometer weiter und sollte, bei der nächsten Gelegenheit links eingebogen, am Ziel sein. Nun stand ich aber in, wie mir schien, der Einfahrt des überaus abgelegenen Privatanwesens eines sicher mit Absicht so zurückgezogen lebenden Portugiesen, der dort, wie ich annahm, Sülze aus verschleppten Touristen kocht. Ich war sicher, falsch zu sein, gab eine alternative Adresse ins das Gerät ein, welche mich 26 km weiter in den Ort Odemira verwies, wendete und wollte gerade losfahren, als sich von hinten ein verbeultes Auto näherte, hupend, am Steuer ein fuchtelnder Greis. "Hurtig, nur fort, bevor ich eine Schrotladung in den Kühler bekomme und gepökelt und geräuchert an einem Haken ende", dachte ich und fuhr, Staubwolken aufwirbelnd, schnell wieder auf die Straße Richtung Odemira. Selbiges stellte sich als winziges Dörfchen heraus, so gut wie ohne Touristen – Assoziationen zu Innsmouth drängten sich förmlich auf -, in dem ich nicht wenig auffiel, als ich, das Auto irgendwo entnervt abgestellt habend, weißesthäutig und fluchend mit dem Navigationsgerät in der Hand durch die lächerlich engen Sträßchen ging, um die verdammte Adresse zu finden. Doch da war kein Hotel in der genannten Straße, nur ein Privathaus stand da, durch dessen Fenster ich eine portugiesische Matrone Fisch beizen sah. „Das kann es nicht sein!“, mutmaßte ich und zog, langsam etwas ratlos, den papiernen Ausdruck des Reiseveranstalters zurate, worauf tatsächlich stand, daß das mit dem unbefestigten Feldweg schon richtig gewesen und mein gebuchtes eben nunmal ein "Naturhotel" war.
Zurück in der Pampa klärte sich alles auf: ich mußte einfach noch sehr viel weiter in die Einfahrt hereinfahren, um zur Rezeption zu kommen, der Greis war in Wirklichkeit der Besitzer von ditt Janze, der auf dem Anwesen auch seine private Bude zu stehen hatte und sein Gefuchtel war kein Frust darüber, daß er mich nicht ausweiden, entbeinen und mit meinem Gekröse seine Fiedel neu besaiten konnte, sondern sollte mir signalisieren, daß ich wirklich richtig sei und mich nicht verfahren habe.

kann doch keiner ahnen, daß es hier zum Hotel geht


Schließlich kam ich an, checkte beim netten Personal in einer winzigen Rezeption ein, um welche betreten zu können ich tatsächlich meinen Rucksack abnehmen und mal wieder seitwärts die Tür durchqueren mußte und konnte endlich mein Zimmer beziehen, eine wunderschöne, große, edel eingerichtete Suite mit Terrasse und zusätzlicher Außendusche in einem Haus, das wirklich mitten im Nichts stand.

irgendwo im Nirgendwo


Es war herrlich (absolute Empfehlung), nur eben etwas abgelegen und daher nur für die Motorisierten relevant. Die Anlage und die ganze Gegend in Südwestportgual liegt im "Parque Natural do Sudoeste Alentejano e Costa Vicentina", die nächstgelegene Ortschaft am Meer, so 3-4 km entfernt, war
Vila Nova de Milfontes. Da ich endlich richtig das Meer sehen, meine Füße in den Atlantik tunken und irgendwann auch 'was essen wollte, fuhr ich, nach einer kleinen Siesta am Pool,

Siesta. Mit Pool und Ausblick.

 den es dort auch gab, dorthin. Am Strand saß ich lange auf ein paar Felsen, sah auf's Meer, hörte die rechte Musik dazu und war's leidlich zufrieden.

ich geh' ins Wasser.



Dank der EU/Abschaffung der Roaminggebühren konnte ich, während ich mit den Zehen im warmen Sand scharrte, sogar mit Daheim sprechen und Bilder von meiner Umgebung schicken, ohne mich finanziell zu ruinieren, was mir, der ich mich noch an Zeiten mit Münzfernsprechern und im Urlaub eisern durchgehaltenen Telefonembargos erinnere, immer noch ein wenig surreal vorkommt. Zumal die mobile Internetabdeckung Portugals derjenigen der Bananenrepublik D selbstverständlich weit voraus ist: es gibt hier eigentlich überall und immer mobiles Internet.
Als es dämmerte und Zeit zum Abendessen wurde, holte ich mir bei einem Pizzahöker etwas para levar und aß das Scheibchen im Hotel, während in der riesigen Glotze ein "Ridiculousness"-Marathon lief. Gutes kann so einfach sein :)

Am nächsten Morgen machte mir Esperança (oder so... jedenfalls eine etwas grummelige Portugiesin) Frühstück in der Küche des Gemeinschaftsraums des Gästehauses, in dem ich wohnte. Mir und zwei - natürlich - Bayern, die auch gerade dort Urlaub machten und mit denen ich am selben Tisch saß. Sie kochte Kaffee und Eier, presste Orangen, röstete Brot etc. Sehr feine Sache, das.

 Gerne wäre ich noch hier geblieben und ich nahm mir vor, ein andermal wiederzukommen, doch mein Reiseplan sah vor, daß es heute nach Sagres, mein erstes Ziel an der Algarve, gehen sollte.
Das hatte ich auch auf deren Erkundigung hin der netten Rezeptionistin gesagt, die mir riet, wenn ich Zeit hätte, auf dem Weg nach Sagres noch beim Ort Arrifana vorbeizufahren, es lohne sich, da dort eine tolle Aussicht zu bewundern sei. Also stieg ich in den Punto und fuhr nach Arrifana, wo ich schon beim Aussteigen der guten Dame ihren Hinweis dankte und ansonsten froh und staunend den Anblick genoß:
BÄM!



Anschließend kraxelete ich noch auf den Resten, alter, verlassener ehemals militärischer Anlagen herum, hier die "Fortaleza de Arrifana", von der aus ich einen beneidenswerten Platz, seinen Campingwagen abzustellen, erspähte,

man kann ja schlechter stehen, als Camper

und weiter staunte und mich der Aussicht erfreute. Da dies zum höchsten Sonnenstand passierte und ich dachte, ich brauche schon keine Sonnencreme, ich wolle ja nur eben mal gucken, was dann aber doch eine ganze Stunde wurde, trug ich hernach einige Tage das karmesinene Siegel der zornigen portugiesischen Mittagssonne auf meiner nordisch-falben Haut.
Nach ansonsten ereignisloser Fahrt erreichte ich schließlich Sagres. Viel machte der Ort auf den ersten Blick ja nicht her, etwas angeschangelt wirkte er und als ich auf den kahlen Parkplatz meines Hotels fuhr, das keineswegs in Sichtweite des Meers lag

dafür gab es reichlich Baustellen in der Umgebung und immerhin einen Pool, in den niemand wollte

und von außen einen nicht so dollen, irgendwie uneinladenden und nicht gerade luxuriösen Eindruck machte, schwante mir, daß es hier etwas einfacher zugehen würde. So kam es denn auch: mein Hotel war ein Apartementhaus, d.h. jedes Zimmer hatte seine eigene Küche mit entsprechender, übrigens spartanischer Ausstattung. Meine hatte wahrscheinlich noch Vasco da Gama auf seiner ersten Tour mit an Bord: die Bude war zwar wirklich schön groß, aber eben auch kahl und unfreundlich, mit häßlich gefliestem Boden, uralten Betten mit garstig harten Knast-Matratzen und etwas säuerlich riechenden, stets leicht klamm wirkenden Laken. Die Beleuchtung war funzelig, die Möbel abgestoßen und wackelig, die nur alle zwei Tage gewechselten Handtücher rochen stark nach Chlor, die fehlende Duschgriffstange zwang zum knieenden Duschen mit Handbrause, der Fernseher war ein Röhrenrelikt in Briefmarkengröße, der die vier empfangbaren portugiesischen Sender in feinverrauschter 80er-Jahre-Alufolienantennen-Griesselqualität anbot usw. usf. Und dafür drei Sterne? "Landeskateogrie" heißt sowas ja dann gerne... Mist! Denn ausgerechnet hier hatte ich 3 Nächte gebucht! >:-(  Ich nutzte das unerwartet gute W-Lan des Hauses, um eine entsprechende Schilderung bei Trip Advisor zu hinterlegen ;-), sagte mir abermals, daß ich hier nicht zum Wohnen sei und brach daher bald zu einem Fußmarsch zum Strand auf, der durch eine triste Gegend führte und ca. 20 Minuten dauerte.
Am Meer angekommen bot sich mir ein herrliches Bild, das ich in den nächsten Tagen so oder ähnlich noch etliche Male sehen sollte: ein fast menschenleerer Sandstrand, umragt von im Sonnenlicht golden leuchtenden, hohen und schroffen Klippen mit grünem Pflanzenbewuchs:

voll war's nich.


Und mir wurde klar, wer vor allem von diesem Ort angezogen wird: Sagres ist ein Surferparadies und dürfte im Sommer wohl voll von Vertretern jenes gummierten Menschenschlags sein, dessen Ansprüche sich im Wunsch nach der perfekten Welle erschöpfen. Im Ortszentrum gibt es zig Läden für Piraten-

Heute: Sparrrrrrrangebote


und Surfbedarf, vom Brett, über Neo(prenanzug) und Kurse, bis hin zum Chic (Korallenketten, Muschelanhänger und ähnlicher Talmi und natürlich T-Shirts, die Auskunft darüber geben, daß sein Träger gerne surft und dies auch in Sagres bereits erledigt habe). Ich verstand, daß der gemeine Wellenreiter vermutlich weniger Wert auf gute Unterkunft als auf tüchtige Brandung legt und sah unterwegs auch, daß einige einfach gleich mit ihrem Bully auf den Klippen direkt am Strand geparkt hatten, vor dem ich sie, von Kopf bis Fuß tätowiert, Eierkuchen auf der Bunsenbrennerflamme bratend,

Friede, Freude...


konische Kräuterzigaretten rollend und/oder rauchend und Surfbretter wachsend, sitzend sah und zwischen ihnen und mir Unterschiede bei der Prioritätensetzung konstatierte.
Für das Abendessen dieses und des nächsten Tags erwarb ich dann rasch noch einige bescheidene Dinge im nahegelegenen Supermarkt und briet jene anschließend in meiner armseligen Kombüse zu einem kargen Mahl zusammen. Armselig war auch die Schlafqualität auf der unguten Feldpritsche sowie das Frühstück am nächsten Morgen. Die Auswahl entsprach dem, was einem wohl auch in einer durchschnittlichen Haftanstalt geboten wird, mit Ausnahme des, nun ja, heiß gemachten Koffeinseichs, den man uns zumutete und den man aus humanitären Gründen wohl selbst Häftlingen ersparen würde, und ich war froh, das ganze Elend wenigstens mit meinem Nutella zukleistern zu können.
Für diesen Tag hatte ich mir einen Besuch der Fortaleza de Sagres verordnet,

vor der Festung


die auf einer dramatischen Klippe liegt,

in der Festung


die man komplett begehen kann und auf der wagemutige Petrijünger ganz am Rande des Abgrunds ihre Würmer zum Baden ins Meer halten, das ca. 100 m unter ihnen schäumt.  Es gibt da auch eine riesige Windrose aus dem 15. Jahrhundert,

gut, richtig leserlich war's nicht mehr und den Rasen timmen könnte man auch mal wieder. Aber sonst...


da dies einmal der Ort war, an dem Heinrich der Seefahrer gewirkt hat und der als Ausgangspunkt der europäischen Expansion und damit dem Beginn des modernen Europas anzusehen ist. Sehr eindrucksvoll fand ich das und verbrachte den Rest des Tages mit Herumlümmeln an der schönen Praia del Tonel und allgemeiner Nutzlosigkeit.
Am nächsten Tag ging es morgens nach der Speisung der Armen zum windumjagten Cabo de Sao Vicente,

10 Uhr morgens am südwestlichsten Punkt Europas. Die Frisur sitzt nicht.


dem südwestlichsten Punkt des europäischen Festlands. Nicht nur war das ganze in dramatische Kulisse angelegt,



es war auch eine bewegende Vorstellung, daß das hier wirklich einmal als finisterre, als Ende der Welt galt,

finis terre

 bevor da Gama nach Indien aufbrach und neue Wege fand. Ich erwarb ein Erinnerungsshirt und zwar keine
*seufz* Die Deutschen...


aber wenigstens 'ne Limo, ließ die Beene von den Klippen baumeln und die Gedanken fliegen (wie so oft auf den Schwingen der Musik). Später ging es wieder an den Strand mit dem üblichen, wohligen Taugenichts-und-Tagediebprogramm. Essen wollte ich an meinem letzten Abend in Sagres auswärts und suchte mir eine Bar direkt am Strand mit tollem Blick auf's Meer aus, wofür ich mit einer absoluten Frechheit von Essen bestraft wurde. Das, meine Damen und Herren, war der schlechteste Burger meines 29-jährigen und an Burgern nicht armen Lebens. Zwischen die Hälften zwischen ledrig und kautschukartig rangierender Brötchenimitate hatte man eine auf den Tod durchgesengte, offensichtlich durch Mikrowellen aus dem gnädigen Kälteschlaf, in den man sie vor ungekannten Zeiten versetzt hatte, gezerrte, fleischoidbröselige Anomalie gezwängt, deren hygroskopischer Trockenheit durch gnädige Zugabe irgendeiner Sauce beizukommen man sich nicht veranlasst gesehen hatte. Ein paar welke, lauwarme Zwiebeln hatte man dazugestopft und eine arme, schlaffe, blasse Tomatenscheibe, die vor Elend ihr Wasser an den Seiten des beklagenswerten Klumpens herabweinte. Vom Würzen hatte man abgesehen. Dazu reichte man, ich zählte sie, weil meine Finger dafür ausreichten, 10 Fritten in einem Näpfle von für Playmobilmännchen brauchbarer Größe. Zwischen Ungläubigkeit und Amüsiertheit über diese gastronomische Chuzpe (das muß man sich erstmal trauen) oszillierend aß ich hungershalber zumindest einige Bissen dieser Abscheulichkeit und brach dann rasch auf, da ich beabsichtigte, noch den Sonnenuntergang von den westlichen Klippen aus zu erleben. Und so geschah es:





Sagres, dachte ich am nächsten Morgen, ist schon nicht verkehrt. Feine Strände, dramatische Klippen, tolles Meer, ein paar Sehenswürdigkeiten, dabei nicht übertouristisch, durch das Surferpublikum irgendwie entspannt und sympathisch - aber gut gewohnt und gegessen habe ich hier wahrlich nicht. So fiel der Abscheid leicht und ich war begierig zu sehen, was in Carvoeiro, meiner nächsten Station weiter entlang der Algarve, östlich von Lagos, so geboten wird. Der Punto brachte mich, mit kurzem Halt in Lagos, zügig dorthin und ich stieg vor dem recht großen Hotelkomplex "Mirachoro Praia" aus, wo mir eine desinteressierte Dame mitteilte, daß mein Zimmer noch nicht so weit sei, woraufhin ich Obst kaufte und dieses in einer schattigen Nische der spektakulären Klippenlandschaft, genannt Algar Seco, in die ich hinabgekraxelt war, direkt am Meer verzehrte:

ich mach jetzt Middach


Es gibt da auch einen phantastischen Holzgehweg, direkt auf den Klippen mit phänomenaler Aussicht auf das Meer und die umgebenden Steilklippen.


 Toll. Mitten in Carvoeiro,  umringt von weißen Häusern hoch auf den Klippen, gibt es einen kleinen, feinen Sandstrand,


an den und dann in ein direkt angrenzendes Café ich mich hernach verfügte, um nach Sagres endlich wieder einen seinen Namen zurecht tragenden Kaffee, genauer: einen Galão, zu trinken und mir ein wenig die Zeit zu vertreiben. Das Hotel, das ca. 10 Fußminuten vom Strand entfernt war, war diesmal deutlich besser und komfortabler und verfügte sogar über einen eigenen sehr ordentlichen Pool, an dem es sich auf komfortablen Liegen trefflich lümmeln ließ. Das tat ich ausgiebig, ging zwischendurch noch eine Bica (so sagt der Portugiese einem Espresso) trinken und zwar in einer Bar, die man mitten in die bizarre Felsenlandschaft des Algar Seco gebaut hatte


 und besichtigte noch einen anderen Strand in der Nähe, die sehr schöne Praia do Vale Centeanes,

auch hier: der Menschenauflauf ist überschaubar.


Carvoeiro ist ein hochtouristischer Badeort und war schon Anfang Mai sehr gut besucht, zur Hochsaison wird es aus allen Nähten platzen und will man daher sicher nicht dort sein. Es gab alles, was es in diesen Orten immer gibt, z.B. zig verschiedene Restaurants, Souvenirläden, Strandbedarfhöker etc. Was soll ich sagen, viel ist in solchen Orten, die selten einen unverwechselbaren Charakter, dafür aber den Charme einer wunderschönen Küste und Meeresnähe haben, nicht zu tun und das wollte ich auch nicht, außer rum- und abhängen, lesen, gehen (lassen), liegen, schauen, denken, essen. Apropos: eines Nachmittags gelüstete es mich nach Knoppers und Zimtkeksen, also fuhr ich rasch zum nächsten Supermarkt

Aldi Nord. Was zum Teufel auch sonst?

Naheliegend: "Fliederbeer Saft" gegen den Durst.

 und erstand das Begehrte. Am Abend jenes Tags, als ich vom Essen in einer sehr löblichen Pizzaria über den Holzweg zurück ins Hotel ging, wurde ich dann sogar noch eines wunderbaren Sonnenuntergangs teilhaftig, dem ich verzückt auf einer Klippe sitzend, mit der passenden Musik im Ohr, bis ganz zuende zugesehen habe.


ich finde mich wieder mitten im Auge
um mich herum Ruinen einer Welt
die niemand mehr versteht
was hält mich hier
was hat mich je hier gehalten
zum Abschied grüßt mich aus der Ferne die letzte Sonne
ich sehne mich nach ihr so sehr
und verschlungen im Licht stürze ich ins All
Haut an Haut verschmelze ich mit ihr -- "letzte Sonne", DWEF

 Carvoeiro hat mir gefallen. Es ist die Reduktion auf das Wesentliche, sofern dieses darin besteht, sich einfach nur in bester Meeres- und Strandkulisse zu erholen. Selbiges erwartete mich dann auch in Amarçao der Pera, wo ich, nachdem ich die ca. 16 km von Carvoeiro aus dorthin gefahren war, ins lächerlich unpassend benannte „Pestana Viking Resort“ einzog. Trotz der Statue in der Lobby

von der Größe (und Ausrüstung) her wohl eher Asterix als Erik der Rote. Aber was weiß der Portugiese schon von Wikingern?

 will sich die Assoziation zu den großen, blonden Kriegern aus dem eisigen Norden, die mit ihren Drachenbooten sturmgepeitschte Meere für ihre Plünderfahrten bezwangen, so gar nicht einstellen, wenn man bei 25°C in diesem chicen, palmenumstandenen Atlantikressort eincheckt. :D Nichtsdestoweniger ließ ich auf meinem mitgebrachten Lautsprecher die passende Musik laufen, während ich mich vernehmlich mitsingend in meinem sensationellen Zimmer mit seinem 15 qm Balkon (!) mit Meerblick aus- und umzog, um mich auf der spektakulären Liegewiese des Hotels zu aalen, die bis ganz zur Spitze einer das Meer überragenden Klippe reichte:

WOA. Kann man so anbieten.

Blick vom Ende der Liegewiese. Aussicht ist vorhanden.

 Kann ja schlechter liegen, so’n Hotel und dieses war von allen auf der Reise auch das beste. Es bot ein tolles Zimmer mit Riesen-TV, Safe und noblem Bad, ein großer Spa- und Fitnessbereich war vorhanden, feine Außen- und Innenpools, Sauna etc. Und auch das Fühstück, das mir bekanntlich immer besonders wichtig ist, war das bisher beste. Ich mußte erheblich schmunzeln, als ich sah, daß sie das Restaurant, in dem das Frühstücksbuffet gereicht wurde, allen Ernstes „Valhalla“ genannt hatten. Auf einem Zettel mit Vorschlägen zur Verbesserung notierte ich, daß sie das Restaurant in „Methalle“ umbenennen, sowie Drachenboottouren zu den Grotten anbieten sollten :D Die Frühstücksauswahl war vergleichbar gut wie in Carvoeiro, aber in wesentlich gemütlicherer Umgebung mit Meerblick zu delektieren. Und sogar die Säfte waren genießbar UND es gab Nutella (sicher, um den zahllosen Deutschen aufzuwarten, die hier allzeit zu residieren scheinen), was sehr gut paßte, da mein mitgebrachtes gerade zur Neige ging. Am letzten Tag habe ich übrigens versehentlich ein Brötchen in diesem Fließbandtoaster, den sie in Portugal gerne haben (so auch in Lissabon, Carvoeiro und Sagres), in Brand gesteckt und fast das Buffet abgefackelt, weil sich das Backwerk als zu dick für den Toaster erwies und im Inneren in direkten Kontakt mit den glühenden Heizstäben kam und mit Druck an ihnen vorbeigewalkt wurde, so daß, als es am Ende des Geräts auf die Schütte fiel, die in diesen Geräten das Röstgut herunter und zurück zum Ausgang rutschen läßt, mir ein verkohlter, brennender Brötchenkomet, der eine Rauchfahne hinter sich herzog, entgegen geschossen kam :D
Was ich in Amarçao de Pera sonst so gemacht habe? Na, nix! Rumgelegen hab’ ich, an Strand

Die gesuchte Formulierung ist: "Scheiße noch eins!"

und Pool, schwimmen war ich, in Atlantik (eieiei, kalt!) und Pool, ansonsten: gelesen, geschrieben, Musik gehört, mit Daheim telefoniert, gegessen.

Ich bekam noch ein Abschiedsgeschenk von der portugiesischen Verkehrspolizei: Nachdem ich auf der Suche nach der Station des Autoverleihers zur Rückgabe meines Gefährts zunächst auf einen falschen Parkplatz gefahren war und für 20 Sekunden Parken bereits hatte 80 Cent berappen müssen, erspähte ich von einem hinter dem Ausgang dieses Parkplatz gelegenen Kreisverkehr aus das Logo des Verleihers. Ich fuhr also aus dem Kreisverkehr aus und die Einfahrt lag gleich zu meiner Linken. Leider und zugegeben von mir getrennt durch eine durchgezogene Linie. Da vor und hinter mir weit und breit kein Auto zu sehen war, bog ich ein, statt kadavergehorsam weiter geradeaus zu fahren und irgendwo zu wenden, stellte mein Auto ab und wollte gerade ausladen, als ein dicker Polizist auf einer lächerlichen weißen Vespa, an der sein Blaulichtlein auf einem albernen, federnden Stengel befestigt war, hinter mir auf den Hof fuhr. Er stieg von seinem Kinderroller, klappte des verspiegelte Visier von seinem LL-Cool-Cop-Helmchen hoch, wodurch das lächerliche Bild vom selbstgefälligen dicken Mann auf kleinem Mopped noch verschärft wurde, kam breitbeinig auf mich zu und fragte in akzentschwerem Englisch und höchst wichtigtuerisch : „Hello Sir, can I ask you a question?“ „Natürlich!“, feierte ich mein Glück, der ich die letzte Woche jede einzelne verschissene portugiesische Verkehrsregel peinlich genau eingehalten hatte, „natürlich passiert das auf dem buchstäblich letzten Meter, den ich in diesem Land gefahren bin und jetzt spielen wir auch noch das Fragespielchen…“ und sagte: „Sure!“ „Do you know, what this line stands for?“ Ich dachte: „Fiiiiiick Diiiiiich!!!“, riß mich aber hinsichtlich meines bevorstehenden Fluges zusammen und sagte: “What line? Oh, THAT line? Yes, I think, it signifies that I’m not supposed to cross it. I’m very sorry, I was in a hurry and in search for the Europcar station and it was just to the left and no cars behind or in front of me….”.  Um es kurz zu machen, Sr. Wichtig ließ sich nicht erweichen, informierte mich noch, daß ich außerdem nicht geblinkt hätte, woraufhin ich mir die Frage verkniff, ob es denn eine lebensnahe Vorstellung sei, daß man bei der Durchführung eines ohnehin illegalen Abbiegevorgangs diesen auch noch ostentativ durch Blinken anzuzeigen hätte und ob er das nicht als zusätzliche Provokation empfunden hätte. Überdies mußte ich arg an mich halten, um nicht zu grinsen, da im Rücken des albernen Schupos der junge Europcar-Dude, der mein Auto entgegennahm und das Elend mit angesehen hatte, mit Gesten und Mimik signalisierte, für was für einen aufgeblasenen Sack er dieses Bülleken hielt, der sich wohl hier gerne öfters bräsig auf die Lauer legt, um easy vor’m Middachmachen noch ein paar Touristen auszunehmen. Der Spaß kostete mich 50 €, die ich per Visa auf einem Gerät bezahlte, das er natürlich in der Kiste unter seinem kleinen Klappsattel hatte. Obrigado, puto!

Am Flughafen angekommen, viel zu früh, weil die Fahrt schnell und rasch gegangen war und ich im Gegensatz zur Station in Lissabon 0 Minuten warten mußte, um mein Auto zurückzugeben, wollte ich gerade herausfinden, wann und wo ich meinen Koffer loswerden könne, als ich sah, daß mein Flug selbstverständlich 50 Minuten Verspätung haben würde.  Ich denke, man kann spätestens jetzt amtlich feststellen, daß ich verflucht bin. Oder ich habe die vollkommen nutzlose Superkraft, fast alle (damit ich mich nicht drauf verlassen kann) Verkehrmittel, mit denen ich zu reisen trachte, zu spät kommen lassen kann.
Damit hatte ich jedenfalls 3 Stunden auf einem kleinen Provinzflughafen totzuschlagen und ich stellte fest, daß sich alle Läden, die etwas zu essen anboten, dahingehend verschworen hatten, Mondpreise für das Gebotene zu verlangen. Irgendwann begann der Check-In, ich wurde meinen Koffer los und erwarb ein sensationell überteuertes Mittagessen. Selbstverständlich wurden aus den 50 Minuten 80 und meine extrem gute Laune besserte sich natürlich noch, als ich merkte, daß ich im Kinderhorrordies zu sitzen kam. Ich war, ohne zu übertreiben, von 6 unerträglichen, uner- wie gezogenen Kackbälgern unmittelbar umgeben, die unentwegt plärrten, damit die, die gerade zu schlafen sich anschickten, weckten und auch zum Plärren anstifteten und oder rumlaufen wollten, was die erziehungsverweigernden Mütter natürlich unterstützen, indem sie mit ihnen den Gang auf und abliefen, zum Teil 7,8 Mal hintereinander, und mich dabei jedes ! einzelne ! Mal ! nicht nur mit dem dicken Arsch anrempelten, sondern auch duldeten, daß das jeweils vor ihnen torkelnde Blag mich, mein Bein, meinen Kopfhörer o.ä. angrabbelte. Ist es interessant, zu erwähnen, daß das samt und sonders Holländer waren? Es war eine dreistündige Folter! Endlich in Düsseldorf angekommen brach der Kackflughafen dieses Scheißhaufens von Stadt meinen Negativrekord, denn ich mußte über 1 Stunde auf meinen Koffer warten! Es war 22 Uhr, bis ich in den Zug steigen konnte und aus meiner Ankunft in des Freundes Armen gegen halb neun, neun war ein ferner Blütentraum geworden.

Fazit: zum Glück hatten sich alles Pech, alle Flüche und Nervereien auf diesen einen Rückreisetag konzentriert und ich werde nicht zulassen, daß dieser Scheißtag einen Schatten auf den tollen Urlaub wirft. Portugal ist ein großartiges, schönes und bereisenswertes Land, das ich ganz sicher nicht zum letzten Mal besucht habe.

Freitag, 4. Mai 2018

Lissabon - Wo man den Fado singt...

"Und fragst Du mich was Saudade
bedeutet, so sage ich Dir:
Saudade ist das, was bleibt, 
wenn alles erloschen ist."

-- Domingos Gonçalves Castro

Es ist jetzt eine Weile her, daß ich den Fado und dann meine große Zuneigung zum Fado entdeckt habe. Eine Musik, bei der zur Begleitung durch portugiesische und spanische Gitarre herzzerreißend über unglückliche Liebe, soziale Mißstände, die guten aber vergangenen oder die Sehnsucht nach besseren Zeiten gesungen wird und die die musikalische Manifestation, ja die Essenz der saudade ist, jenes nostalgischen Gefühls, etwas Geliebtes verloren zu haben, und das Unglück und die unterdrückte Gewißheit, die Sehnsucht nach dem Verlorenen niemals stillen zu können - eine Liebe, die (übrig)bleibt. Erinnerung und Tränen sind die Kennzeichen dieser urportugiesischen Version des Weltschmerzes, die nicht nur eine Lust an der Traurigkeit – Schmerzlust – beschreibt, sondern Resignation und Fatalismus mit einschließt und aus abgrundtiefer Seeleneinsamkeit kommt.
Das also ist die Seele des Fado und wie soll man das nicht lieben? Und ausgerechnet diese völlig unzeitgemäße, zutiefst melancholische Musik ist von der UNESCO zum immateriellen Weltkulturerbe ernannt worden. Ist das nicht famos? Und da Lissabon die Wiege des Fado ist und keine Stadt ihn besser verkörpert und verstehen läßt und auch noch der, dank seines "Buchs der Unruhe" von mir inzwischen sehr verehrte Fernando Pessoa dort lebte und wirkte, war klar, daß ich dahin mußte.
Und so dachte ich, wenn ich eh schön in der Nähe (also wenigstens immer noch näher, als sonst) bin, nutze ich doch die Gelegenheit. Also flog ich Anfang Mai von Hauptstadt zu Hauptstadt, um herauszufinden, warum hier der Fado erfunden wurde.

Vom Flughafen fuhr ich bei bestem Empfangswetter, sonnig, laue Brise, nicht zu warm, mit der komfortablen und günstigen Metro bis fast vor die Schwelle meiner Interimsbleibe, bei der es sich um ein kleines, in der Baixa am Rande der Alfama gut gelegenes und sichtlich betagtes Stadthotel handelte. Offenbar, so dachte ich beim Betreten meines Zimmerleins, wohl eher Kammer, ist der Portugiese, auf den man diese Behausung zugeschnitten haben mußte, rachitisch und zwergenwüchsig, da ich mich allen Ernstes seitwärts durch Tür und Miniflur zwängen mußte, um nicht anzustoßen. Für mehr als das Bett und ein Winztischchen, etwa meinen Koffer, war in der 6 qm-Zelle überdies kein Platz. Und wenn ich im Bad mein Ponem zwecks Rasuren oder sonstiger Wartungsarbeiten im Spiegel in Augenschein zu nehmen trachtete, hatte ich mich in eine wenig kommode domestikenhafte Dienerpose oder aber eine sportliche Dreiviertelkniebeuge zu begeben.


Mit der kopfinternen Aufmunterung, daß man schließlich nicht zum Wohnen, sondern zum Schauen, Hören, Erleben hier sei, warf ich unnützen Ballast ab und stürzte mich in den Lissaboner Frühabend, wo meine erste touristische Amtshandlung darin bestand, pasteis de nata zu erwerben



und diese mit wachsender Begeisterung verzehrend einher zu strawanzen und die Stadt auf mich wirken zu lassen: schön ist sie, voller Plätze mit Säulen, auf denen in kühnen Posen die Helden der Vergangenheit stehen, 



alte, würdevolle und opulente Repräsentativbauten residieren neben quietschbunten und mit den typischen Kacheln 


 gezierten Wohnhäusern. Gebraucht sieht diese Stadt aus und fühlt sie sich an, oder sagen wir “abgeliebt”, wie das liebste Paar Schuhe, das man haben kann. Die, die schon ein wenig ausgetreten sind und hie und da etwas abgeschabt, denen man ihre Geschichte ansieht, die sich aber unglaublich gemütlich und wohlig anfühlen und im rechten Licht und aus dem rechten Winkel betrachtet auch immer noch gut aussehen. So ist Lissabon, offen und freundlich, lebendig und gleichsam alt und geschichtsträchtig, wie auch jung, quirlig und voller Lebensfreude. Aber auch die saudade ist dort sofort zu fühlen. Es braucht nur einen Blick im Vorübergehen zur portugiesischen Wirtin mit dem müden, faltigen Gesicht und ihrer erschöpften Haltung, in der sie an der windschiefen, abendlichtfarbenen Wand ihrer kleinen Schenke lehnt und raucht, weil sie es drinnen nicht mehr darf und wie sie unter schweren Lidern den Blick von der Welt und den Fremden aus aller Herren Ländern, die unaufhörlich durch ihre alte Stadt strömen, genommen und nach innen gekehrt hat - und man versteht. Ich seufze tief, lasse in meinem Walkman Camané laufen und betrete die Alfama, jenes uralte und verwinkelte Gassenlabyrinth, wo ich nicht nur die seh'

Sehn'se? Die Sé.


sondern auch dem inzwischen anbrandenden Hunger mit einer Mahlzeit in einer winzigen, urigen Schenke mit einem anständigen Fleischlappen abhelfe, der mir von einem kauzig-mürrischen Greis, der sich vor allem für das in der Glotze über mir dargebotene Fußballspiel zu interessieren scheint, hingestellt wird. Im Hintergrund läuft Fado im Radio und ich bin's zufrieden.
Anschließend laufe ich noch zum Praca de Comércio, wo gerade die Vorbereitungen für die Austragung jenes grauenerregenden paneuropäischen Singsang-Wettstreits stattfanden, als deren Gastgeber Portugal sich herzugeben offenbar die bescheuerte Schnapsidee hatte.




Dennoch gefiel mir die Stimmung sehr gut, in der milden Abendsonne am breiten Fluß Tejo, über den mehrere Hängebrücken führen, zu stehen und dem heiteren Treiben hier zuzusehen.
Auf dem Rückweg ins Hotel passierte ich noch den "Rossio" genannten Praca de D. Pedro IV und fand, daß die Portugiesen Plätze können! (Hinweis an Köln: eine vielbefahrene unattraktive Straßenkreuzung einfach "xy-Platz" zu nennen, macht sie nicht zu einem Platz. An Plätzen sollen sich Leute aufhalten können, wofür man, nun, Platz benötigt. #herrjottnochens; Hinweis an Deutschland: in Lissabon gibt es einen Platz, der nach dem größten portugiesischen Dichter benannt ist, dem auch ein eigener Nationalfeiertag gewidmet ist! #reformationstagumwidmen #ehrewemehregebührt )

Der Onkel auf der Säule ist übrigens Pedro IV

Die erste Nacht verlief akzeptabel, wenn ich auch, wegen der Zeitverschiebung um 1 Stunde  und der matratzenhalber unzureichenden Bettstatt, zu absurd früher Stunde erwachte und in Verweigerungshaltung mich zum Weiterschlafen zwang. Nach dem akzeptablen aber eher einfachen und durch vorfindlichen Mangel korrekt antizipiert habenderweise aus Wien selbst mitgebrachtes Nutella deutlich aufgewertetem Frühstück gelang es mir gerade noch, an deren Starthaltestelle in einen Wagen der berühmten Linie 28E zu einer Unzahl anderer Touristen zu schlüpfen.




Gemütlich und holzruckelig jökelten wir durch die stark auf- und absteigend geneigten Straßen Lissabons und ich konnte mir einen guten Eindruck von den nicht so touristenbefallenen und eher von "normalen" Portugiesen bewohnten Bereichen verschaffen. Es war wie ein inverser Zoo, in dem nicht die Leute an einem Käfig vorbeigehen, sondern ein mobiler Käfig an den Leuten vorbeifährt und unklar bleibt, wer hier eigentlich wen beäugt. Amüsant war auch, daß ein fescher Jungportugiese, der entweder unwillens war, sich mit uns Gemeinen im Fahrzeug zu drängen oder den verlangten Fahrpreis zu entrichten und ebensowenig geneigt zu sein schien, sich frühmorgens die nicht unerehebliche Straßensteigung zuzumuten, vom Fahrer jedoch keineswegs uns Insassen unbemerkt, aufsprang, sich außen am Wägelchen festhielt und in bester Wildwestmanier die 28 bergauf surfte, nur um kurz vor der nächsten Haltestelle wieder abzuspringen. Weniger amüsant war die verdammte asiatische Touristenomma, die ihren komfortablen Fensterplatz mit bester Aussicht, derer teilhaftig zu werden ich selbst mich unkommod niederneigen mußte, nutzte, um ein exakt die gesamte Fahrt dauerndes Nickerchen zu machen:

PENNT!


Man sollte denen die Tourismuslizenz entziehen! An der Endhaltestelle "Prazeres" stieg ich aus und besuchte den "Cemitério de Prazeres". Dort lebte außer einer Bande von Friedhofskatzen niemand mehr, aber imposante Grabstätten gab es.


Und auch das ein oder andere Grab der ein oder anderen Bedeutsamkeit



Im Zentrum des Friedhofs sieht man die Grabhäuser der Gutbetuchten, in welche die Särge hineingestellt statt in Erde begraben werden. Einige waren so alt, daß die inneren Strukturen nachgegeben hatten und die Särge heruntergefallen und teilweise aufgebrochen waren, so daß man ein gelegentliches Gebein in Augenschein nehmen konnte.

hat die KVB unter dem Grab einen Tunnel gegraben?

Trotz wegen meines durch völlig augeleierte Bänder ermöglichten Hobbys "Umknicken" schmerzenden Fußes entschloss ich mich, den mehrere Kilometer langen Weg vom Friedhof zum Fado-Museum, meiner nächsten Station, zu Fuß zurückzulegen. Dies erwies sich als gute Idee, denn so sah ich nicht nur die "Assembleia da República", das portugiesische Parlament, in Lapa, vor dem gerade ulkige Uniformonkels ihr übliches Gefuchtel und Gestakse aufführten,

Parlament Portugals, mit Uniformonkels, die gerade fertig sind mit Fuchteln und Staksen


sonden ich konnte durch diese kleine Detour auch meinen Eindruck des eigentlichen Lebens auf den Straßen in Lissabon vertiefen.

typischer Lissabonner-Straßenzug

auch in Lissabon schmieren Narrenhände. Und dann auch noch auf das Fenster von "Krülland Schwimmbecken". Kann man doch nicht machen!


Schließlich kam ich wieder in der Alfama beim Fado-Museum an, das federführend bei der Kandidatur des Fados als Weltkulturerbe gewesen war. Ein schönes Museum mit einem gut gemachten Audioguide, in den man dankenswerterweise seine eigenen Kopfhörer stecken konnte, so daß man, statt sich das Ding an ein Ohr pressen zu müssen, entspannt sicher in besserer Qualität zuhören konnte. Es gab auch ein kleines Kino, in dem ein Film in Dauerschleife lief, in dem einige der Granden des Fado, Carlos de Camo, Mariza, Camané, Carminho etc. in ihrem wunderschön klingenden Portugiesisch versuchten, den Fado zu erklären und sich einig waren, daß man diese Musik nicht erklären könne sondern fühlen müsse. Ich schließe mich an, anrührend und faszinierend.

Camané: Fado ist so eine ernste Sache, so peinlich genau.

C. de Camo: Und dann passierte es plötzlich

Ein für die Geschichte des Fado sehr wichtiges Gemälde: "O Fado"


Einzige Kritik: es wurde zu wenig auf die eigentliche Musik des Fado eingegangen. Wie zeichnet er sich musikalisch aus, mit welchen Mitteln wird gearbeitet, um ihn so klingen und wirken zu lassen, welche musikalischen Einflüsse hat er, wie entwickelten sich diese? Und ich hätte mir mehr Information zur Rolle der Saudade gewünscht, mehr Erklärungsversuche, mehr Würdigung. Dennoch: es hat sich gelohnt und ich blieb lange.
Nach einigen Obsten und natürlich pasteis zu Mittag stieg ich am Praca de Comércio in eine Tram und fuhr nach dem westlichen Bélem, wo gleich mehrere Weltkurlturerbe-Stätten, das Mosteiro dos Jerónimos die Klosterkirche Santa Maria und der "Torre de Bélem", zu bestaunen sind. Letzteres tat ich dann auch, aber in erster Linie über die Schlange vor dem Kloster, die nicht nur Goin und Moin alle Ehre machte, sondern mich auch das Vorhaben verwerfen ließ, mir das Mopped von innen anzusehen. Von außen ist's schließlich auch recht imposant



und in die Kirche kam man ohne großes Anstehen und ich stand ergriffen vor den (Ehren)gräbern Camoes'

Luiz de Camoes, portugiesischer Nationaldichter (1524-1579), Schöpfer der "Lusiaden"

 und Vasco da Gamas

Vasco da Gama (1469-1524), Seefahrer und Entdecker des Seewegs nach Indiens


Wieder draußen lief ich noch zum Torre, das Padrão dos Descobrimentos sah ich dabei nur aus der Ferne


und war von dem wuchtigen, vertiablen Turm


der Torre
rechtschaffen beeindruckt:

mein beeindruckt-verwegener Gesichtsausdruck (und der Beweis:ich war da :))


Leider war es gerade 5 Uhr geworden und man teilte mir mit, daß diese arbiträre Uhrzeit als Anlaß angesehen werde, keine Touristen mehr auf den Turm zu lassen. Ungut, dies. Es verhagelte mir aber nicht die Stimmung, denn ich freute mich schon auf den Abend, der ein Fado-Konzert in einem Saal im Chiado für mich bereithalten sollte. Ich fuhr also zurück, versorgte mich mit einem galão para levar und natürlich pasteis, schlenderte bester Dinge noch ein wenig durch die angenehm warme, sonnendurchflutete Lissaboner Altstadt und kam pünktlich beim Konzertsaal an. Geboten wurde eine Stunde Fado, wie immer begleitet von portugiesischer und spanischer Gitarre und sehr gut und inbrünstig gesunden von einem Jungspund und einer Dame besten Alters. Es war natürlich wunderschön und herzergreifend:

"O Julia Florista!"

Satt und triefend voller Eindrücke trug ich mich ins Hotel, um seelisch und körperlich auszuruhen.

Gleich am Morgen nach dem Frühstück begab ich mich zum Bahnhof in der Nähe des Rossio, um nach Sintra zu fahren, wo mit dem Maurenkastell, dem Palácio Nacional de Pena und anderen Großartigkeiten eine ganze zum Weltkulturerbe gekürte Landschaft auf mich wartete. Auf mich und ca. 40.000 Touristen, die sich am Bahnhof in absurd langen Schlangen vor den Schaltern und exakt 3 (in Worten: drei) Fahrkartenautomaten drängten. NÄ!, dachte ich, ich hasse Warten mehr, als ich es lieben würde, Sintra zu sehen und sowieso wird es Mittag, bis ich hier drankomme.... Es sei denn... ich versuchte es einfach: ich hielt meine bereits am Flughafen erworbene, wieder aufladbare Metrodauerkarte vor den Scanner und, siehe da, die automatischen Pforten klappten auf, ließen mich ein und mit 0 Minuten Wartezeit ergatterte ich noch einen Platz im nächsten Zug nach Sintra, der mich und ca. 30.009 andere Touristen dort etwa 45 Minuten später auf einen kleinen Bahnsteig spie. Unfaßbar, wie voll es war!

Ham' die kein Zuhause?


Im Nachhinein aber wohl kein Wunder, denn Sintra und seine Attraktionen sind absolut großartig und aller Mühe wert! Oder, wie es J. de Castro ausdrücken würde:

‘(...) Having written most of my work in Sintra, where I have so often dreamed and worked, I would like to stay there for ever (...). I would like to be buried at the edge of one of those poetic footpaths that lead the way to the Moorish Castle (...). Being close to men, my brothers, and closer to the moon and the stars, my friends, with the green earth in front of me and the sea stretching into the distance - the sea and the earth that I have loved so much. (...)'.


-- José Maria Ferreira de Castro


Nach anfänglicher Orientiererei und einem kurzen Fußmarsch in das historische Zentrum von Sintra, in dem es sogar dem alten Nieselpriem Byron so gut gefallen hatte, daß man seinem Hiersein mit einer Bar gedenkt:

"Lo! Cintra's glorious Eden intervenes in variegated maze of mount and glen." --- Lord Byron


 entschloß ich mich, zuerst zum Maurenkastell hochzusteigen. Ein ganzes Stück also:

da ganz oben, das Mäuerchen, da muß man hoch


Und zwar schön auf Schusters Rappen und nicht mit dem Bus, wie die ganzen fußkranken, faulen Lahmen, denen obendrein die schöne Landschaft beim Wandern entging. Oben angekommen entrichtete ich den üppigen Obolus (gleich mit für den Palació, wenn ich schon da war, allerdings nur für den Garten und das Drumherum, rein wollte ich nicht - weiserweise, wie sich noch herausstellte) und verfiel sofort dem Zauber der eigens "romantisierten" Ruine aus dem Mittelalter. Moraleshörend schwelgte, kraxelte und staunte ich auf den Mauern, Stiegen und Türmen herum,




genoß immer wieder den phänomenalen Ausblick und konnte mich gar nicht sattsehen:




Beseelt und beschwingt verließ ich das Kastell und ging zum sogar noch höher liegenden Palácio hinauf und ach Du Scheiße waren da viele Touristen! Die erste Riesenschlange derer, die Eintrittsbillets begehrten konnte ich dank meiner Kombikarte umgehen, doch schon auf dem gewundenen Pfad durch einen herrlichen Garten zum eigentlichen Palazzo staute sich das Volk hunderte Meter (!) lang, um Einlaß in den bunten Bums zu erhalten:

was die wohl genommen haben, um auf die Idee hierfür gekommen zu sein?


Wie froh war ich, daß ich das nicht mußte und auch überhaupt nicht brauchte, um diesen Paradiesvogel unter den Palästen zu bewundern und mich daran zu erfreuen. Weniger erfreulich war, daß schon während ich noch den Weg hochstieg, recht rasch dichter Nebel aufgezogen war,

Turm im Nebel

so daß die erwartete Spitzenaussicht auf ca. 4 cm reduziert war und man selbst im Hof vielleicht 3 m weit sehen konnte. Dafür war der Weg auf der Brüstung in luftiger Höher in dicker Nebelsuppe um die Türme herum ein eigenes kleines Abenteuer.

Aussicht: sie Sie sehen, sehen Sie nichts.

Da wegen des Nebels und der Menschenmassen meines Bleibens nicht länger sein sollte, machte ich mich an den Abstieg nach Sintra und zwar über gewundene Pfade durch die großartige und riesige zum Palast gehörende Gartenanlage, voller kleiner Häuschen, Brunnen, Teiche, künstlicher Seen und einer ungemein vielseitigen Pflanzenwelt.





Dabei hörte ich das grandiose "Buch der Unruhe" von F. Pessoa, schwelgte in dieser wunderbaren, poetischen Sprache und seinen reichen, reichen Bildern:

Für mich ist Schreiben Selbstverachtung, aber ich komme nicht vom Schreiben los. Schreiben ist für mich wie die Droge, die ich verabscheue und doch nehme, wie das Laster, das ich verachte und von dem ich nicht lassen kann. Es gibt notwendige Gifte, und es gibt solche subtilster Art, aus Ingredienzien der Seele, Kräuter, gesammelt aus den verborgenen Trümmern unserer Träume, schwarzer Mohn, gefunden an den Gräbern unserer Absichten, lange Blätter obszöner Bäume, deren Zweige an den hallenden Ufern der Höllenflüsse unserer Seele rauschen. Schreiben, ja, das bedeutet, mich zu verlieren, aber alle verlieren sich, denn alles ist Verlust. Ich jedoch verliere mich freudlos, nicht wie der Fluß in der Mündung, für welche er unbekannt aus der Quelle entsprang, sondern wie die Lachen, welche die Flut am Strand bildet, deren versickerndes Wasser nie wieder zum Meer zurückkehrt.

-- F. Pessoa

Wirklich eine phantastische Landschaft mit tollen Attraktionen, zurecht als Weltkulturerbe eingestuft!

Oh Christ! it is a goodly sight to see
What heaven hath done for this delicious land!
What fruits of fragrance blush on every tree!
What goodly prospects o'er the hills expand!

-- Lord Byron

Überaus froh, daß ich doch hergekommen war, fuhr ich mit dem nächsten Zug zurück nach Lissabon, wo ich mir noch das Barrio Alto genauer ansehen und vielleicht ein Plätzchen für's Abendessen finden wollte. Das Barrio ist ziemlich cool und wirkt sehr gemütlich: enge, wild auf- und abgehende Gässchen mit leicht angeschangelten aber behaglich aussehenden Häusern,

es ist eben überall immer ein bißchen Köln

 zwischen denen wahlweise Wäscheleinen oder bunte Girlanden gespannt sind,


 oder auch schonmal ein Fahrrad am Balkon hängt


  unzählige Bars, Kneipen und Restaurants,

wer bei einem dicken Mann, unter dem "Farta Brutos" steht, an dasselbe dachte, wie ich, ist mir Bruder/Schwester im Geiste :D

 kleine Lädchen, Oppas, die ein Nickerchen an einem Brunnen machen

Oppa, pennend auf Brunnenrand, mit Hund auf Bauch und Arm auf Armablegekiste. Ein Stilleben.


Typen, die an Autos rumschrauben, Damen, die in winzigen Ecklädchen Aprikosen kaufen. Wenn ich ausgehen, mich mit der Absicht, Ethanolhaltiges zu konsumieren tragen und das sogenannte Nachtleben interessant finden würde, wäre das hier wahrscheinlich der Ort, an den es mich zöge. So aber freute ich mich nur, es gesehen und einen Laden gefunden zu haben, wo ich essen und dazu live gespielten Fado genießen konnte. Und so geschah es. Leider nur waren weder das Essen noch der Fado reichlich bemessen noch von das Herz höher schlagen lassender Qualität. Was will man machen? Ich hatte ohnehin bisher den Eindruck gewonnen, daß die portugiesischen Restaurants, jedenfalls die, die sich an Touristen richten bzw. viele derselben bewirten, sich nicht sonderliche Mühe geben (müssen). 

Dennoch, meine Begeisterung für Lissabon trübte das keineswegs und ich versprach dieser tollen Stadt und mir selbst feierlich, daß ich wiederkommen und noch mehr sehen und erleben würde.

Am nächsten Morgen checkte ich aus und fuhr mit der Metro nach "Parque", wo ich ganz in der Nähe mein Mietauto in Empfang nehmen wollte. Also, mit der Organisation hat's der Portugiese ja nicht so, oder? Bis auf die Straße standen die Leute bei Europcar Schlange. Weil ich reserviert hatte, durfte ich in eine kürzere Schlange, hatte aber immer noch ca. 7 Leute vor mir. Ich zog eine Nummer, nutzte den SMS-Benachrichtigungsservice, der einem eine Meldung schickt, wenn nur noch drei Leute vor einem sind und trank gegenüber einen Galao. Es dauerte und dauerte. Irgendwann wurde ich mißtrauisch, ging rüber und stellte fest, daß selbstverständlich der Dienst nicht funktioniert hatte und meine Nummer längst vorbei war. Ich machte der Einweisedame sehr deutlich, daß ich dies nicht hinzunehmen gedächte und sie sorgte dafür, daß ich sofort drankam. Nach insgesamt ca. 1,5 Stunden hatte ich endlich mein Auto, einen kleinen, weißen eher einfachen Fiat Punto, natürlich ohne das bestellte Navigationssystem und fuhr los, statt ins Ungewisse - 1000 Dank meinem Motele und Google Maps - gen Süden.
Was ich dort erlebte ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.