Donnerstag, 1. Januar 2015

Brügge, bizarre Belgier, Bier (Claudia)

Zugegeben, die Alliteration, die diesen Beitrag eröffnet, ist nicht besonders kunstvoll, aber sie faßt recht kurz zusammen, was der Liebste und ich in unseren Flittertagen erlebt haben. Sehr wenige (ich glaube, es waren zwei) Tage vor der Hochzeit faßten wir den Entschluß, nun doch nach dem Feste verreisen zu wollen und da wir Brügge schon länger als Urlaubsziel in Betracht gezogen hatten, befragten wir die einschlägigen Internetportale und fanden schließlich eine Unterkunft in dieser einstigen Handelsmetropole. Das klingt jetzt so, als sei ich vorab schon furchtbar gebildet gewesen, aber das ist natürlich nur Makulatur. Wenn es eines gibt, das den Liebsten und mich auszeichnet, dann unsere beinahe sensationelle Ignoranz, wenn es um Geschichtliches und/oder Geographisches geht.
Aber von vorne.

Die Hochzeit war für uns beide ein nahezu perfekter Tag, der aber auch viel Planung und Streß im Vorfeld erforderte. Das zehrte in höherem Maße an mir, als ich zunächst zugeben wollte. Nachdem der erste Tag nach der Feier quasi nicht-existent gewesen war, zog es uns am dritten zum Kölner Hbf, wo wir die Zugreise nach Brüssel antraten. Der ICE war nur 20 Minuten zu spät und es wurde alsbald deutlich, daß die mangelnde Kompetenz der bahnbesteigenden Hirnamöben bei der Sitzplatzsuche den Einsteigeprozeß noch deutlich verlangsamen und die Weiterfahrt so weiter verzögern würde. Natürlich stiegen dann auch die üblichen, den Ruhebereich ignorierenden kackbratzigen Laberbacken mitsamt Omma zu, die entgegen der Vermutung des Liebsten belgischer Provinienz waren und den hier üblichen Bizarrsprech von sich gaben. Um das Geschnarche der mit gut sichtbarer Uvula tief schlafenden Ommse zu übertünchen, reichten meine In-Ear-Kopfhörer alleine nicht: Vivaldi wurde alle zwei Sekunden von einem veritablen Sägewerk begleitet. Hier half nur eins: Death Metal! Damit konnte man das alles dann auch aushalten. Die Anschlußfahrt erfolgte im ramschigen „IC“, den man hierzulande bestenfalls als ausrangierten Regionalexpress auf Gnadenfahrt durchgehen lassen würde. Doch dann waren wir da: Brügge wartete mit einem stinknormalen Bahnhof und einer unspektulären Vorstadt auf, die den Liebsten schon nach drei Minuten Fußwegs dazu bewegte, sich über die mangelnde Mittelalterlichkeit des Städtchens zu beschweren. Ich aber, die sich an den Film „Brügge sehen… und sterben“ und diverse Indernedd-Fotos gut erinnern konnte, wußte, daß da noch mehr kommen mußte und suchte den Mann zu beruhigen. Allein, er wollte nicht hören. Ich hingegen hatte schon das ein oder andere ansehnliche Motiv erblickt.





Schnell erreichten wir das Hotel, das von außen nicht übermäßig pompös aussah, sich aber mit vier Sternen schmückte. Ich erwartete keine Hochglanzbude wie das zur Hochzeitsnacht vom Ehegatten spendierte Hyatt, da wir in der Vergangenheit (Bad Zwischenzahn, Adelaide, …) schon die ein oder andere Ranz-Überraschung erlebt hatten, demnach wurde ich auch nicht enttäuscht. Unser Zimmer befand sich in einem recht großen Garten in einem „Nebenhaus“, das sehr putzig gemacht war: die Erkerchen mit Fensterchen waren mit bunten Fenstergläsern versehen, innen war es hell, romantisch und gemütlich.





Viel Platz hatten wir nicht, aber wir waren ja auch nicht zum Herumlungern in Brügge. Wir legten also schnell das Gepäck ab und machten uns auf in das hurtig auf den Abend zuschreitende Brücke. Auf dem Weg ins Zentrum wurde weiter herumgemeckert, bis der Anblick des Kanals und des beginnenden Stadtkerns die Jammerungen des Gatten verstummen ließ.




Dort kamen wir auch der ersten unserer zahlreichen kulturellen Verpflichtungen nach und verspeisten genüßlich frisch hergestellte belgische Waffeln. Hierbei tat sich eine besondere Tücke auf: wir normalen Menschen, die wir flüssige Milchprodukte nicht genießen können, haben größere Zeitprobleme, wenn es darum geht, die noch heißen Waffeln mit Schlagsahne zu verspeisen. Hier ist Tempo gefragt!
Anschließend ging es weiter auf den Markt, wo ein Restweihnachtsmarkt mit hübschen Lichtinstallationen und allerlei monumentales Gehäus unserer harrten.




Ein wenig störend waren die vielen Menschen, die sich unverschämterweise auch dort aufhielten. Obwohl ich wirklich versucht habe, sie zu verscheuchen und auch Cornelius mit seiner heiteren Mimik einen aufrichtigen Beitrag dazu leistete, wollten sie nicht weichen. Wir schon, und so begannen wir mit der Erkundung des Restzentrums von Brügge und der vielen kleinen Seitenstraßen und Gäßchen.




Am Ende kehrten wir zum abendlichen Tee im Hotel ein, das diesen gratis anbot. Meine süddeutsche Seele sagt dazu natürlich nicht nein und so saßen wir da und versuchten verzweifelt, die spärlich gesäten WLAN-Funksignale in die Nähe unserer Mobiltelephone zu bekommen, um der besorgten Heimat das ein oder andere Lebenszeichen zukommen lassen zu können. Der freundliche Hinweis des Empfangsmenschen, daß es mit dem WLAN in unserem Teil des Hotels möglicherweise etwas schwierig werden könnte, war ein äußerst gut gemeinter Euphemismus dafür, daß dies das funklochgewordene Äquivalent des Mariannengrabens war. Wer an dieser Stelle übrigens denkt, daß meine Aussage zum mangelnden geographischen Wissen vorhin ein vorsichtiges Plazieren der Beleuchtung unter dem Sitzmöbel gewesen sei, dem sei versichert, daß dies die einzige Information ist, die ich aus dem von mir im Alter von sieben Jahren mit schöner Regelmäßigkeit gelesenen „Schlauen Buch“, wie wir es nannten, entnommen und bis heute behalten habe (außer derjenigen, daß Seegurken gar nicht richtig aussehen wie Gurken, was in mir Zweifel am Verstand des Schöpfers dieser Bezeichnung aufkommen ließ, aber ich schweife ab).
Wie dem auch sei, abends wollten wir ein wenig schick essen gehen und begaben uns zu diesem Zwecke in Richtung Altstadt. All unsere Vorsätze waren vergessen, als wir vor dem Flamish Stew House standen und die goldenen Fritten uns in der klirrenden Kälte verführerisch anlächelten. Nicht so verführerisch war der betont uninteressierte, dicklich-strubbelige Frittenhändler, der, während er die Bestellung aufnahm, unablässig fernsah und Fritten ingestierte (nicht ohne sie beim Sprechen, fleißig weiterkauend, dem Angesprochenen darzubieten). Geschmeckt hat es trotzdem und wir beschlossen, dieses Etablissement am folgenden Silvesterabend wieder mit unserer Anwesenheit zu beehren.
Im Hotel angekommen unterhielten wir uns, hörten Musik, sahen fern (natürlich gibt es hier nur belgische Sender) und schliefen schließlich recht früh ein.



Am nächsten Morgen begann der fünfte Tag unserer Ehe. Und dieses Jubiläum feierten wir mit einem überraschend ausgiebigen Frühstück im überraschend noblen Kaminzimmer unseres ansonsten mit einer Prise des üblichen Impro-Charmes gewürzten Hotels. So gestärkt erfolgte das Ausleben der postbrandialen Müdigkeit und schließlich der Aufbruch in die Stadt, wo wir zunächst das Morgenlicht bewunderten.

Anschließend verbrachten wir eine Stunde im schon vom Gatten ausführlich beschriebenen Historium, das fand, man könne ja mal das mittelalterliche Brügge ausschweifend loben. Auch heute war das Wetter wieder freundlich und man konnte das ein oder andere Bildchen vom Markt und den historischen Bauten machen.



Wie… wieso..?
Dort wurden sodann auch die belgischen Fritten konsumiert, womit wir ca. die Hälfte unseres kulturellen Programms bestritten hatten. Ein weiterer Punkt auf der Liste wurde im Schokoladengeschäft abgehakt, in welchem ich mir die typischen und mit Nougat gefüllten Muschel-Pralinen kaufte, die mich schon als Kind so fasziniert hatten. Nicht, weil sie gut schmecken (das taten sie auch hier nicht so richtig richtig), sondern weil sie so schön waren (und das waren sie auch hier). Nach einer kleinen Verlaufung, die eindeutig der Gatte verschuldet hatte, liefen wir auf den Rand des historischen Stadtkerns zu, um den mit Windmühlen gespickten Wall der Stadt zu erreichen. Hierbei war zu konstatieren, daß der Stadtkern in der Peripherie immer unspektulärer wird und die jenseits des Kanals liegende „Neustadt“ genau so häßlich ist wie der Rest Belgiens. Sei’s drum, die Windmühlen waren nett.




Schließlich umrundeten wir noch die halbe Stadt, um zum Minnewater-See zu kommen, der sich als nicht so wunderschön präsentierte, wie der Name es hatte vermuten lassen. Dennoch war es eine nette Abwechslung für das Auge und wir kehrten schließlich in einem „Tea Room“ ein, um nochmals Schwarztee und belgische Waffel in uns aufzunehmen.




Nach einer Tour zum architektonischen Schandfleck der Stadt

(nach längerem Überlegen erspare ich das den armen Lesern)

und ausreichendem Gejammer meinerseits wurde noch die Gratis-Teestunde im Hotel eingenommen, ehe wir uns abermals gen Stew-House aufmachten und dort fürstlich speisten (diesmal gab es den Eintopf für mich). Auf dem Heimweg wurde Starkbier gekauft, was mich nun all meiner weiteren kulturellen Pflichten enthebt. Dieses verteilte ich im Hotel großzügig auf Wand und Boden, nicht nur, um dem Raum ein sattes Bier-Aroma zu verleihen, sondern auch, um mich ob meiner Tolpatschigkeit zu ärgern.

Bolognese-Chips, Muschelpraline und Starkbier: belgisches Kulturprogramm!

Die restliche Zeit bis Mitternacht wurde sich damit totgeschlagen, Texte zu verfassen, Musik zu hören, Pushing Daisies zu schauen, zu reden und zu zeichnen. Wir haben uns gegenseitig gemalt und ich finde, die Gemälde sehen beide täuschend echt aus.

the Cloud



Um 23 Uhr verließen wir das Hotel, um das brügg’sche Silvester-Nachtleben zu erkunden. Die Straßen, die uns zum Markt führten, waren angenehm leer, da der Brüggianer bzw. der Tourist es vorzog, bis 23.59 Uhr üppige Mahlzeiten in den Gastrointestinaltrakt zu befördern. Das war aber eigentlich ganz hübsch, da man so ein paar Bildchen machen konnte.





Schließlich gelangten wir zum Markt, wo uns schon furchtbare Schundfolklore, die manche Menschen sich Musik zu nennen nicht entblöden, lautstark entgegenschallte. Die Ka(c)kophonie barg in sich das Versprechen zerfetzter Trommelfelle, sodaß es mich drängte, den Platz wieder zu verlassen. Cornelius sah sich das Spektakel noch ein paar Minuten aus der Nähe an, ehe wir an den Ort des großspurig angekündigten Feuerwerks pilgerten. Dort erwarteten uns schon gröhlende und nicht unalkoholisierte Jugendliche, die in mir den akuten Wunsch weckten, meine Fäuste in deren weit offen stehenden Schlündern zu versenken (und zwar nicht, um ein dort versehentlich hineingekrabbeltes, putziges Eichhörnchen zu retten). Mehrere hundert Leute drängten sich vor eine Bühne, von der Musik dröhnte. Ich nahm an, eine Stadt wie Brügge würde sich silvesterhalber eine Live-Band gönnen, doch ich irrte mich. Je mehr wir uns der Bühne näherten, desto mehr wurde ich mir dessen gewahr, wie das großartige brügg’sche Silvesterunterhaltungsprogramm, wessentwegen eigens eine riesige Bühne mit eindrucksvoller Soundanlage aufgebaut worden war, tatsächlich aussah: ein dicklicher Stadtbeamter mit Beamtenschnauzer und Beamtenbrille machte schwitzend und atemsparend tanzend ein paar Ansagen, ehe der nächste Song anlief. Um ihn scharten sich ca. 20 andere völlig beliebige Menschen mit vernachlässigbarer Tanz- oder Unterhaltungsbegabung und bewegten bräsig die voluminösen Körper hin und her. Ähnliches hatte man befürchtet, aber sich nicht zu erwarten getraut. Unten tanzte der Pöbel den Whity-white-girl-Tanz und eine gewisse Cloud kämpfte mit den Pimpernellen. Nachdem ich den armen Ehegatten mit meinen Jammereien überhäuft hatte, stellten wir uns etwas abseits und warteten auf den Jahreswechsel. Der Belgier läutete ihn eine satte Minute zu spät ein. Was soll’s, dachten wir uns, wir haben ja Urlaub! und verschoben den Jahresbeginn um 60 lässige Sekunden nach hinten, um dann das große Feuerwerk zu betrachten. Der gemeine Brüggianer kauft sich keine Silvesterböller und lässt die Stadtverwaltung diese Arbeit tun. Dieser gelang das eher nicht: als es soweit war, stiegen ein paar traurige Raketen gen Himmel, waren aber vom Veranstaltungsort aus nicht einmal richtig zu sehen, weil das große (und potthässliche) „Konzertgebäude“ die Sicht versperrte. Nach fünf Minuten verzogen wir uns mit 40 Wunderkerzen in zwielichtige Seitengäßchen und hatten pyromanischen Spaß.

gute Laune beim Brügger Unterhaltungsprogramm

Woohoooo! Silvesterspaß
 
Der Mann hat noch mehr Wunderkerzenspaß

Und so waren wir, nach einer kurzen Verlaufung, bereits um halb eins im Hotel, verschickten ein paar Neujahrsgrüße und schliefen bald ein.
Am nächsten Tag klingelte um halb neun der Wecker und erinnerte uns daran, das köstliche Frühstück nochmals zu uns zu nehmen, was wir natürlich auch prompt taten. Der Rest der Reise war nicht glamourös: wir saßen im Teezimmer, redeten, liefen anschließend noch ein wenig herum und schafften es dann rechtzeitig zum Bahnhof, um eine verspätungs- und zwischenfallfreie Zugfahrt anzutreten.

Was ist nun also zu halten von diesem Brügge? Ich hatte es mir ein wenig wunderschöner vorgestellt, muß ich sagen. Das mag aber auch an der Jahreszeit gelegen haben: die Bäume waren kaum mehr als düstere, traurige Skelette, die fast schon hämisch mit Glitzerlichterketten behängt wurden. Die Stadt war überladen mit diversen Weihnachtsmärkten und viel Weihnachtsdekoration und hat so womöglich deren „urtümliche“ Schönheit maskiert, zumal ich die Schnauze auch schon ein wenig voll hatte vom Weihnachtstrubel. Dennoch wurde uns klar, daß Brügge viel Potential hat: weder die Jahreszeit noch die Dekoration vermochten davon abzulenken, daß man dort eine entzückende Altstadt, viele imposante, viele urige, viele „heimelige“ Gebäude findet, daß einige Monumente die „Skyline“ schmücken, daß dort ein ganz eigener Charme herrscht und daß die Altstadt eine kleine Enklave, ein Refugium ist, in welchem man dem 21. Jahrhundert für ein paar Stunden oder Tage entfliehen kann. Allerdings sind die Attraktionen schnell abgefrühstückt und wer keine Freude an Redundanz, ausufernden Museumstouren oder etwa 237 Kunstgalerien, Spitzen-, Schokoladen- und Waffelgeschäften hat, wird nicht länger als die von uns wahrgenommenen 2,5 Tage dort verharren wollen. Insofern war die Reisedauer gut gewählt und der Kurztrip als Post-Hochzeits-Entspannung äußerst gut geeignet. Vielleicht würde es mich reizen, einmal wieder zu kommen: im Frühjahr oder Frühsommer, wenn alles grünt und nicht weihnachtlich glitzert. Schgucke.

Brügge sehen. Und….? (Corn)

So eine Hochzeit ist ja schon irgendwie aufwendig, erst recht Ende des Jahres direkt nach Weihnachten. Und dann würde man ja zum flittern gerne auch noch verreisen, am besten wat weiter wech, wo’s schön ist. Dies allerdings in aller gebotenen Detailtiefe und mit nur diffusen Vorstellungen vom letztlich zur Verfügung stehenden Budget zusätzlich zu allem anderen zu planen, überforderte uns, so daß wir, um wenigstens doch mal aus der Bude zu kommen, die eigentlichen Flitterwochen ins nächste Jahr verschoben und einen Kurztrip über Sylvester nach Brügge buchten.

Wie es unsere charmant-geographieignorante Art ist, kam alles, was wir über dies, wie wir dachten, ulkige Mittelalter-Dörfchen in Belgien wußten, ausgerechnet aus einem US-amerikanischen Spielfilm, worin es zwar überaus pittoresk und malerisch aber auch nahezu sterbetauglich provinziell dargestellt wurde. Auf Nachfrage wurde uns aber auch von Brügge besucht habenden Freunden und Bekannten davon vorgeschwärmt und die Einnahme von dort feilgebotenen Fritten und Waffeln so eindringlich ans Herz gelegt, daß wir am 30.12. zuversichtlich und selbstverständlich mit ca. 20 Minuten Verspätung den ICE nach Brüssel bestiegen. Wir hatten in weiser Antizipation eines postheiratlichen Erschöpfungszustandes Plätze im Ruhebereich reserviert. Die gut sichtbaren „Pssst!“-Piktogramme hielten jedoch einige osteuropäische Mitreisende, die etwa 15 rempelnde, armerudernde und Rucksäcke-in-Gesichter-schwenkende Minuten brauchten, um ihre Plätze einzunehmen, keineswegs von ausschweifendem Palaver ab und gerade als man sich auf gemeinsames und wenigstens stilles Aus-dem-Fenster-Stieren geeinigt hatte, war die Omma hinter ihnen in einen Tiefschlaf gefallen, der ihr den schlaffen Mund aufklaffen ließ und ein derartig brachiales Schnarchinferno entfesselte, daß auf den Gesichtern der Mitreisenden allenthalben genervtes Amusement kenntlich wurde.
In Brüssel verpaßten wir – natürlich – unseren Anschlußzug, gammelten bis zur nächsten Möglichkeit am dortigen Bahnhof ab und gelangten endlich mittels IC nach „Brügge Centraal“.

Das ****-Hotel Montanus war von dort zu Fuß schnell erreicht. Unser Zimmer lag in einem freundlichen Nebengebäude inmitten eines hübschen Gärtchens

das Gartenhaus, vom Haupthaus aus gesehen

und ließ erkennen, daß 4* in Belgien zwar nicht 4* in Deutschland entsprechen, war aber komfortabel genug („Landeskategorie“ halt).

the Cloud chillaxt

Wir legten nur kurz ab und liefen sofort los, um Brügge zu erkunden und es war… voll. Voll bis zum Anschlag mit Touristen, so daß wir vermuteten, uns in der Schnittmenge noch nicht abgeflauten Weihnachtstourismus (schließlich waren die Weihnachtsmärkte noch voll in Betrieb) und bereits anflauenden (?) Sylvestertourismus zu befinden.



Im angeblich besten Haus am Platze für belgische Waffeln



kehrten wir gerade noch rechtzeitig ein, um die allerletzten Exemplare des Tages abzugreifen und sie mit Schoko bzw. Sahne bedeckt zu vertilgen.



Beim anschließenden Lustwandeln führte sich uns Brügge noch im schönsten Abendlicht vor.




Nach kurzer Teeinnahme im Hotel (weil die sogenannten „Tea Rooms“ in Belgien zur klassischen Tea-Time um 17 Uhr natürlich bereits alle geschlossen hatten), kehrten wir am Abend auf Empfehlung von Katieklysm ins „Flamish Stew House“ ein



um dort „Stoofvlees“ = Stew (ich) bzw. Monsterburger (the Cloud) zu verzehren.

Anschließend erwarben wir im „Carrefour“ vor Ort noch ein paar belgische Spezereien zum Naschen, darunter diese Chips mit der Geschmacksrichtung „saure Gurken“.

Pickles = saure Gurken

Auf dem Rückweg zum Hotel zu noch durchaus früher Stunde suchten wir nach Scharnieren an den Bürgersteigen, denn diese scheinen hier gegen 18 Uhr entschlossen hochgeklappt zu werden. Ob Brügge ein Nachtleben hat, entzieht sich unserer Kenntnis, scheint aber angesichts wirklich ausgestorben wirkender Straßen unwahrscheinlich.

Nach entspanntem Abend und ruhiger Nacht begann der Sylvestertag in Brügge für uns mit einem recht guten Frühstück in einem überaus ansprechend gestalteten Frühstücksraum direkt neben einem kleinen Feuerchen. Es gab eine „breakfast lady“ fernostasiatischer Provenienz, die einem auf Verlangen Eier und/oder Pannenkoeken (rührte und) briet und es hatte sogar einen Schokobrunnen, daneben Marschmallows zum Tunken. Es stand dort übrigens auch eine Schale saurer Gurken! Der Belgier scheint schwere Probleme zu haben.

Nach dem Frühstück brachen wir erneut zur Erkundung auf. Zu unserer Enttäuschung hatten wir zuvor erfahren, daß das „Fritten-Museum“ (sic) ausgerechnet am 31.12. nicht geöffnet habe. Wir hätten zu gerne gesehen, was zum Teufel der Belgier sich dabei gedacht hat und gingen statt dessen durch hübsch morgenlichtgetränke Straßen


ins „Historium“. Dieses ist ein didaktisch sehr interessant gestaltetes Museum zur Geschichte Brügges, gelegen im ehemaligen Wasserhaus am „Groten Markt“, in dessen ersten Teil man eine audiogeführte Fußtour durch einen Parcour macht, auf dem anhand eines auf Bildschirmen laufenden Mini-Spielfilms das mittelalterliche Brügge vorgeführt und für fast alle Sinne wahrnehmbar gemacht wird: man sieht (bewegte) Bilder, hört typische Geräusche und Klänge, kann Holz, Seile und Klingen berühren, riecht das Terpentin des Malermeisters


und die Salbeiseife im Badehaus. Im zweiten Teil geht es eher klassisch zu: man wandelt zwischen Exponaten und hört sich passende Audiokomentare dazu an.



Das ganze war nicht sehr profund, dafür aber ansprechend und unterhaltsam und zum Schluß erhielt man einen Ausblick von der Balustrade über den Marktplatz:


Dann war auch schon Mittag und einer weiteren Empfehlung folgend taten wir, wie der Belgier tut und holten uns eine „Grote Frieten“ mit Mayo


an einem der beiden Stände vor dem großen Turm am Markt und verzehrten sie andächtig im Schatten des Turmes, ihm  zugrüßend

Fritte zum Gruße, turmiger Freund!

Gesättigt bzw. –fettigt machten wir uns auf zum Brügges historischen Stadtkern umgebenden Wall, auf dem insgesamt vier Windmühlen thronen.



Dem Wall folgend umrundeten wir Brügges Zentrum dann etwa zur Hälfte, bis zum Katelijnepoort, wo wir in den Minnewater Park einbogen. Dort befindet sich der berühmte Liebessee:

Sea of Love

Kleiner Scherz, das war er noch nicht. Das hier isser:



An jenem Seechen steht auch das von mir zu beziehende Anwesen, in dem ich im Rentenalter dereinst zu residieren gedenke.



Inzwischen war es Nachmittag und Zeit für einen Tee geworden, den wir in einem „Tea-Room“ namens „One“ einnehmen wollten, diesen wir aber nicht fanden. Auf dem Weg zu einer Ersatzteeschwemme photographierte ich noch ein weiteres Typikum von Brügge:

eines der unzähligen Fuhrwerke, mit denen Touristen von abgeranzten Schindmähren über das Kopfsteinpflaster gerüttelt werden

Wegen des großen Erfolgs vom Vortag gab es zum Tee auch heuer wieder belgische Waffeln:



In der Nähe befand sich auch einen Beginenkloster

s'up y'all?

in dessen Innenhof es Claudia, von fehlenden Attraktionen und Augenzückerchen unterwältigt, an angemessener Andacht und Ehrerbietung erheblich mangeln ließ



Eigentlich reichte es uns danach und wir begehrten Pause und Vollbad, wollten aber doch noch schnell die für die Inaugenscheinnahme des nächtlichen Jahreswechselfeuerwerks anempfohlene Lokation, den Platz „T’ Zand“ neben dem „Concertgebouw“, auskundschaften, um zu wissen, wo wir nachher hin müßten.
Auf dem Rückweg zum Hotel fiel uns, als wir an der O.L.Vrouwen-Kirche vorbeikamen, auf, daß wir noch keinen der hiesigen und teils nicht unimposanten Betbümse von innen bestaunt hatten. Wir also rein und was war: Baustelle im Hauptschiff und Sichtschutz aus weißen Spanplatten:


Gefallen hat mir aber das Selbstvertrauen, mit dem eine brüggesche Betgemeinde dem Kirchenbesucher anbietet, seine Wünsche ans Universum  auf einen Zettel zu schreiben, damit jene sie dann dem Allerhöchsten nicht antragen, andienen, vorschlagen, weiterreichen, nein befehlen könne 



Erheitert und beschwingt erreichten wir (hotel)heimische Gefilde, pausierten, badeten, nahmen einen Spätnachmittagstee ein und brachen schließlich zum Abendessen auf, welches wir mangels anderer Gelegenheit (wir hatten nirgends reserviert und es war ja Sylvester) erneut im Stew House zu uns nahmen (the Cloud diesmal Stew, ich diesmal Fish&Chips) und währenddessen unsere in die Kategorien Arbeit, Freunde, Beziehung & Familie, Freizeit und Gesundheit unterteilten Jahresbilanzen zogen und zum Schluß kamen, daß 2014 insgesamt mit positiver Bilanz aufwarten könne.

Zurück im Hotel vertrieben wir uns die Zeit bis es schließlich selbige wurde, zum t’Zant aufzubrechen, um dort des Feuerwerks teilhaftig zu werden. Auf dem Weg dorthin erschien uns Brügge so ausgestorben wie am Abend zuvor. Aber auch schön und geheimnisvoll.















Wo waren bloß all die vielen Leute? Auf dem t’Zant, wie sich herausstellte. Und zwar alle. Sie hatten sich dort vor einer kleinen Bühne versammelt, auf der ein dicker Mann mit Schnauzer, Brille und Winterjacke „Stimmung machte“, indem er zusammen mit einer Band abwechselnd Charthits der 80er und 90er Jahre coverte und flämische Schlager spielte. Uns kam es trashig und schmerzhaft provinziell vor, die Belgier hingegen waren’s sichtlich und hörbar zufrieden.
Hie und da wurde bereits – wie immer – vor Mitternacht geböllert. Von Touristen natürlich, den dem Belgier ist der Ankauf von Feuerwerk zur Privatknallerei nicht erlaubt. So erklärte sich die trotz tausender Versammelter überaus zurückhaltende Polizeipräsenz. Gut gelaunt wurden schließlich die letzten Sekunden von 2014 ausgezählt und während Gattin und ich uns in die Arme fielen und ein frohes neues Jahr wünschten, wurde über unseren Köpfen auf dem Dach des Concertgebouw das staatl. zertifizierte Offizial-Feuerwerk gezündet


Wir verließen die feierfreudige Stätte sehr bald und Wunderkerzen abbrennend gingen wir froh in kalter Winternacht durch einsame Straßen zurück zum Hotel. Neujahrsmorgen begann mit einem wieder sehr guten Frühstück und der Rest des Tages stand im Zeichen der Rückreise.

Brügge hat uns gut gefallen aber nicht überwältigt. Schön ist es dort fast überall, trotz der Horden von Touristen, viel Imposantes und manch Romantisches erfreut den Besucher und im inneren Stadtkern, mit seinem Kopfsteinpflaster, den verwinkelten Gassen und Gäßchen, den geduckten Hutzelhäuschen, Erkern und Prunkbauten, windschiefen Türmchen, verwitterten Mauern und alten Brücken über den Reien wirkt Brügge ein wenig wie aus der heutigen in eine bessere Zeit gehoben. Ja, Brügge ist charmant, der Nachdruck und Stolz jedoch, mit dem es darauf zu bestehen und noch immer am verblichenen Glanz vergangener Epochen zu hängen scheint, tut diesem Charme einen Abbruch. Auch das piefige, allzugutbürgerliche, bräsige Katholische dort stört etwas und macht die Stadt kleiner und enger, als sie sein müßte und es täte dem Stadtbild besser, würde der Autoverkehr in der Innenstadt eingeschränkt und verschwänden wenigstens ein paar der unendlich vielen immer gleichen Ramsch/Grabbel/Billig-Souvenirläden.
Wir haben die Flittertage in Brügge genossen, sind aber überzeugt, alles Wesentliche gesehen zu haben, das es zu bieten hat und werden es wohl in Zukunft den (anderen) Touristen überlassen.

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Trivia:
-          „Flämisch“ ist eine sehr, sehr merkwürdige Sprache

was wohl Limousin heißt?

Totale Uitverkoop, Tot-75%, wegens Verbouwingen. Ja nee, is klar.

s'besser!
 
 -          Wir haben die Wohnadresse von Sherlokje van Hollemes gefunden


 -          die Belgier haben sehr sonderbare Geschäfte: Unterbuchse, Stiefel, Wolf


- in Brügge war im 15. Jhdt der alte Meister Corn van Ecyk tätig

Selbstportrait