Zugegeben, die Alliteration, die diesen Beitrag eröffnet,
ist nicht besonders kunstvoll, aber sie faßt recht kurz zusammen, was der
Liebste und ich in unseren Flittertagen erlebt haben. Sehr wenige (ich glaube,
es waren zwei) Tage vor der Hochzeit faßten wir den Entschluß, nun doch nach
dem Feste verreisen zu wollen und da wir Brügge schon länger als Urlaubsziel in
Betracht gezogen hatten, befragten wir die einschlägigen Internetportale und
fanden schließlich eine Unterkunft in dieser einstigen Handelsmetropole. Das
klingt jetzt so, als sei ich vorab schon furchtbar gebildet gewesen, aber das
ist natürlich nur Makulatur. Wenn es eines gibt, das den Liebsten und mich
auszeichnet, dann unsere beinahe sensationelle Ignoranz, wenn es um
Geschichtliches und/oder Geographisches geht.
Aber von vorne.
Die Hochzeit war für uns beide ein nahezu perfekter Tag, der
aber auch viel Planung und Streß im Vorfeld erforderte. Das zehrte in höherem
Maße an mir, als ich zunächst zugeben wollte. Nachdem der erste Tag nach der
Feier quasi nicht-existent gewesen war, zog es uns am dritten zum Kölner Hbf,
wo wir die Zugreise nach Brüssel antraten. Der ICE war nur 20 Minuten zu spät
und es wurde alsbald deutlich, daß die mangelnde Kompetenz der bahnbesteigenden
Hirnamöben bei der Sitzplatzsuche den Einsteigeprozeß noch deutlich
verlangsamen und die Weiterfahrt so weiter verzögern würde. Natürlich stiegen
dann auch die üblichen, den Ruhebereich ignorierenden kackbratzigen Laberbacken
mitsamt Omma zu, die entgegen der Vermutung des Liebsten belgischer Provinienz
waren und den hier üblichen Bizarrsprech von sich gaben. Um das Geschnarche der
mit gut sichtbarer Uvula tief schlafenden Ommse zu übertünchen, reichten meine
In-Ear-Kopfhörer alleine nicht: Vivaldi wurde alle zwei Sekunden von einem
veritablen Sägewerk begleitet. Hier half nur eins: Death Metal! Damit konnte
man das alles dann auch aushalten. Die Anschlußfahrt erfolgte im ramschigen
„IC“, den man hierzulande bestenfalls als ausrangierten Regionalexpress auf
Gnadenfahrt durchgehen lassen würde. Doch dann waren wir da: Brügge wartete mit
einem stinknormalen Bahnhof und einer unspektulären Vorstadt auf, die den
Liebsten schon nach drei Minuten Fußwegs dazu bewegte, sich über die mangelnde
Mittelalterlichkeit des Städtchens zu beschweren. Ich aber, die sich an den
Film „Brügge sehen… und sterben“ und diverse Indernedd-Fotos gut erinnern
konnte, wußte, daß da noch mehr kommen mußte und suchte den Mann zu beruhigen.
Allein, er wollte nicht hören. Ich hingegen hatte schon das ein oder andere
ansehnliche Motiv erblickt.
Schnell erreichten wir das Hotel, das von außen nicht
übermäßig pompös aussah, sich aber mit vier Sternen schmückte. Ich erwartete
keine Hochglanzbude wie das zur Hochzeitsnacht vom Ehegatten spendierte Hyatt,
da wir in der Vergangenheit (Bad Zwischenzahn, Adelaide, …) schon die ein oder
andere Ranz-Überraschung erlebt hatten, demnach wurde ich auch nicht
enttäuscht. Unser Zimmer befand sich in einem recht großen Garten in einem
„Nebenhaus“, das sehr putzig gemacht war: die Erkerchen mit Fensterchen waren
mit bunten Fenstergläsern versehen, innen war es hell, romantisch und
gemütlich.
Viel Platz hatten wir nicht, aber wir waren ja auch nicht
zum Herumlungern in Brügge. Wir legten also schnell das Gepäck ab und machten
uns auf in das hurtig auf den Abend zuschreitende Brücke. Auf dem Weg ins
Zentrum wurde weiter herumgemeckert, bis der Anblick des Kanals und des
beginnenden Stadtkerns die Jammerungen des Gatten verstummen ließ.
Dort kamen wir auch der ersten unserer zahlreichen
kulturellen Verpflichtungen nach und verspeisten genüßlich frisch hergestellte
belgische Waffeln. Hierbei tat sich eine besondere Tücke auf: wir normalen
Menschen, die wir flüssige Milchprodukte nicht genießen können, haben größere
Zeitprobleme, wenn es darum geht, die noch heißen Waffeln mit Schlagsahne zu
verspeisen. Hier ist Tempo gefragt!
Anschließend ging es weiter auf den Markt, wo ein
Restweihnachtsmarkt mit hübschen Lichtinstallationen und allerlei monumentales
Gehäus unserer harrten.
Ein wenig störend waren die vielen Menschen, die sich
unverschämterweise auch dort aufhielten. Obwohl ich wirklich versucht habe, sie
zu verscheuchen und auch Cornelius mit seiner heiteren Mimik einen aufrichtigen
Beitrag dazu leistete, wollten sie nicht weichen. Wir schon, und so begannen
wir mit der Erkundung des Restzentrums von Brügge und der vielen kleinen
Seitenstraßen und Gäßchen.
Am Ende kehrten wir zum abendlichen Tee im Hotel ein, das
diesen gratis anbot. Meine süddeutsche Seele sagt dazu natürlich nicht nein und
so saßen wir da und versuchten verzweifelt, die spärlich gesäten
WLAN-Funksignale in die Nähe unserer Mobiltelephone zu bekommen, um der
besorgten Heimat das ein oder andere Lebenszeichen zukommen lassen zu können.
Der freundliche Hinweis des Empfangsmenschen, daß es mit dem WLAN in unserem
Teil des Hotels möglicherweise etwas schwierig werden könnte, war ein äußerst
gut gemeinter Euphemismus dafür, daß dies das funklochgewordene Äquivalent des
Mariannengrabens war. Wer an dieser Stelle übrigens denkt, daß meine Aussage
zum mangelnden geographischen Wissen vorhin ein vorsichtiges Plazieren der
Beleuchtung unter dem Sitzmöbel gewesen sei, dem sei versichert, daß dies die
einzige Information ist, die ich aus dem von mir im Alter von sieben Jahren mit
schöner Regelmäßigkeit gelesenen „Schlauen Buch“, wie wir es nannten, entnommen
und bis heute behalten habe (außer derjenigen, daß Seegurken gar nicht richtig
aussehen wie Gurken, was in mir Zweifel am Verstand des Schöpfers dieser
Bezeichnung aufkommen ließ, aber ich schweife ab).
Wie dem auch sei, abends wollten wir ein wenig schick essen
gehen und begaben uns zu diesem Zwecke in Richtung Altstadt. All unsere
Vorsätze waren vergessen, als wir vor dem Flamish Stew House standen und die
goldenen Fritten uns in der klirrenden Kälte verführerisch anlächelten. Nicht
so verführerisch war der betont uninteressierte, dicklich-strubbelige
Frittenhändler, der, während er die Bestellung aufnahm, unablässig fernsah und
Fritten ingestierte (nicht ohne sie beim Sprechen, fleißig weiterkauend, dem
Angesprochenen darzubieten). Geschmeckt hat es trotzdem und wir beschlossen, dieses
Etablissement am folgenden Silvesterabend wieder mit unserer Anwesenheit zu
beehren.
Im Hotel angekommen unterhielten wir uns, hörten Musik,
sahen fern (natürlich gibt es hier nur belgische Sender) und schliefen
schließlich recht früh ein.
Am nächsten Morgen begann der fünfte Tag unserer Ehe. Und
dieses Jubiläum feierten wir mit einem überraschend ausgiebigen Frühstück im
überraschend noblen Kaminzimmer unseres ansonsten mit einer Prise des üblichen
Impro-Charmes gewürzten Hotels. So gestärkt erfolgte das Ausleben der
postbrandialen Müdigkeit und schließlich der Aufbruch in die Stadt, wo wir
zunächst das Morgenlicht bewunderten.
Anschließend verbrachten wir eine Stunde im schon vom Gatten
ausführlich beschriebenen Historium, das fand, man könne ja mal das
mittelalterliche Brügge ausschweifend loben. Auch heute war das Wetter wieder freundlich
und man konnte das ein oder andere Bildchen vom Markt und den historischen
Bauten machen.
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Wie… wieso..? |
Dort wurden sodann auch die belgischen Fritten konsumiert,
womit wir ca. die Hälfte unseres kulturellen Programms bestritten hatten. Ein
weiterer Punkt auf der Liste wurde im Schokoladengeschäft abgehakt, in welchem
ich mir die typischen und mit Nougat gefüllten Muschel-Pralinen kaufte, die
mich schon als Kind so fasziniert hatten. Nicht, weil sie gut schmecken (das
taten sie auch hier nicht so richtig richtig), sondern weil sie so schön waren
(und das waren sie auch hier). Nach einer kleinen Verlaufung, die eindeutig der
Gatte verschuldet hatte, liefen wir auf den Rand des historischen Stadtkerns
zu, um den mit Windmühlen gespickten Wall der Stadt zu erreichen. Hierbei war
zu konstatieren, daß der Stadtkern in der Peripherie immer unspektulärer wird
und die jenseits des Kanals liegende „Neustadt“ genau so häßlich ist wie der
Rest Belgiens. Sei’s drum, die Windmühlen waren nett.
Schließlich umrundeten wir noch die halbe Stadt, um zum
Minnewater-See zu kommen, der sich als nicht so wunderschön präsentierte, wie
der Name es hatte vermuten lassen. Dennoch war es eine nette Abwechslung für
das Auge und wir kehrten schließlich in einem „Tea Room“ ein, um nochmals
Schwarztee und belgische Waffel in uns aufzunehmen.
Nach einer Tour zum architektonischen Schandfleck der Stadt
(nach längerem Überlegen erspare ich das den armen Lesern)
und ausreichendem Gejammer meinerseits wurde noch die
Gratis-Teestunde im Hotel eingenommen, ehe wir uns abermals gen Stew-House
aufmachten und dort fürstlich speisten (diesmal gab es den Eintopf für mich).
Auf dem Heimweg wurde Starkbier gekauft, was mich nun all meiner weiteren
kulturellen Pflichten enthebt. Dieses verteilte ich im Hotel großzügig auf Wand
und Boden, nicht nur, um dem Raum ein sattes Bier-Aroma zu verleihen, sondern
auch, um mich ob meiner Tolpatschigkeit zu ärgern.
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Bolognese-Chips, Muschelpraline und Starkbier: belgisches Kulturprogramm! |
Die restliche Zeit bis Mitternacht wurde sich damit
totgeschlagen, Texte zu verfassen, Musik zu hören, Pushing Daisies zu schauen,
zu reden und zu zeichnen. Wir haben uns gegenseitig gemalt und ich finde, die
Gemälde sehen beide täuschend echt aus.
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the Cloud |
Um 23 Uhr verließen wir das Hotel, um das brügg’sche
Silvester-Nachtleben zu erkunden. Die Straßen, die uns zum Markt führten, waren
angenehm leer, da der Brüggianer bzw. der Tourist es vorzog, bis 23.59 Uhr
üppige Mahlzeiten in den Gastrointestinaltrakt zu befördern. Das war aber
eigentlich ganz hübsch, da man so ein paar Bildchen machen konnte.
Schließlich gelangten wir zum Markt, wo uns schon furchtbare
Schundfolklore, die manche Menschen sich Musik zu nennen nicht entblöden,
lautstark entgegenschallte. Die Ka(c)kophonie barg in sich das Versprechen
zerfetzter Trommelfelle, sodaß es mich drängte, den Platz wieder zu verlassen.
Cornelius sah sich das Spektakel noch ein paar Minuten aus der Nähe an, ehe wir
an den Ort des großspurig angekündigten Feuerwerks pilgerten. Dort erwarteten
uns schon gröhlende und nicht unalkoholisierte Jugendliche, die in mir den
akuten Wunsch weckten, meine Fäuste in deren weit offen stehenden Schlündern zu
versenken (und zwar nicht, um ein dort versehentlich hineingekrabbeltes,
putziges Eichhörnchen zu retten). Mehrere hundert Leute drängten sich vor eine
Bühne, von der Musik dröhnte. Ich nahm an, eine Stadt wie Brügge würde sich
silvesterhalber eine Live-Band gönnen, doch ich irrte mich. Je mehr wir uns der
Bühne näherten, desto mehr wurde ich mir dessen gewahr, wie das großartige
brügg’sche Silvesterunterhaltungsprogramm, wessentwegen eigens eine riesige
Bühne mit eindrucksvoller Soundanlage aufgebaut worden war, tatsächlich aussah:
ein dicklicher Stadtbeamter mit Beamtenschnauzer und Beamtenbrille machte
schwitzend und atemsparend tanzend ein paar Ansagen, ehe der nächste Song anlief.
Um ihn scharten sich ca. 20 andere völlig beliebige Menschen mit
vernachlässigbarer Tanz- oder Unterhaltungsbegabung und bewegten bräsig die
voluminösen Körper hin und her. Ähnliches hatte man befürchtet, aber sich nicht
zu erwarten getraut. Unten tanzte der Pöbel den Whity-white-girl-Tanz und eine
gewisse Cloud kämpfte mit den Pimpernellen. Nachdem ich den armen Ehegatten mit
meinen Jammereien überhäuft hatte, stellten wir uns etwas abseits und warteten
auf den Jahreswechsel. Der Belgier läutete ihn eine satte Minute zu spät ein.
Was soll’s, dachten wir uns, wir haben ja Urlaub! und verschoben den
Jahresbeginn um 60 lässige Sekunden nach hinten, um dann das große Feuerwerk zu
betrachten. Der gemeine Brüggianer kauft sich keine Silvesterböller und lässt die
Stadtverwaltung diese Arbeit tun. Dieser gelang das eher nicht: als es soweit
war, stiegen ein paar traurige Raketen gen Himmel, waren aber vom
Veranstaltungsort aus nicht einmal richtig zu sehen, weil das große (und
potthässliche) „Konzertgebäude“ die Sicht versperrte. Nach fünf Minuten
verzogen wir uns mit 40 Wunderkerzen in zwielichtige Seitengäßchen und hatten
pyromanischen Spaß.
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gute Laune beim Brügger Unterhaltungsprogramm |
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Woohoooo! Silvesterspaß |
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Der Mann hat noch mehr Wunderkerzenspaß |
Und so waren wir, nach einer kurzen Verlaufung, bereits um halb
eins im Hotel, verschickten ein paar Neujahrsgrüße und schliefen bald ein.
Am nächsten Tag klingelte um halb neun der Wecker und
erinnerte uns daran, das köstliche Frühstück nochmals zu uns zu nehmen, was wir
natürlich auch prompt taten. Der Rest der Reise war nicht glamourös: wir saßen
im Teezimmer, redeten, liefen anschließend noch ein wenig herum und schafften
es dann rechtzeitig zum Bahnhof, um eine verspätungs- und zwischenfallfreie
Zugfahrt anzutreten.
Was ist nun also zu halten von diesem Brügge? Ich hatte es
mir ein wenig wunderschöner vorgestellt, muß ich sagen. Das mag aber auch an
der Jahreszeit gelegen haben: die Bäume waren kaum mehr als düstere, traurige
Skelette, die fast schon hämisch mit Glitzerlichterketten behängt wurden. Die
Stadt war überladen mit diversen Weihnachtsmärkten und viel
Weihnachtsdekoration und hat so womöglich deren „urtümliche“ Schönheit
maskiert, zumal ich die Schnauze auch schon ein wenig voll hatte vom
Weihnachtstrubel. Dennoch wurde uns klar, daß Brügge viel Potential hat: weder
die Jahreszeit noch die Dekoration vermochten davon abzulenken, daß man dort
eine entzückende Altstadt, viele imposante, viele urige, viele „heimelige“
Gebäude findet, daß einige Monumente die „Skyline“ schmücken, daß dort ein ganz
eigener Charme herrscht und daß die Altstadt eine kleine Enklave, ein Refugium
ist, in welchem man dem 21. Jahrhundert für ein paar Stunden oder Tage
entfliehen kann. Allerdings sind die Attraktionen schnell abgefrühstückt und
wer keine Freude an Redundanz, ausufernden Museumstouren oder etwa 237
Kunstgalerien, Spitzen-, Schokoladen- und Waffelgeschäften hat, wird nicht
länger als die von uns wahrgenommenen 2,5 Tage dort verharren wollen. Insofern
war die Reisedauer gut gewählt und der Kurztrip als Post-Hochzeits-Entspannung
äußerst gut geeignet. Vielleicht würde es mich reizen, einmal wieder zu kommen:
im Frühjahr oder Frühsommer, wenn alles grünt und nicht weihnachtlich glitzert.
Schgucke.