Donnerstag, 29. August 2024

Scottland the Brave


Es war das dritte Mal, daß ich einen Fuß auf die Affeninsel setzte, die letzten beiden Male lagen vor dem Brexit, mehr als ein Vierteljahrhundert zurück und beschränkten sich beide zudem auf des Engländers überbewertete Hauptstadt. Diesmal ging es zum Glück und überdies in Begleitung des bewährten Gefährten auch gar nicht nach Eng- sondern nach Schottland (, das sympathisch ist und gerne in der EU hätte bleiben können aber bekanntlich vom bornierten Briten und gegen seinen Willen mit in den Abgrund gerissen wurde) und zwar in dessen Hauptstadt. Ich hoffte, mir ein gutes Bild vom Land jener sympathischen Kiltträger und ihrem kernigen Dialekt, quäkenden Pfeifenbeuteln und ungustiösen Speisegewohnheiten (der Engländer hat ja dann doch hier gewirkt) machen zu können und flog von Köln aus gen Norden.

Ich gelangte früher als der Gefährte, der von Hamburg aus flog, auf die Insel, tuckerte mit der Straßenbahn gemütlich vom Flughafen in die Stadt, lud im akzeptablen Hotel den Rat ab und vertrieb mir die Wartezeit mit Einherstrawanzen (um erste Vibes des Ortes aufzunehmen) und einer ortstypischen Mahlzeit

Der erste Eindruck gefiel mir gut, es gibt dort auch sehr gute Geschäfte!

ein gutes Geschäft für gute Leute

Alles wirkte recht entspannt und trotz erheblichen Touristenbefalls noch immer behaglich dort. Edinburgh ist eine Hafenstadt an der Nordsee (die wir leider nicht zu Gesicht bekamen), hat knapp über eine halbe Million Einwohner und hat diesen typischen Scottisch-Baronian-Baustil mit seinen Dächern unterschiedlicher Höhe, Zinnenkränzen, Türmen mit Scharwachttürmchen, Stufengiebeln und Lanzettfenstern. Ich habe es ja nicht gelesen und gesehen, aber in den Trailern sehen die Harry-Potter-Gebäude so aus, wie alles hier, alt, abgenutzt bzw. „vintage“, geschichtsträchtig, trutzig und irgendwie auch heimelig. Ich mochte diese leicht geisterhafte, gotische, ritterburghafte Atmosphäre, die sich besonders auf den Friedhöfen, derer wir ein paar besuchten, auswirkt:

hier soll es, so will es die Stadtlegende, auch allenthalben spuken

wer da nicht Lust bekommt, Hexerei und Zauberkunst zu studieren und mit steifer Oberlippe auf Ärmere und weniger Gebildete herabzuschauen, hat die Kontrolle über sein Leben verloren

wenigstens Aussicht hat man hier als ewig Ruhender

wenn es hier nicht spukt, spukt es nirgends

 Apropos „Harry Potter“: wie mir zugetragen wurde, hat diese Grabstätte von „Thomas Riddell“ die Autorin jenes Werks zum darin sein Unwesen treibenden Erzschurken inspiriert.

hier, er hier so

 Fluglinienversagenshalber später als gedacht und geplant traf dann auch endlich der Gefährte ein und zusammen setzten wir das Einherstrawanzen sowie touristische Betrachtungen fort, bis es dunkelte und die leeren Mägen uns sie füllen hießen. Gespachtelt wurde sogleich und vorzüglich im Burgers and Beers Grillhouse, wo die mütterlich-beleibte Kellnerin liebenswerterweise auf meine Frage, ob denn wohl „Irn Bru“ zu haben sei, „of course I have Irn Bru, Darling“ erwiderte. Sie brachte welches und ich spülte damit mein überaus schmackhaftes Chargrilled Chicken herunter. Guter Dinge kehrten wir heim und hießen das Gewesene einen Tag.

Den nächsten selbigen begannen wir mit englischem bzw. schottischem Frühstück, das sich von ersterem darin unterscheidet, daß zusätzlich zu all den Dingen, die zu jenem gehören, auch die schottische „Spezialität“ (i.S. von speziell, nicht von gut) gereicht wird, also jener Magen eines wegen allgemeiner Moribünde vom Dasein erlösten Wiederkäuers, der  mit allerhand Unaussprechlichem gestopft wird, darunter das Fett seiner eigenen Nieren, antike Haferflocken und allerlei durchgedrehte Fleischabfälle, Schlimme-Augen-Wurst sowie Pureés von Pferdelippen, Ziegenknorpel und Kuheuter, dazu einen guten Klacks Schließmuskelsülze. Dennoch probierte ich es und muß sagen, daß es deutlich weniger gruselig als die Summe seiner Bestandteile schmeckt. Dennoch, das hier (was es abends gab) ist mir dann doch lieber:

alles, was ein Junge zum Großwerden braucht. Die britische Variante von Surf & Turf.

Gestärkt machten wir uns in einen schrittreichen Tag auf und kraxelten als Erstes auf den Calton Hill, wo nicht nur das berühmte Wahrzeichen, das Douglas Stewart Monument samt guter Aussicht und Gelegenheit für Buddy-Bilder


sondern auch das Scottish National Monument


zu bestaunen sind.

Von dort an mäanderten wir mehr oder weniger ziellos durch die Stadt, liefen, schauten, plauderten, nahmen Eindrücke auf, sahen uns die „Must Sees“ an, kehrten um 17 Uhr zu Tea, Scones und keiner clotted cream (die man nicht hatte) ein. Und jaaaa, natürlich gab es auch so einen hier:

Irgendwie wirkten die Schotten trotz des mißliebigen An-England-Gekettet-Seins und trotz dieser ganzen Brexit-Misere und der nicht gewollten Trennung von Europa soweit janz jut druff, es gibt neben dem „gothic gloom“ auch viele lustige Ecken, die des Schotten Lebenslust und allgemeine Bierseligkeit erkennen lassen:

bunt uns lustig & so

da gibt es daneben auch so eine kleine Hundestatue, die berühmt ist
 

Wie gesagt, ein sehr angenehmes, entspanntes Leben und Sein dort (wenngleich nicht gerade günstig), auch wetterhalber hatten wir Glück, da es während unserer Zeit dort ganz gegen die dortigen Gepflogenheiten nicht zu schiffen pflegte 😊 Abends wurde dann standes- und ortsgemäß zu Fish & Chips bei JD Wetherspoon eingekehrt.

Am nächsten Tag stärkten wir uns bei abermals schwerem Frühstück (es ist zu tadeln, daß es an süßen Brotaufstrichen ausschließlich widerliche „Marmelade“ gab, die bekanntlich aus den aus LKW-Reifen gekratzten Resten von Orangen besteht, nachdem jener versehentlich durch eine Plantage gebrettert ist), bestiegen wir den Arthur’s Seat, der Gefährte schon schwer von einem schlimmer werdenden Pips-Katarrh gezeichnet, aber keinesfalls willens, aufzugeben. Wir zogen also durch und wurden mit einem Gang durch butterblumengelbe Hügelflanken

... aber niemals nehmen sie uns unsere FREIHEIT!!!
  

und nach steilem Anstieg dann auch noch grandioser wenngleich etwas nebelverhangener Aussicht belohnt:


Danach hatten wir uns die frittierten Schokoriegel, den Höhepunkt schottischer Cuisine, welche wir uns gönnten, redlich verdient und nach einem ausgedehnten Besuch in einer feinen kleinen Buchhandlung mußte der Gefährte kaputtheitshalber ins Bett und ruhen, so daß ich noch etwas Zeit mit Strawanzen und dem Besuch der Portrait Gallery verbrachte.

 

Abends nahmen wir, der Gefährte nicht in bester Verfassung, in einem selbigen ein Pub-Dinner ein, entschieden dann aber, keine Pub-Tour mehr zu machen, stattdessen versorgte ich den Moribunden noch spätabends mit Medis, um die Nacht zu überstehen, da es ihn doch arg erwischt hatte.

Am nächsten Tag hieß es auch schon Abschied nehmen, voneinander und von Edinburgh. Wir frühstückten noch gemeinsam, dann ließ ich den nach übler Nacht ziemlich gebeutelten Gefährten zurück, der sich einen late-checkout gesichert hatte, da er noch länger auf seinen Flug zu warten hatte. Ich bummelte noch ein wenig durch die Stadt und flog, als es Zeit wurde, heim.

Fazit:  Eddinbrrrra (wie man es korrekt ausspricht) hat mir sehr gut gefallen und das wenige, das ich von seinen Einwohnern gehört und gesehen habe, auch. Eine entspannte, der urbane Adoleszente sagte vielleicht "laid back" Atmosphäre in geschmackvoller (jedenfalls meinem Geschmack nach) geschichtsträchtiger, etwas rauher Kulisse, mit viel Grün und dem Meer direkt nebenan. Ich komme wieder und hoffe, liebe Schotten, bis dahin habt Ihr Euch vom Engländer lossagen können und macht Euer eigenes Ding!

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P.S.: Der Gefährte hatte zu Unglück auch noch Pech: er verpasste in Amsterdam seinen Anschluß nach Hamburg und mußte dort in seinem üblem Zustand auch noch übernachten. Es ist einfach eine Weltreise, in seine Wohnstatt Kiel zu gelangen, ich weiß, wovon ich rede :-/

Ach ja, es gab auch einen Haufen cooler Leute in Edinburgh, bzw. kamen sie daher. Z.B. Arthur Conan Doyle, David Hume und R.L. Stevenson:

Hume - wurde diskriminiert und bekleidete keine Professur in Edinburgh - wieso sollte da also seine Statue bekleidet sein?
 
Elementary, my dear Watson.

v.l.n.r.: yours truly, R.L. Stephenson
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Reisezeit: 01.05.-04.05.2024


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