Da ich direkt nach der Tagung heim- den ganzen Aufriß aber nicht nur für eine Woche machen wollte, plante ich vor Seoul noch eine Woche Urlaub ein, der bitteschön in der Nähe von Bergen UND Meer stattfinden sollte. Also Sokcho: direkt am japanischen Meer und ganz nahe am Seoraksan Nationalpark. Nachdem die beiden Asis Trump und Jong-Un sich dankenswerterweise wider Erwarten doch nicht zu einem Atomkrieg und das auswärtige Amt nicht zu einer Reisewarnung hatten hinreißen lassen, hob ich am 20.08., in der Hoffnung, unatomisiert zurückzukommen, um kurz vor 2 in einem Turkish Airlines-Flieger in Hamburg ab.
Die Anreise und erste Eindrücke
Natürlich funktionierte meine Medienabspielstation nicht (und Erinnerungen an den Flug nach Australien wurden wach). Auch ein Reset, den ein Steward herbeiführte, besserte die Lage nicht. Nach meiner zweiten Reklamation starteten sie offenbar die ganze Flugzeugelektronik neu (jedenfalls gingen kurz das Licht und alle Geräte an allen Plätzen aus), dann ging es. Man wollte ja keine Umstände machen Oo Die erste Zwischenstation war dann der Flughafen von Istanbul, wo ich im Transitbereich blieb und damit wohl etwaigen erdoganschen Randomverhaftungen entging ;-) Der Türke, muß ich sagen, hatte es warm, voll und knüsselig. Um mir die Wartezeit zu vertreiben, aß ich beim türkischen KFC-Pendant ein paar Hühnertrümmer und spülte sie mit nachgemachter Cola (sie können es einfach nicht lassen :)) hinunter (,wo sie netterweise auch blieben, was angesichts der Zustände an der Zubereitungsstätte alles andere als selbstverständlich schien).
Dann ging ich zum Gate, wo schon ein Häuflein kleiner, schnatternder Koreaner auf die Heimreise warteten, was in mir die Hoffnung weckte, daß ich, sollte ich neben einer jener Kleinpersonen zu sitzen kommen, wenigstens Platz haben würde. Halbwegs pünktlich ging es dann los und natürlich saß ich neben einem riesigen Usbeken, der neben Inhaber eines entschieden käsoiden Fußgeruchs auch Anhänger der Stoa zu sein schien: So sprach er nicht nur in gebrochen englischen Ein-Wort-Sätzen: "Apple!" (er wollte Apfelsaft), "Meat!" (er wollte das Gericht mit Fleisch), "Friend! Toilet!" (er wollte mal durch und wohin), er starrte auch 9 Stunden lang ausdruckslos auf das Außenkamerabild des Flugzeugs, ja, auch als draußen dunkel war.
Der Flug zog sich, irgendwann brachten sie, auf der inneren Uhr war es 3 Uhr nachts, ein Frühstück, dann landeten wir in Incheon bei Seoul,
wo es halb eins Mittags war. Der Koreaner hat das mit der Technik & so alles sehr gut im Griff, es fuhr eine Transitmetro vom Gate zur Haupthalle, alles war supersauber und ging schnell, auch das übliche Paßvorzeigen, Nichtszuverzollenhaben und Kofferschnappen und so trat ich ca. 20 Minuten nach der Landung bereits in die Empfangshalle, die voller meist westlich orientierter Freß- und Trinkbuden war. Dort hatte ich ca. 3 Stunden totzuschlagen, bis mein Bus nach Sokcho käme. Da ich mittellos war, suchte ich als erstes einen "Global ATM"-Aparillo auf. Nachdem ich die gesamte Theater, Sprachauswahl, Kartenwahl, Barabhebung, PIN, Betrag, Bestätigen, durchexerziert hatte, ließ mich das Gerät nach gewichtigem Summen und Knarzen wissen, daß es sich beim soeben vollzogenen um eine "invalide Prozedur" gehandelt habe und es sich gezwungen sehe, hier abzubrechen und mir meine Karte wieder auszuhändigen. So geschah es. Und so geschah es auch bei den nächsten 3 Automaten, woraufhin ich mich mit aufsteigender Panik schon als Obdachloser in den Straßen Seouls enden sah, der sich mit fragwürdigen Dienstleistungen (über die er nichtmal in der Landessprache würde aufklären können) das Geld für eine Fahrt nach Sokcho verdienen muß. Bei Nr. 5 klappte es dann und als ich endlich etwas Geld hatte, erwarb ich als erstes einen Doughnut der Marke Krispy Kreme und dazu einen Strawberrysmoothie und fand mich sehr kosmopolitisch.
Anschließend versorgte ich mich schonmal mit einer Busfahrkarte, wobei ich sogar den Platz reservieren konnte. Und um des angeblich ja so großartig ausgebauten koreanischen Internets teilhaftig zu werden, erwarb ich auch noch eine SIM-Karte mit Datenflat für 30 Tage, die aber keine Telefonate gestattet. Fuffzich Euro, Alter! Egal, mußte sein. Und zack war ich mit 4G online und sandte erste "bin angekommen und lebe noch"-Nachrichten. Lief. Dann kam der enorm noble, selbstverständlich klimatisierte und mit bequemen Ledersesseln ausgestattete Bus,
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nobel geht die Welt zugrunde. Ich fuhr nie komfortabler Bus |
dessen behandschuhter Fahrer mich innert etwas mehr als dreier Stunden schnell und
Sokcho ist eine Kleinstadt und im Gegensatz zum Flughafen keineswegs durchgängig zweisprachig ausgeschildert und so stand ich bald schon um halb 8 abends - da ist es hier schon total duster - bei strömendem Regen an einem koreanischen Busterminal, verstand null und konnte genau nix lesen. Eine interessante Erfahrung. Von hier sollte ich das Hotel anrufen und jemand würde mich einsammeln, hatte es geheißen. Allein, die koreanischen Münzfernsprecher enthielten keine für den des Koreanischen Unkundigen brauchbare Information, wie sie zu bedienen und wie zu entgelten seien. Also: raus mit der neuen und rein die alte SIM-Karte ins Motele, warten auf's Roamingnetz und die genannte Nummer gewählt. Sagen wir: ich weiß jetzt, wie "Kein Anschluß unter dieser Nummer" auf Koreanisch klingt. Fuck! Der Fußweg würde laut Google ca. 2 Stunden dauern, nach 30 Stunden ohne Schlaf, mit Koffer, Posterrolle und bei Wolkenbruch nichts, was ich so richtig granatenmäßig erbaulich fand. Als ich da so mit dieser Perspektive im Regen stand, legte die Lebensfreude jedenfalls eine kurze Verschnaufpause ein. Doch ich blieb cool. Also: alte SIM raus, neue SIM rein, andere Nummer von dem Bums gegoogelt, neue SIM raus, alte SIM rein und da angerufen: "Hi, do you speak English?" "Aah, onnli littel bitto!" Es war nicht leicht, dem guten Mann verständlich zu machen, wer ich sei, wo ich mich befinde und was ich denn eigentlich wolle und ich habe jetzt schon Angst vor der Telefonrechnung. Trotzdem und tatsächlich fuhr der Hotelonkel (unbekannten und -genannten Namens) nach ca. 15 min vor und holte mich ab. Da er zwar sehr nett war aber auch sehr kein Englisch konnte, geriet die Kommunikation eher rudimentär, doch ich hörte heraus, daß es kein Abendessen gebe und er daher anbot, einen Supermarkt aufzusuchen, wo ich das nötigste würde erwerben können. Also befand ich mich 10 Minuten später in der für mich reichlich bizarren Situation, durchnäßt und mit einem mir völlig fremden Koreaner einen Einkaufswagen durch einen koreanischen Supermarkt zu schieben und unter dessen interessierten Blicken Lebensmittel für die Selbstversorgung der nächsten Tage erwerben zu sollen. Ich mußte über meine Lage erheblich schmunzeln und auch über sein Entsetzen, als ich von einem Strauß Bananen vier abriß. Er, mit aufgerissenen Augen, sich schuldbewußt umschauend: "Nooooo!" und legte hastig die verbliebenen fünf auch in den Wagen, woraufhin ich mich spontan entschloss, neun verdammte Bananen zu erstehen :D Als ich ihn fragte, wo es denn wohl Butter gebe, sah er mich an wie einen Hängengebliebenen und fragte: "Juä wannte BATTA?! Why?!" Ich entschied mich, auf eine Erklärung zu verzichten und fand das gewünschte Streichfett in der Exotika-Ecke für umgerechnet coole ca. 7 Euro, auch das Nutella und die Erdnußbutter waren sackoteuer wohingegen ich so ne Tüte Tintenfischschließmuskelringe zum Knabbern für 'nen Tausender (Won, ca. 75 Cent) hätte haben können.
Mit den Einkäufen ging es dann endlich zur Pension, wo der Bizarrerie des Tages die Krone aufgesetzt wurde: mein Zimmer war eine vollkommen abstruse Mischung aus koreanischem Hightech (nagelneuer 140 cm Flatscreen, WLAN überall, Elektronik-Klo mit 13 Bedientasten) und Schangeligkeit (schrottige Türen, häßliche Lampen (ein paar davon kaputt), angeranzte Küche), aus Luxus (nobler Alkoven mit prächtigem Doppelbett, weiterer Alkoven mit Whirpool und zweitem Fernseher, den man nur vom Whirpool aus benutzen kann)
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jap! Eigene Whirlpoolecke, Zimmerpflanzen und ägyptische Fresken. So soll es sein! |
und unfaßbarem Kitsch (unsäglicher Nippes und Zierrat an Wänden und in Regalen, völlig geschmacklose und nicht zusammenpassende Möbel und Vorhänge).
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die ganze, bizarre Pracht! |
Die (dringend benötigte) Dusche nahm ich unter einer Vorrichtung, die in der Ecke des Bades aber nicht vom Rest des selbigen abggrenzt war. Das Wasser läuft so einfach über den halben Boden und fließt dann an einer tiefergelegten Stelle ab. Gegen die nassen Füße soll man sich mit den überall bereitgestellten Latschen schützen, die hier nur leider in Puppengröße und damit für mich unbrauchbar sind. Ich war zu fertig und zu verdutzt, um am Abend noch das Klimagerät ausfindig zu machen und in Betrieb zu nehmen und so lag ich schon bald zwar geduscht aber schon wieder transpirierend, mit zwei Bananen im Bauch, bei ca. 27°C Innentemperatur auf einer diamantharten Matratze, fand keinen Schlaf und im riesigen Fernseher von 285 nur zwei nicht-koreanische Sender. Bei dem Gedanken, nun 6 Nächte lang nur schlecht oder kaum schlafen zu können, tat ich mir etwas leid und fühlte mich so weit von zu Hause wie noch nie zuvor im Leben. Dabei waren Freunde und Familie nur ein paar Tastendrücke entfernt, denn auch hier gab es eine perfekte Internetverbindung.
Irgendwann gab ich auf, raffte die Bettdecke zusammen und zog um auf's alberne, rosa Prunksofa, auf das ich zwar nur gerade so passte, dessen Polster aber weich und breit genug für diesen schweren Leib war und mich endlich einschlafen ließ.
Erster Tag
Ich wachte auf und sah auf die Uhr: 6:35 Uhr. Von wegen, dachte ich supermüde und schlief weiter. Ich wachte auf und sah auf die Uhr: 11:15 Uhr. FUCK! Scheiß-Jetlag. Und auch noch das Frühstück, das sie hier anbieten, verpennt. Zum Glück hatte ich ja gestern alles gekauft, briet Toast und Ei in der Pfanne auf dem Gasherd und mahlte mit der selbstverständlich vorhandenen Omma-Kaffemühle eigenhändig ein paar Bohnen für den Kaffee, den ich in einer winzigen Ein-Tassen-Kanne mittels Filterhalters aufbrühte.
ja, eine schöne Tischdecke! |
Beim Abspülen mit heißem Wasser stieg soviel Wasserdampf auf, daß der Rauchmelder über mir Alarm schlug und mir barsche aber quäkige koreanische Anweisungen gab. Ich drehte sofort alles zu und sah mich schon einer koreanischen Feuerbrigade mit Händen und Füßen erklären, daß es sich um einen Irrtum handle, doch zum Glück sind die Dinger hier wohl nicht an ein Zentralmeldesystem angeschlossen und der Spuk hörte sofort wieder auf. Warum man aber einen Rauchmelder 1,20 m direkt über einem Gasherd anzubringen für eine sinnvolle Sache hält, wird der Koreaner wohl für sich behalten.
Nach neuerlichen Großduschungen trat ich ins ca. 30°C heiße Freie und marschierte durch Gemüsefelder und bäuerliche Ansiedlungen zur mir gewiesenen Bushaltestelle. Der Bus kam nicht zur angekündigten Zeit (ich wartete 10 min länger als angeschrieben), also ging ich zu Fuß los, wurde selbstverständlich sofort vom Bus überholt und erreichte etwa 20 min später das Touristen-Infozentrum am Seorak Sunrise Park, wo ich mir ein paar Informationen in gebrochenem Englisch abholte (wieso können hier nicht mal die Touristen-Informierer vernünftig Englisch?) und gegenüber in einen Bus zum Seoraksan-Nationalpark stieg. Nach einer halben Stunde kamen wir an und … wie soll ich sagen… das Ding ist nicht umsonst so berühmt und beliebt. Es ist wunderschön da! Inmitten von Bergen mit bewaldeten Hängen und Tälern mit Flüssen schlängeln sich Wanderwege, spannen sich Brücken über Bächlein, stehen Tempel und Buddhas. Ein asiatisches Märchenland, man könnte hier sicher Wochen verbringen und würde sich doch kaum sattsehen.
Ich lief erstmal ein wenig auf und ab, natürlich war es im Eingangsbereich auch sehr touristisch, mit zig Freßbuden, Souvenirhöllen etc. und vermittelte so mehr ein Freizeitpark- als ein Naturpark-Gefühl. Dem trug ich Rechnung, indem ich als Erstes das „Cable Car“ ansteuerte und mit dieser Kabinengondelbahn auf den Gwongeumseong hochfuhr. Die Aussicht war phänomenal
und wurde noch besser, als ich zu Fuß auf den Gipfel kletterte:
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BÄM! |
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Begeisterung! |
Wieder im Tal sah ich mir noch den Sinheungsa-Tempel
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goldene Buddha-Triade |
und den Tongil Daebul, den beeindruckenden, 14 m hohen Großen Budda der Wiedervereinigung an,
in den man auch hineingehen und darin einen mystisch anmutenden Betraum finden kann
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man durfte hier nicht photographieren und doch existiert dieses Bild. Et voilà, ein Koan :-) |
und verließ den Park erst wieder, als es zu dämmern begann. Es gibt da noch so viel zu sehen und ich werde schon bald wieder herkommen!
Zurück in der Pension stillte ich den Residualhunger mit was man so aus Eiern, Toast und Erdnußbutter herstellen kann und stürzte mich in die abendlichen Pflichten, die neben umfangreicher Korrespondenz darin bestehen, dies hier niederzuschreiben. Dank Jetlag fand ich erst gegen 20 vor 2 zur Ruhe, aber irgendwas ist ja immer.
Zweiter Tag
Diesmal verpennte ich nicht und erschien pünktlich in der merkwürdig kurzen und eigenwilligerweise exakt von 8.50 – 9.50 Uhr bemessenen Frühstückszeit, zu der man aber spätestens bis 9.10 Uhr erscheinen muß (so steht es extra im Handout). Ich fand mich dazu im – ich weiß, ich nutze dieses Wort stark ab, aber es ist wirklich angebracht – extrem bizarren „Café Dazzling“ ein. Bilder sagen hier mehr als Worte:
an den Wänden Weihnachtsstrümpfe und Zierteller |
Angenehm merkwürdig jedenfalls wurde diese Szenerie komplementiert mit einem koreanischen (?) Frühstück, das aus einer Tasse Pilzcremesuppe, einem Spiegelei, einem (!) bleichen Miniwürstchen, einem watteweichen, moosfarbenen Brötchen, einem Minicroissant, einem Stück Banane, einem winzigen Eckchen Ananas, einem Teller Salat und drei in Folie eingeschweißten Keksen, selbstverständlich präsentiert in einer Oma-Etagère, bestand. Dazu reichte man mir einen Orangensaft. Kaffee konnte man sich am modernen Vollautomaten (wieder dieser Kontrast zwischen Hightech und Trash) selber machen. Auf die Frage, ob es Zucker gebe, zeigte der nette namenlose Koreaner auf eine Flasche Sirupartiges, auf die Frage, ob es Milch gebe, lachte er und sagte kopfschüttelnd, als habe ich etwas wirklich albernes gefragt: „Nooooo!“. Die Suppe schob ich weit von mir, den Rest aß ich mit Amusement, das sich noch steigerte, als neben mir eine vierköpfige koreanische Familie Platz nahm, die, bevor sie sich geräuschvoll und mit jeweils weit offenen Kaumündern des Dargebotenen bemächtigten, inbrünstig dem Herrn Jesus Dank für die gebotenen Merkwürdigkeiten zubeteten. Ich entschied, es für geboten zu halten, mir an den hier noch verbleibenden Morgenden wieder mein eigenes Frühstück auf Stube zu machen.
Da es zugezogen hatte und laut Wettervorhersage mit Regen zu rechnen war und ich außerdem noch mancherlei aus einem Supermarkt benötigte, das ich überforderterweise am Anreisetag nicht antizipiert hatte, fuhr ich im Bus statt zum Seoraksan nach Sokcho rein (die Pension hier liegt eher außerhalb), das und dessen Strand ich ohnehin noch in Augenschein nehmen wollte. Und ich muß sagen: Scheiße, ist das häßlich!
Eine unappetitliche kleine Stadt, mit viel Verkehr, der aber wenigstens noch von behandschuhten Trillerpfeifen-Schupos geregelt wird,
reichlich Dreck, schangeligen Butzen und ohne jeden Charme.
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Radweg und Münzfernsprecher. Zwei Dinge, die ich hier noch kein Schwein habe benutzen sehen. |
Ich suchte mir als erstes den Weg zum Strand. Dieser war zwar durchaus vorhanden und auch mit Potential ausgestattet, allein:
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wäre ja auch verrückt, an 'nem Strand |
Ich hätte mich trotz des mediokren Wetters wohl drüber hinweggesetzt, führte jedoch weder Badebuchse noch Handtuch mit (die Handtücher in der Pension sind übrigens alle winzig, Duschhandtücher kennt der Koreaner offenbar nicht), so daß ich eventuelle Badefreuden auf vielleicht später verschob und in die Innenstadt zurückkehrte, wo ich den Expo-Tower in Augenschein nehmen und ja noch einen Supermarkt aufsuchen wollte. Auf dem Weg zu jenem Turm stieß ich aber unvermittelt auf die eigentliche Attraktion/Sensation Sokchos: einen verlassenen Rummelplatz am Hafen: das tieftraurige Sokcho EXPO World Land!
Es gibt ja kaum etwas trostloseres und zugleich horrorfilmmäßig gruseligeres als solche Orte, wo aus Verwahrlosung, Aus-der-Zeit-Gefallensein und dem verblichenem Glanz der Kinderfreuden längst vergangener Tage ein düsteres und seelenerstickendes Echo von Verlassenheit, Verfall und gespenstischer Einsamkeit widerzuhallen scheint.
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This too shall end... |
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Du schuldest der Welt noch einen Tod! |
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Bleiben ist nirgends... |
Ich stand lange dort, in Gedanken versunken, passende Musik im Ohr und grübelte über die Ironie des menschlichen Daseins. Danke dafür, Sokcho :-/
Den Turm, der auch nicht gerade eine Schönheit ist,
erreichte ich dann irgendwann, ließ ihn aus Protest unbestiegen und amüsierte mich stattdessen über die zu seinen Füßen auf winzigen Moppeds kreisenden und zivilen Ungehorsam übenden Koreaner:
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alles cool, er fährt nach rechts |
Anschließend fand ich auch einen großen Supermarkt, der über ausreichend gute Auswahl verfügte, um u.a. auch Qualitätsschokolade aus der Heimat feilzubieten
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home, sweet home |
und wo ich alles fand, was ich brauchte, noch einiges mehr, was ich nicht brauchte und unglaublich viel, von dem ich nicht mal wußte, was es überhaupt war. Ich erwarb vorsichtshalber auch einen Regenschirm, der gleich als ich ins Freie trat, einer Dichtigkeitsprüfung zu unterziehen war, denn es hatte sich unterdessen gründlich eingeregnet, worin auch meine Lust auf weitere Erkundungen in diesem tristen Kaff absoff. Ich fuhr also heeme, aß „Deutsche Wurst“ mit Senf, schaute Youtube auf dem großen Fernseher, an den ich über HDMI mein treues kleines Netbook, Begleiter auf vielen Reisen, angeschlossen hatte und war’s zufrieden.
Ach, wo ich schon daheim/dabei bin: hier noch ein paar Eindrücke der hiesigen „SPA Pension Basso“, die ebensoviel mit „SPA“ zu tun hat, wie hier ein „Barrista“ und ein „Sommelier“ angestellt ist (steht trotzdem draußen auf dem Schild) :D
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ganz schnuckelig, ne? Abends muß man sich dann noch unentwegt grillende Koreaner im Bild vorstellen. Und ne Hollywoodschaukel hat's hier auch :) |
Dritter Tag
Toll, wieder so ein grauer, regendrohender Himmel. Ich entschied mich zu zocken und die beiden noch anstehenden Besuche im Seoraksan auf Freitag und Samstag zu schieben, wann das Wetter besser werden soll, und heute… tja, was blieb übrig als noch mal in dieses elende Sokcho zu fahren, bevor ich hier rumsitze. Dort soll es ja ein kleines Fischerdörfchen namens Abai (grüner Pfeil auf der Karte unten) geben, das mal in einer koreanischen Seifenoper aufgetaucht ist und wo es leckere Tintenfischwurst gebe (ja ja, die Ansprüche werden kleiner).
Nach dem inzwischen - dank neuer Ausstattunng - recht ordentlichen Frühstück auf Stube ohne Suppe dafür mit Simpsons-Biscuit-Müsli und Toast legte ich das Touristengeschirr an, den neuen Schirm wohlweislich einsteckend, latschte und busste los und fuhr diesmal fast komplett um das Hafenbecken rum, bevor ich ausstieg (roter Pfeil):
ich muß mein harsches Urteil von gestern über Sokcho etwas abmildern, denn hier war es zumindest ganz ok, nicht so viel Verkehr und eine lange Straße voll ulkiger koreanischer aber auch westlicher Kettenläden, teilweise dasselbe Produkt anbietend direkt Wand an Wand:
Anhand der Zahl von Kaffeehökern, die ich allein in Sokcho schon gezählt habe, sollte man meinen, der Koreaner genehmige sich sehr oft und gerne einen kleinen oder großen Braunen. Anhand der Zahl der Kunden, die in den Läden tatsächlich drin sind (bzw. eben nicht) ist dann das Gegenteil zu vermuten. Je nun. Jedenfalls erweckte Sokcho auf dieser Seite des Hafens mehr den Eindruck einer stark Fischfang und –verzehr orientierten Hafenstadt mit wirklich unzähligen Stätten für Fischverkauf, -zubereitung, -verzehr
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hier kann man auf dem draußen bereit stehenden Hometrainer die feisten Lachspasteten gleich wieder abstrampeln, nehme ich an |
und –merchandise. In dieser langen Passage z.B.
gab es neben wilden, wilden Gerüchen vor allem sehr viel (zum Teil noch lebenden) Fisch
und Seafood, von roh bis verzehrfertig frittiert und jede Menge Pasten, Pulver, Schlämme, Tunken, Stäube und andere dunkle Dinge ungeahnter Provenienz und Zwecke
Ich spazierte sehr gemütlich im erratischen Gassenzickzack, immer wieder stehenbleibend, schnüffelnd, probierend/dankend ablehnend („dindin“ sagt der Koreaner) das ganze Viertel ab, bis ich an die Stelle kam, an der man mit einer Art Floßfähre
und auch reichlich Tristesse
Aber auf dem Rückweg auf die andere Hafenbeckenseite gab es von der Brücke herab wenigstens noch einen schönen Ausblick auf Sokcho und den Seoraksan im Nebel dahinter:
Ich trieb mich noch ein wenig in Sokcho 'rum, kurbelte die koreanische Wirtschaft an und weckte zugleich eine unterarbeitete Barrista-Dame, indem ich an einer mir über den Weg laufenden Kaffeebude eine Vanilla-Latte (cold? yes, please!) orderte und erst den Rückweg antritt, als mir durch den doch noch einsetzenden unflätigen Regenguß die Motivation für weitere Erkundungen davonschwamm (Metaphern? Kann ich.)
Rest des Tages wie gehabt: Urlaubskram. Müll fressen, Youtube schauen, paar Situps rausquälen, Korrespondenz pflegen, lesen, schreiben... wat man so macht. Morgen wieder Seoraksan. Sch'freue mich!
Es ist, als wäre ich dabei. Ich geniesse jede Zeile und warte auf mehr vom Meister des Skurillen. Danke und dicken Kuss. MA
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