Samstag, 26. August 2017

Das Korea-Experiment - Teil II

Vierter Tag
Kaiserwetter schon beim Aufwachen? Ditt lob ick mir, wa? Beste Voraussetzungen, um meine seoraksanbezogenen Wandervorhaben in die Tat umzusetzen. Für heute hatte ich mir vorgenommen, erst den Heundeulbawi-Felsen zu besuchen und von dort auf den Gipfel des Ulsanbawi (knapp 900 Höhenmmeter wären zu überwinden) zu kraxeln und anschließend noch den Biryong-Wasserfall zu sehen und von dort noch zum Towangseong-Wasserfall-Beobachtungsposten hochzusteigen. Wie sich zeigen sollte, ein durchaus ambitioniertes Programm!

Gleich nach dem üblichen self-made-Frühstück ging's los - draußen war es schon ordentlich warm und da die Klimaanlage im Bus im Rektum war, war ich schon leicht angeschwitzt, als ich im Park ankam. Ich erwarb weiserweise noch ein Zweitpülleken Wassers und machte mich dann unverzüglich an den Anstieg zum Felsen. Zunächst ging es durch einen angenehm schattigen Wald entlang eines charmanten Bächlein. Es war zunächst nur ein seichter Anstieg und kein schwieriger Untergrund und doch fühlte ich mich irgendwie unfit, vielleicht wegen der ca. 36°C in der Sonne, wodurch es auch im Schatten lecker warm war.
Ich kam an einem kleinen eher schäbigen Tempelchen mitten im Wald vorbei, in dessen Hof neben den auf der Wäscheleine trocknenden Plünnen ein Mönch hockte und? Betete? Sang? Nix da, er daddelte, wie ca. 98% aller Koreaner die ganze Zeit auf seinem Mobiltelephon. Buddha hatte Pause. Und Pause machte auch ich, nachdem ich mir durch das wegrollen eines Kiesels ein nettes Rastplätzchen geschaffen hatte:

man muß ihn sich als einen glücklichen Menschen vorstellen :'-(


Nach einer Weile, der Anstieg war schon deutlicher geworden und zwischenzeitlich kam mir noch ein West-Tourist, natürlich ein Düsseldorfer, mit freiem Oberkörper entgegen (die Koreaner mochten's offensichtlich nicht), erreichte ich einen weiteren Tempel, wo es auch Wasser und eben den berühmten Heundeulbawi-Felsen zu bewundern gab:

Aufgang zum Schrein in einer Höhle, auf dem Felsen daneben kleine Steinbuddhas

der "Wackelfelsen", davor antikes Reliefgraffiti, dahinter der Tempel. Man kann das Ding tatsächlich mit etwas Kraft zum Wackeln bringen, aber umkippen is' nicht, habe es versucht :)


Für viele endete die Wanderung hier, denn sie traten nach dem Photo mit dem Felsen den Rückweg an. Warum, verstand ich, als ich den Weg zum Gipfel einschlug. Das war scheißenanstrengend und ich habe nicht nicht geölt! 600 m supersteil über Felsbrocken und Steine nach oben, die letzten ~100 m auf einer nicht enden wollenden Treppe an der Felswand

da mußte ich noch rauf


Was mich echt erstaunt und beeindruckt hat: da waren richtig alte Leute unterwegs. Unfassbar, wie fit die koreanischen Senioren sind! Eine ganze Reihe von denen sind da allen Ernstes hochgestiegen. Ok, die sind sicher die Temperaturen besser gewohnt und auch sehr gemächlich gegangen aber trotzdem: deutsche Senioren in diesem Alter würden es nichtmal zum Tempel mit dem Felsen schaffen, geschweige denn bis zu dem Gipfel. War jedenfalls 'ne fiese Plackerei bis da hoch, doch es hat sich sowas von gelohnt, ich konnte mich am Anblick kaum sattsehen:







ist es hier so kalt oder bin das ich?

Oben traf ich dann auch ein paar Westler: einen aus Bochum, eine aus Kanada und einen aus...Tralien  ;-) (Der Bochumer half mir, das mit den Rentnern zu verstehen: in Korea sind die Alten wohl richtig sport- und bewegungsbegeistert und in Seoul, wo er schon war, seien die den ganzen Tag draußen und an so öffentlichen Fitnessgeräten zugange). Bei 'nem kleinen Päuschen gesellte sich dieses kleine Kerlchen dazu


dem ich mit einem Stückchen Banane sichtlich eine Freude machen konnte :-).
Aber et half ja nix: wir mußten wieder runter, ich wollte ja an dem Tag noch den Wasserfall sehen, auch wenn bei dem Gedanken meine Knie nur so mittelbegeistert waren. Der Abstieg ging schneller und war weniger schweißtreibend aber dennoch anstrengend und eine echte Herausforderung für die Gelenke und die Trittsicherheit. Am späten Mittag waren wir wieder am Ausgangspunkt und ich stärkte mich mit einmal ...äh... Koreanisch:

das oben links ist wohl "Kimchi", das oben rechts ist kein Schinken sondern so ne Art Kohl, die Flüssigkeit war glaube ich Rinderspucke, in die einer reingefurzt hatte (so schmeckte sie jedenfalls) und das unten links war sehr lecker

Der Weg zum Wasserfall führte erstmal, wie gewöhnlich, an einem murmelnden Bächlein entlang, das mit Anstieg und höherem Anspruch des Weges über Steine, etwas lebhafter wurde und zu einer Fußbadpause einlud:


Auch dieser Weg war nicht ganz einfach und mit den 900 Höhenmetern in den Beinen war das kein Klacks. Irgendwann ging es über eine Hängebrücke



und dann war es auch schon nicht mehr weit zum 16m hohen Biryong-Wasserfall, der übersetzt etwa "Fliegender Drachen"-Wasserfall heißt: einer Sage zufolge wurde eine junge Frau einem Drachen, der im Wasserfall lebte, geopfert, damit dieser sich in den Himmel erhöbe und eine verheerende Dürre abwende. Was auch immer der Koreaner geraucht hat...



Zugegeben, nicht so der Klopper das Ding, ganz nett ja und schön gelegen aber nicht sensationell. Ich fragte mich daher, ob ich wirklich noch auf diese Beobachtungsplattform steigen sollte, von der ich annahm, daß man von ihr aus den Wasserfall besser/von oben würde sehen können. Wenn ich schon hier bin, dachte ich und ging zum Aufstieg, wo ein Schild was von 400 m sagte. Und zwar fast senkrecht nach oben über ca. 1000 Treppenstufen! Meine Knie und Oberschenkelmuskeln erkundigten sich mittels kleiner Anfrage, ob ich sie eigentlich verarschen wolle, doch es gab keine Gnade. Mit brennenden Beinen ging es 400 m in die Höhe. Und, Junge, hat sich das gelohnt, das war jede Treppenstufe wert! Was ich da oben fand, war überwältigend und ich bin bestimmt 30 Minuten staunend und innerlich jubelnd da oben gesessen:



Die Bilder geben leider nur völlig unzureichend die Schönheit dieses Anblicks wieder: Hoch über dieser wunderbaren, sonnenüberfluteten Landschaft in Sichtweite der golden beschienenen Gipfel und mit atemberaubenden Blick auf das silberne Band eines Wasserfalls, der sich weit in der Ferne die Flanke eines Bergs hinabstürzt. Unvergesslich!

Beschwingt und bereichert eierte ich die 1000 Stufen wieder runter und den Weg vom Wasserfall und durch die Felsenlandschaften zurück zum Ausgang, wo ich mit der untergehenden Sonne und malträtierten Gehwerkzeugen den Park bester Dinge verließ und mich schon auf den dritten Besuch freute.

Fünfter Tag
Wieder Bombenwetter! Alles klar: Frühstück rein, Corn raus und in Bus Richtung Seoraksan. Ich wollte heute noch die Biseondae-Felsen sehen und zur Geumganggul-Höhle hochsteigen. Auf die Idee, an einem Samstag bei tollem Wetter ihren beliebtesten Nationalpark aufzusuchen waren aber wohl auch…alle anderen Koreaner gekommen, so daß ich meinen ersten Stau in Korea erlebte, woraufhin die Fahrt doppelt so lange dauerte wie gewöhnlich. Egal, ich hatte ja das grandiose neue Album von Der Weg einer Freiheit „Finisterre“, das am Tag zuvor endlich erschienen war. Irgendwann kamen wir an und ich marschierte gleich los. Wieder war da diese Erscheinung, daß ich mich irgendwie platt und unfit fühlte, obwohl ich nur 3 km über einen schönen, leicht zu gehenden Waldweg entlang eines hübschen Gebirgsbachs mit kristallklarem Wasser lief (worin ich abermals ein Fußbad nahm). Bald jedoch begann der Weg anzusteigen und wieder steinig und schwieriger zu werden, es ging weiter entlang des Flusses durch ein sonnendurchflutetes Tal,


 über einige Brücken bis zum Fuß der beeindruckenden Biseondae-Felsen (heißt soviel wie Felsen der fliegenden Feen):  

 


 Man beachte auch folgende Zoomaufnahme des rechten der beiden Zinken

der Typ war ganz oben auf dem Felsen!
Als ich dort ankam, war ich durchgeschwitzt und hatte schon mehr als die Hälfte meines Wassers verbraucht, es war Mittag, die Sonne ballerte und es waren mindestens 35°C. Gut, dachte ich, dann noch eben schnell zur Höhle hoch. Man sollte sich im Seoraksan diese „eben schnell“-Gedanken abgewöhnen, denn der Aufstieg zur Höhle, die in die nackte Felswand gekloppt worden war, betrug 600 m! Und wieder ging es über Stein und Geröll, Stock und Stein steil bergauf. Laut Wanderkarte war dieser Abschnitt eine „schwarze Piste“ „for the advanced only“. Kommt hin. Ich schnaufte und schwitzte beim Anstieg und fand es enorm anstrengend. Wenigstens waren diesmal weniger Rentner unterwegs. Von einer Zwischenstation aus boten sich bereits phantastische Ausblicke.





Um eine Idee für die Höhe zu bekommen: die Kletterer, die ich eben von ganz unten gesehen hatte, konnte ich inzwischen von etwas oberhalb betrachten!



Als ich dann, schon ziemlich geschafft, den Blick hob und das endgültige Ziel des Aufstiegs gewärtigte,


meldeten sich sofort Knie und Oberschenkel und signalisierten: „Alter, nein! Tu uns das nicht an!“. Als ob ich jetzt umdrehen würde! Also rauf da. Wieder ging es Hunderte Stufen hoch, die letzten Meter auf einer uralten Steintreppe, bei der die Stufen natürlich lustig wechselnde Höhen hatten, teilweise ca. 50-60 cm, so daß man die Beine richtig martern und zugleich extrem aufpassen mußte, keinen falschen Schritt zu machen, sonst wär’s abwärts gegangen. Hoffentlich ist die Höhle das hier wert, dachte ich. Ums kurz zu sagen: war sie nicht.

Es war eher ein Verschlag, ca. 20 qm, der vor allem als buddhistischer Schrein diente und tatsächlich saß da ein Mönch, trommelte und sang,

der hatte zwei der vier "Stimmen Buddhas" dabei: eine Glocke und so eine Art Holzfisch, auf den er draufkloppt, als Percussionsinstrument

das arme Schwein muß hier wahrscheinlich jeden einzelnen Tag hochkraxeln! Jedenfalls bleibste da in Form, während die paar armen Irren, die sich in der prallen Sonne da hochgequält hatten, ausruhten (wenigstens war es drinnen angenehm kühl) und ihre Wasservorräte mit an den Wänden runterlaufendem, trinkbarem Bergwasser auffüllten. Einige stiegen noch ein kleines Stück in die kleine Betkaverne hoch und warfen sich, Unverständliches brabbelnd, dem dort wohnenden Buddha zu Füßen und schenkten im Reis (glaube ich). Ich saß still da, genoß den Ausblick

wenigstens der Ausblick war zum Schrein ;-)

und den meditativen Gesang des Mönchs und ärgerte mich nicht, dort hochgestiegen zu sein.
Der Mönch ist übrigens nicht der einzige, der hier wohnt:

Buddy, das buddhistische Tempelhörnchen

Beim Abstieg passierte etwas merkwürdiges: ich ging vorsichtig und eher betulich die steile Strecke über die Steinbrocken abwärts, als ich hinter mir sich nährende Schritte gewahrte, die deutlich schneller waren, als die meinen. Ich blickte mich um, erwartete irgendsoeinen Fitneß-Angeberkoreaner und sah mit Entsetzen, daß da statt dessen eine Großmutter mit albernem Hut, dahinter ihr nicht minder betagter Gatte, mich zu überholen ansetzten! Nie! Im! Leben! sagte ich mir und erhöhte mein Tempo, um diese Schmach zu verhindern, wodurch aus dem gemächlichen Abstieg ein halsbrecherisches, haarsträubendes und kniefolterndes Bergabrennen wurde, die beiden Gerontengemsen mir ständig am Hacken klebend, bei dem ein falscher Schritt mein letzter gewesen wäre.

da ging's runter

Aber ich habe es durchgehalten und konnte diese beiden lächerlich fitten Alten abhängen, als sie schließlich eine Pause einlegten. Dampfend, adrenalinpumpend und mit brüllenden Knien und Oberschenkeln kam ich wieder am Fuße der Zwillingsfelsen an und mußte über mich selber lachen. Wenigstens war es so ziemlich schnell gegangen :D
Der Rückweg zum Ausgang zog sich dann doch ’ne Weile, die Beine hatten den gestrigen Tag keineswegs vergessen und waren gerade erneut erbarmungslos in die Pflicht genommen worden, so spazierte ich gemächlichsten Tempos zurück. Ein redseliger und des Englischen in vergleichsweise respektablem Maße kundiger Altkoreaner, der, wie er mir erzählte, (natürlich!) gerade von einer mehrstündigen Bergtour komme, erläuterte mir ungefragt einige Details zu den Reliefschriftzeichen auf dem Boden vor den Biseondae-Felsen,
600 Jahre seien die schon alt und etwas ganz Besonderes, was sie bedeuten, verschwieg er
zeigte auf die Kletterer in luftiger Höhe über uns und fragte, warum ich nicht auch dort klettern wolle. Auf meine Auskunft, daß ich nicht die nötige Ausrüstung dabei hätte, hier eh keinen kenne und Klettern nur so mittelspannend finde, lachte er sich kaputt, als seien dies absurd unzureichende Gründe, winkte seinen Neffen (?), einen drahtigen, freundlich aussehenden Jungspund, heran und stellte ihn mir als „this one here, he’s very good“ vor. Gut zu wissen, nehme ich an? Der Jüngling nickte verlegen, lächelte und ließ uns stehen. Anschließend wollte der Alte noch Details zu meiner Kamera wissen und ob ich Photograph sei (die wenigsten Koreaner haben noch richtige Kameras, fast alle fertigen ihre Aufnahmen nurmehr vermittels ihrer Smarttelephone), er habe nämlich selbst auch eine Nikon und finde dies eine nachvollziehbare Wahl. Als er und seine Gruppe schließlich rasten wollten, wünschten wir einander noch einen „nice trip“ und ich legte das letzte Stück zum Ausgang allein zurück.
Dort füllte ich einer netten Dame vom Park einen Fragebogen aus und machte mit etwas Wehmut noch ein Abschiedsbild mit dem Symboltier dieses grandiosen Nationalparks,


 von dem ich nicht weiß, ob ich ihn wiedersehen werde, dessen Besuch ich aber jedem, der auch nur in die Nähe Koreas kommt, dringend empfehlen muß.
Daheim schmiß ich das Klimamopped an und die geschundenen Füße/Beine auf einen Hocker und ruhte aus. Abends wollte ich noch ’was Anständiges essen und fuhr zu diesem Behufe mit dem Bus nach Sokcho rein, um, einer Empfehlung folgend, ein kleines Restaurant aufzusuchen und dort gegrillte Garnelen zu verzehren. Das war echt seltsam und an dieser kleinen, eher schäbigen und offenbar vor allem von Einheimischen frequentierten Klitsche 

ja, mit Einmalfolie auf den Tischen, nackten Glühbirnen an der Decke und ne laminierte Speisekarte anne Wand jenagelt

ja, mit Glotze inne Ecke, Plastikstühlen, Papiertuchspender und Ventilatoren mitten in der Bude
stellte sich noch mal der Kontrast dar, den ich schon zuvor in Sokcho und meiner Pension wahrgenommen hatte: Eigentlich hat Korea eine gute Infrastruktur mit mobilem Internet auch auf dem letzten Berggipfel und fast alles funktioniert reibungslos. Dennoch gibt es immer wieder mitten in der Stadt direkt neben Hochglanzkaffeeläden und Modekettenfilialen diese unbeschreiblich unordentlichen und immer irgendwie fettig, knüsselig und improvisiert wirkenden Lädchen und Kaschemmchen, voller überbelegter Steckdosen, tropfender Rohre und mit Panzerband und Draht ausgebesserter Dinge, die z.B. nach deutschen Normen so niemals betrieben werden dürften. Wenn man reingeht, fühlt man sich eben nicht mehr wie in einem der fortschrittlichsten Länder und führenden Industrienationen der Welt, sondern mehr wie irgendwo in China auf dem Land.
So auch in meinem Restaurant, wo die Kellnerin vier Worte Englisch konnte und irrtümlich annahm, ich wolle das „grilled fish set“, das ich weder wollte noch bestellt hatte, bis ich ihr, die diese falsche Bestellung schon an die Küche gegeben hatte, vermittels wilden Auf-die-Karte-Zeigens, Kopfschüttelns und der Verwendung aller vier ihr bekannten englischen Worte, klarmachen konnte, daß ich statt dessen die gegrillten Garnelen begehrte. Zusammen mit einer ganzen Batterie von Vor- und Nebenspeisen kamen die dann auch irgendwann und schmeckten gut.

ich vermute anhand von Aussehen und Geschmack, in den kleinen Schalen befand sich folgendes (v.l.n.r.): scharf gewürzter, marinierter Fisch, Minifrikadellen, Krautsalat mit Pistaziensauce (nicht Wasabi, wie ich zuerst dachte), dünne Streifen Hühnerfleisches, Kimchi, irgendwie angemachte grüne Bohnen (ich habe sie probiert und für immer noch nicht lecker aber auch nicht so schlimm, wie in meiner Erinnerung befunden)
Zum Abschluß erhielt ich noch eine Schale mit heißer Flüssigkeit, in der so etwas wie Reis oder Grieß (?) schwamm und die, ich schwöre es, nach absolut nichts schmeckte. Wirklich, keinen Funken Geschmack. Keine Ahnung, was das war oder ob ich nur nicht wußte, was man damit anfangen soll (vielleicht hätte ich das als Opfergabe für irgendwen stehen lassen sollen?), aber nach 4 Löffeln war ich es leid und ließ es sein Bewenden haben.
Zurück in der Pension packte ich vor der Bett- bzw. Couchruhe schon mal das Gröbste zusammen und versammelte alle noch übrigen Lebensmittel für ein kärgliches Frühstück, das ich am nächsten Morgen, bevor es zum Bus nach Seoul gehen sollte, einnehmen wollte.

Reisetag und Ankunft in Seoul
Nach dem Aufstehen verzehrte ich ein merkwürdig improvisiertes Frühstück aus Ei, Milch, Erdnußbutter und Banane, checkte beim freundlichen und namenlos gebliebenen Pensionsbesitzer aus, der mich und mein Gelumbe netterweise noch schnell zur Bushaltestelle brachte und fuhr nach Sokcho zum „Express Bus Terminal“, wo angeblich jede Stunde ein Bus nach Gangnam in Seoul fahre. Als ich um halb elf ein Ticket erwarb, wurde mir jedoch mitgeteilt, daß der Bus erst um 12.40 Uhr abfahre. Spitze. Also saß ich diese Zeit lesend und schreibend im dankenswerterweise benachbarten sowie mit klassisch desinteressiert-unfreundlich-gelangweilter Teenie-Omse (das scheint eine international bindende Norm für Kaffeeandrehsen zu sein) hinter dem Tresen ausgestatteten Kaffeeladen ab.
Doch es kam noch viel schlimmer, denn mein ÖPNV-Fluch scheint auch in Korea ungebrochen zu sein: wir gerieten im innen ziemlich merkwürdig aussehenden und deutlich weniger komfortablen (verglichen mit der Hinfahrt) Bus in einen Monsterstau und brauchten knapp 5 statt der avisierten 2 Stunden L Es zog und zoooog sich und neben knackte stets auf Tuchfühlung (eine Zwischenarmlehne gab’s nicht) eine Koreanerin der fernen Ankunft entgegen

Koreanerin, knackend, in Bus, merkwürdig

Dann, endlich, das erste Schild, auf dem von „Seoul“ (in lateinischer Schrift) die Rede war! Dann kann’s, dachte ich Unschuld vom Lande, ja nicht mehr so weit sein. Geschissen. Hat von da an noch ne Stunde gedauert, um vom Rande Seouls zur Busstation in Gangnam zu kommen. Da begann ich bereits zu ahnen, wie riesenhaft, wie kolossal diese Stadt ist. Irgendwann war es dann soweit, ich stand in Seoul in einem Busterminal. Allein das war schon so groß wie in anderen Städten der Hauptbahnhof. Ich fragte mich zur Metro durch, erwarb ein Ticket und fand mit etwas Mühe und mithilfe einer App heraus, mit welchen Bahnen ich wie fahren und wo umsteigen mußte, um nach „Samseong“ zu kommen, wo mein Hotel ist. Unglaublich, wie groß auch die Metrostationen hier sind! In Samseong angekommen, nahm ich einen (den falschen) der 7 (!) Ausgänge und wurde erstmal vom Anblick der gewaltigen Hochhäuser überall um mich herum erschlagen und spürte, was es heißt, wirklich mitten in Seoul mit seinen knapp 10 Mio Einwohnern zu sein, gegen das selbst New York irgendwie überschaubar wirkt

irgendwo in Seoul

Nach längerem Staunen und Eingewöhnen navigierte mich mittels Internet und Google Maps zum Hotel,

das Peyto war's

wo ich eincheckte und räumlich deutlich beengter, dafür sauberer und moderner als in Sokcho zu hausen kam. Nach kurzer Rast, Duschung und Lebensgeisterneuerweckung nahm ich Kontakt zu Kollegen auf, die schon seit demVortag in Seoul waren und nach einem Tag touristischer Aktivitäten gemeinsame Abendspeisung begehrten. Mit Hilfe (oder muß es hier „trotz“ heißen?) der navigatorischen Bemühungen einer Kollegin irrte ich eine Weile durch Gangnam, bis ich endlich zur Truppe stieß und wir nach kurzem Lokalwechsel tatsächlich doch noch etwas zu essen bekamen:

"hot pot" mit Rindfleisch, so ne Art "Stew", dazu die üblichen Beilagen, wobei davon das auf dem kleinen Teller ganz links am fiesesten aussah und am besten schmeckte

Danach war ich rechtschaffen erledigt und strebte durch's nächtliche Seoul

steht da so rum zur allgemeinen Ergötzung

der für den nächsten, letzten reinen Tourismus-Tag erforderlichen Nachtruhe zu. Und damit endet auch die tagebuchartige Erzählung und gehe ich zu einer allgemeinen und selbstredend bebilderten Schilderung der Attraktionen und Sehenswürdigkeiten Seouls über.
 

Dienstag, 22. August 2017

Das Korea-Experiment - Teil I

So richtig Bock hatte ich mangels Interesse an dortiger Kultur und Bevölkerung ja nicht auf Südostasien und damit auch nicht auf Korea. Aber die ISFG-Tagungen sollte man schon besuchen, wenn man Forensischer Genetiker ist und es irgendwie geht und da selbige 2017 in Seoul stattfand, gab ich mir einen Ruck und buchte die Flüge nach Südkorea. Das ganze Reiseunterfangen wird/wurde also ein Experiment, da ich keine Ahnung habe/hatte, was mich erwarten und wie ich dort klarkommen würde. Ich werde daher versuchen, meine Eindrücke etwas detaillierter zu schildern, um zu vermitteln, wie es mir dort ergangen ist.
Da ich direkt nach der Tagung heim- den ganzen Aufriß aber nicht nur für eine Woche machen wollte, plante ich vor Seoul noch eine Woche Urlaub ein, der bitteschön in der Nähe von Bergen UND Meer stattfinden sollte. Also Sokcho: direkt am japanischen Meer und ganz nahe am Seoraksan Nationalpark. Nachdem die beiden Asis Trump und Jong-Un sich dankenswerterweise wider Erwarten doch nicht zu einem Atomkrieg und das auswärtige Amt nicht zu einer Reisewarnung hatten hinreißen lassen, hob ich am 20.08., in der Hoffnung, unatomisiert zurückzukommen, um kurz vor 2 in einem Turkish Airlines-Flieger in Hamburg ab.

Die Anreise und erste Eindrücke
Natürlich funktionierte meine Medienabspielstation nicht (und Erinnerungen an den Flug nach Australien wurden wach). Auch ein Reset, den ein Steward herbeiführte, besserte die Lage nicht. Nach meiner zweiten Reklamation starteten sie offenbar die ganze Flugzeugelektronik neu (jedenfalls gingen kurz das Licht und alle Geräte an allen Plätzen aus), dann ging es. Man wollte ja keine Umstände machen Oo Die erste Zwischenstation war dann der Flughafen von Istanbul, wo ich im Transitbereich blieb und damit wohl etwaigen erdoganschen Randomverhaftungen entging ;-) Der Türke, muß ich sagen, hatte es warm, voll und knüsselig. Um mir die Wartezeit zu vertreiben, aß ich beim türkischen KFC-Pendant ein paar Hühnertrümmer und spülte sie mit nachgemachter Cola (sie können es einfach nicht lassen :)) hinunter (,wo sie netterweise auch blieben, was angesichts der Zustände an der Zubereitungsstätte alles andere als selbstverständlich schien).
Dann ging ich zum Gate, wo schon ein Häuflein kleiner, schnatternder Koreaner auf die Heimreise warteten, was in mir die Hoffnung weckte, daß ich, sollte ich neben einer jener Kleinpersonen zu sitzen kommen, wenigstens Platz haben würde. Halbwegs pünktlich ging es dann los und natürlich saß ich neben einem riesigen Usbeken, der neben Inhaber eines entschieden käsoiden Fußgeruchs auch Anhänger der Stoa zu sein schien: So sprach er nicht nur in gebrochen englischen Ein-Wort-Sätzen: "Apple!" (er wollte Apfelsaft), "Meat!" (er wollte das Gericht mit Fleisch), "Friend! Toilet!" (er wollte mal durch und wohin), er starrte auch 9 Stunden lang ausdruckslos auf das Außenkamerabild des Flugzeugs, ja, auch als draußen dunkel war.
Der Flug zog sich, irgendwann brachten sie, auf der inneren Uhr war es 3 Uhr nachts, ein Frühstück, dann landeten wir in Incheon bei Seoul,


wo es halb eins Mittags war. Der Koreaner hat das mit der Technik & so alles sehr gut im Griff, es fuhr eine Transitmetro vom Gate zur Haupthalle, alles war supersauber und ging schnell, auch das übliche Paßvorzeigen, Nichtszuverzollenhaben und Kofferschnappen und so trat ich ca. 20 Minuten nach der Landung bereits in die Empfangshalle, die voller meist westlich orientierter Freß- und Trinkbuden war. Dort hatte ich ca. 3 Stunden totzuschlagen, bis mein Bus nach Sokcho käme. Da ich mittellos war, suchte ich als erstes einen "Global ATM"-Aparillo auf. Nachdem ich die gesamte Theater, Sprachauswahl, Kartenwahl, Barabhebung, PIN, Betrag, Bestätigen, durchexerziert hatte, ließ mich das Gerät nach gewichtigem Summen und Knarzen wissen, daß es sich beim soeben vollzogenen um eine "invalide Prozedur" gehandelt habe und es sich gezwungen sehe, hier abzubrechen und mir meine Karte wieder auszuhändigen. So geschah es. Und so geschah es auch bei den nächsten 3 Automaten, woraufhin ich mich mit aufsteigender Panik schon als Obdachloser in den Straßen Seouls enden sah, der sich mit fragwürdigen Dienstleistungen (über die er nichtmal in der Landessprache würde aufklären können) das Geld für eine Fahrt nach Sokcho verdienen muß.  Bei Nr. 5 klappte es dann  und als ich endlich etwas Geld hatte, erwarb ich als erstes einen Doughnut der Marke Krispy Kreme und dazu einen Strawberrysmoothie und fand mich sehr kosmopolitisch.
Anschließend versorgte ich mich schonmal mit einer Busfahrkarte, wobei ich sogar den Platz reservieren konnte. Und um des angeblich ja so großartig ausgebauten koreanischen Internets teilhaftig zu werden, erwarb ich auch noch eine SIM-Karte mit Datenflat für 30 Tage, die aber keine Telefonate gestattet. Fuffzich Euro, Alter! Egal, mußte sein. Und zack war ich mit 4G online und sandte erste "bin angekommen und lebe noch"-Nachrichten. Lief. Dann kam der enorm noble, selbstverständlich klimatisierte und mit bequemen Ledersesseln ausgestattete Bus,

nobel geht die Welt zugrunde. Ich fuhr nie komfortabler Bus


dessen behandschuhter Fahrer mich innert etwas mehr als dreier Stunden schnell und sicher schnell nach Sokcho expedierte.
Sokcho ist eine Kleinstadt und im Gegensatz zum Flughafen keineswegs durchgängig zweisprachig ausgeschildert und so stand ich bald schon um halb 8 abends - da ist es hier schon total duster - bei strömendem Regen an einem koreanischen Busterminal, verstand null und konnte genau nix lesen. Eine interessante Erfahrung. Von hier sollte ich das Hotel anrufen und jemand würde mich einsammeln, hatte es geheißen. Allein, die koreanischen Münzfernsprecher enthielten keine für den des Koreanischen Unkundigen brauchbare Information, wie sie zu bedienen und wie zu entgelten seien. Also: raus mit der neuen und rein die alte SIM-Karte ins Motele, warten auf's Roamingnetz und die genannte Nummer gewählt. Sagen wir: ich weiß jetzt, wie "Kein Anschluß unter dieser Nummer" auf Koreanisch klingt. Fuck! Der Fußweg würde laut Google ca. 2 Stunden dauern, nach 30 Stunden ohne Schlaf, mit Koffer, Posterrolle und bei Wolkenbruch nichts, was ich so richtig granatenmäßig erbaulich fand. Als ich da so mit dieser Perspektive im Regen stand, legte die Lebensfreude jedenfalls eine kurze Verschnaufpause ein. Doch ich blieb cool. Also: alte SIM raus, neue SIM rein, andere Nummer von dem Bums gegoogelt, neue SIM raus, alte SIM rein und da angerufen: "Hi, do you speak English?" "Aah, onnli littel bitto!" Es war nicht leicht, dem guten Mann verständlich zu machen, wer ich sei, wo ich mich befinde und was ich denn eigentlich wolle und ich habe jetzt schon Angst vor der Telefonrechnung. Trotzdem und tatsächlich fuhr der Hotelonkel (unbekannten und -genannten Namens) nach ca. 15 min vor und holte mich ab. Da er zwar sehr nett war aber auch sehr kein Englisch konnte, geriet die Kommunikation eher rudimentär, doch ich hörte heraus, daß es kein Abendessen gebe und er daher anbot, einen Supermarkt aufzusuchen, wo ich das nötigste würde erwerben können. Also befand ich mich 10 Minuten später in der für mich reichlich bizarren Situation, durchnäßt und mit einem mir völlig fremden Koreaner einen Einkaufswagen durch einen koreanischen Supermarkt zu schieben und unter dessen interessierten Blicken Lebensmittel für die Selbstversorgung der nächsten Tage erwerben zu sollen. Ich mußte über meine Lage erheblich schmunzeln und auch über sein Entsetzen, als ich von einem Strauß Bananen vier abriß. Er, mit aufgerissenen Augen, sich schuldbewußt umschauend: "Nooooo!" und legte hastig die verbliebenen fünf auch in den Wagen, woraufhin ich mich spontan entschloss, neun verdammte Bananen zu erstehen :D Als ich ihn fragte, wo es denn wohl Butter gebe, sah er mich an wie einen Hängengebliebenen und fragte: "Juä wannte BATTA?! Why?!" Ich entschied mich, auf eine Erklärung zu verzichten und fand das gewünschte Streichfett in der Exotika-Ecke für umgerechnet coole ca. 7 Euro, auch das Nutella und die Erdnußbutter waren sackoteuer wohingegen ich so ne Tüte Tintenfischschließmuskelringe zum Knabbern für 'nen Tausender (Won, ca. 75 Cent) hätte haben können.
Mit den Einkäufen ging es dann endlich zur Pension, wo der Bizarrerie des Tages die Krone aufgesetzt wurde: mein Zimmer war eine vollkommen abstruse Mischung aus koreanischem Hightech (nagelneuer 140 cm Flatscreen, WLAN überall, Elektronik-Klo mit 13 Bedientasten) und Schangeligkeit (schrottige Türen, häßliche Lampen (ein paar davon kaputt), angeranzte Küche), aus Luxus (nobler Alkoven mit prächtigem Doppelbett, weiterer Alkoven mit Whirpool und zweitem Fernseher, den man nur vom Whirpool aus benutzen kann)

jap! Eigene Whirlpoolecke, Zimmerpflanzen und ägyptische Fresken. So soll es sein!

 und unfaßbarem Kitsch (unsäglicher Nippes und Zierrat an Wänden und in Regalen, völlig geschmacklose und nicht zusammenpassende Möbel und Vorhänge).

die ganze, bizarre Pracht!

Die (dringend benötigte) Dusche nahm ich unter einer Vorrichtung, die in der Ecke des Bades aber nicht vom Rest des selbigen abggrenzt war. Das Wasser läuft so einfach über den halben Boden und fließt dann an einer tiefergelegten Stelle ab. Gegen die nassen Füße soll man sich mit den überall bereitgestellten Latschen schützen, die hier nur leider in Puppengröße und damit für mich unbrauchbar sind. Ich war zu fertig und zu verdutzt, um am Abend noch das Klimagerät ausfindig zu machen und in Betrieb zu nehmen und so lag ich schon bald zwar geduscht aber schon wieder transpirierend, mit zwei Bananen im Bauch, bei ca. 27°C Innentemperatur auf einer diamantharten Matratze, fand keinen Schlaf und im riesigen Fernseher von 285 nur zwei nicht-koreanische Sender. Bei dem Gedanken, nun 6 Nächte lang nur schlecht oder kaum schlafen zu können, tat ich mir etwas leid und fühlte mich so weit von zu Hause wie noch nie zuvor im Leben. Dabei waren Freunde und Familie nur ein paar Tastendrücke entfernt, denn auch hier gab es eine perfekte Internetverbindung.
Irgendwann gab ich auf, raffte die Bettdecke zusammen und zog um auf's alberne, rosa Prunksofa, auf das ich zwar nur gerade so passte, dessen Polster aber weich und breit genug für diesen schweren Leib war und mich endlich einschlafen ließ.


Erster Tag
Ich wachte auf und sah auf die Uhr: 6:35 Uhr. Von wegen, dachte ich supermüde und schlief weiter. Ich wachte auf und sah auf die Uhr: 11:15 Uhr. FUCK! Scheiß-Jetlag. Und auch noch das Frühstück, das sie hier anbieten, verpennt. Zum Glück hatte ich ja gestern alles gekauft, briet Toast und Ei in der Pfanne auf dem Gasherd und mahlte mit der selbstverständlich vorhandenen Omma-Kaffemühle eigenhändig ein paar Bohnen für den Kaffee, den ich in einer winzigen Ein-Tassen-Kanne mittels Filterhalters aufbrühte.

ja, eine schöne Tischdecke!

Beim Abspülen mit heißem Wasser stieg soviel Wasserdampf auf, daß der Rauchmelder über mir Alarm schlug und mir barsche aber quäkige koreanische Anweisungen gab. Ich drehte sofort alles zu und sah mich schon einer koreanischen Feuerbrigade mit Händen und Füßen erklären, daß es sich um einen Irrtum handle, doch zum Glück sind die Dinger hier wohl nicht an ein Zentralmeldesystem angeschlossen und der Spuk hörte sofort wieder auf. Warum man aber einen Rauchmelder 1,20 m direkt über einem Gasherd anzubringen für eine sinnvolle Sache hält, wird der Koreaner wohl für sich behalten.
Nach neuerlichen Großduschungen trat ich ins ca. 30°C heiße Freie und marschierte durch Gemüsefelder und bäuerliche Ansiedlungen zur mir gewiesenen Bushaltestelle. Der Bus kam nicht zur angekündigten Zeit (ich wartete 10 min länger als angeschrieben), also ging ich zu Fuß los, wurde selbstverständlich sofort vom Bus überholt und erreichte etwa 20 min später das Touristen-Infozentrum am Seorak Sunrise Park, wo ich mir ein paar Informationen in gebrochenem Englisch abholte (wieso können hier nicht mal die Touristen-Informierer vernünftig Englisch?) und gegenüber in einen Bus zum Seoraksan-Nationalpark stieg. Nach einer halben Stunde kamen wir an und … wie soll ich sagen… das Ding ist nicht umsonst so berühmt und beliebt. Es ist wunderschön da! Inmitten von Bergen mit bewaldeten Hängen und Tälern mit Flüssen schlängeln sich Wanderwege, spannen sich Brücken über Bächlein, stehen Tempel und Buddhas. Ein asiatisches Märchenland, man könnte hier sicher Wochen verbringen und würde sich doch kaum sattsehen.
Ich lief erstmal ein wenig auf und ab, natürlich war es im Eingangsbereich auch sehr touristisch, mit zig Freßbuden, Souvenirhöllen etc. und vermittelte so mehr ein Freizeitpark- als ein Naturpark-Gefühl. Dem trug ich Rechnung, indem ich als Erstes das „Cable Car“ ansteuerte und mit dieser Kabinengondelbahn auf den Gwongeumseong hochfuhr. Die Aussicht war phänomenal




und wurde noch besser, als ich zu Fuß auf den Gipfel kletterte:

BÄM!


Begeisterung!

Außerdem gab es da oben noch ein Tempelchen, in dem ein einsames Mönchlein hockte, das, als es ich bemerkte, mir Mitteilungen zu machen trachtete, allein ich verstand ihn nicht und wir einigten uns schließlich auf freundliches Nicken und Verbeugen. Mein Besuch hat ihn aber wohl inspiriert, denn kaum war ich außer Sicht, hub er an zu singen.
Wieder im Tal sah ich mir noch den Sinheungsa-Tempel


goldene Buddha-Triade
 
und den  Tongil Daebul, den beeindruckenden, 14 m hohen Großen Budda der Wiedervereinigung an,

Als ob er horchte. Stille: eine Ferne...
Wir halten ein und hören sie nicht mehr.
Und er ist Stern. Und andre große Sterne,
die wir nicht sehen, stehen um ihn her.

O er ist alles. Wirklich, warten wir,
daß er uns sähe? Sollte er bedürfen?
Und wenn wir hier uns vor ihm niederwürfen,
er bliebe tief und träge wie ein Tier.

Dann das, was uns zu seinen Füßen reißt,
das kreist in ihm seit Millionen Jahren.
Er, der vergißt, was wir erfahren,
und der erfährt, was uns verweist.

R.M. Rilke


in den man auch hineingehen und darin einen mystisch anmutenden Betraum finden kann

man durfte hier nicht photographieren und doch existiert dieses Bild. Et voilà, ein Koan :-)
Ich lief herum, schaute, staunte, aß eine Kleinigkeit, hielt die Beene in ein kühles Bächlein


und verließ den Park erst wieder, als es zu dämmern begann. Es gibt da noch so viel zu sehen und ich werde schon bald wieder herkommen!
Zurück in der Pension stillte ich den Residualhunger mit was man so aus Eiern, Toast und Erdnußbutter herstellen kann und stürzte mich in die abendlichen Pflichten, die neben umfangreicher Korrespondenz darin bestehen, dies hier niederzuschreiben. Dank Jetlag fand ich erst gegen 20 vor 2 zur Ruhe, aber irgendwas ist ja immer.



Zweiter Tag
Diesmal verpennte ich nicht und erschien pünktlich in der merkwürdig kurzen und eigenwilligerweise exakt von 8.50 – 9.50 Uhr bemessenen Frühstückszeit, zu der man aber spätestens bis 9.10 Uhr erscheinen muß (so steht es extra im Handout). Ich fand mich dazu im – ich weiß, ich nutze dieses Wort stark ab, aber es ist wirklich angebracht – extrem bizarren „Café Dazzling“ ein. Bilder sagen hier mehr als Worte:

ja, Sie sehen richtig: Kaffeevollautomat rechts neben einer Art Spielzeugschloß auf einem Tresen mit Holzinsekten, Erzgebirgezwergen, im Hintergrund Weihnachtsdeko und ein Nußknacker. Vorne im Tresen: hunderte von schwarzgebrannten DVDs zum Ausleihen mit liebevoll farbkopierten Covern.

an den Wänden Weihnachtsstrümpfe und Zierteller
 Man fragt sich wirklich, ob die Koreaner das für typisch europäische "Kultur" halten und wenn ja, warum es dann ausgerechnet hier so leicht überdosiert zum Einsatz kommt. Falls das jedenfalls der Eindruck ist, den "wir" auf die Leute hier machen, schäme ich mich ein bißchen...

Angenehm merkwürdig jedenfalls wurde diese Szenerie komplementiert mit einem koreanischen (?) Frühstück, das aus einer Tasse Pilzcremesuppe, einem Spiegelei, einem (!) bleichen Miniwürstchen, einem watteweichen, moosfarbenen Brötchen, einem Minicroissant, einem Stück Banane, einem winzigen Eckchen Ananas, einem Teller Salat und drei in Folie eingeschweißten Keksen, selbstverständlich präsentiert in einer Oma-Etagère, bestand. Dazu reichte man mir einen Orangensaft. Kaffee konnte man sich am modernen Vollautomaten (wieder dieser Kontrast zwischen Hightech und Trash) selber machen. Auf die Frage, ob es Zucker gebe, zeigte der nette namenlose Koreaner auf eine Flasche Sirupartiges, auf die Frage, ob es Milch gebe, lachte er und sagte kopfschüttelnd, als habe ich etwas wirklich albernes gefragt: „Nooooo!“. Die Suppe schob ich weit von mir, den Rest aß ich mit Amusement, das sich noch steigerte, als neben mir eine vierköpfige koreanische Familie Platz nahm, die, bevor sie sich geräuschvoll und mit jeweils weit offenen Kaumündern des Dargebotenen bemächtigten, inbrünstig dem Herrn Jesus Dank für die gebotenen Merkwürdigkeiten zubeteten. Ich entschied, es für geboten zu halten, mir an den hier noch verbleibenden Morgenden wieder mein eigenes Frühstück auf Stube zu machen.
Da es zugezogen hatte und laut Wettervorhersage mit Regen zu rechnen war und ich außerdem noch mancherlei aus einem Supermarkt benötigte, das ich überforderterweise am Anreisetag nicht antizipiert hatte, fuhr ich im Bus statt zum Seoraksan nach Sokcho rein (die Pension hier liegt eher außerhalb), das und dessen Strand ich ohnehin noch in Augenschein nehmen wollte. Und ich muß sagen: Scheiße, ist das häßlich!




Eine unappetitliche kleine Stadt, mit viel Verkehr, der aber wenigstens noch von behandschuhten Trillerpfeifen-Schupos geregelt wird,


reichlich Dreck, schangeligen Butzen und ohne jeden Charme.

Radweg und Münzfernsprecher. Zwei Dinge, die ich hier noch kein Schwein habe benutzen sehen.

Ich suchte mir als erstes den Weg zum Strand. Dieser war zwar durchaus vorhanden und auch mit Potential ausgestattet, allein:

wäre ja auch verrückt, an 'nem Strand

Ich hätte mich trotz des mediokren Wetters wohl drüber hinweggesetzt, führte jedoch weder Badebuchse noch Handtuch mit (die Handtücher in der Pension sind übrigens alle winzig, Duschhandtücher kennt der Koreaner offenbar nicht), so daß ich eventuelle Badefreuden auf vielleicht später verschob und in die Innenstadt zurückkehrte, wo ich den Expo-Tower in Augenschein nehmen und ja noch einen Supermarkt aufsuchen wollte. Auf dem Weg zu jenem Turm stieß ich aber unvermittelt auf die eigentliche Attraktion/Sensation Sokchos: einen verlassenen Rummelplatz am Hafen: das tieftraurige Sokcho EXPO World Land!
Es gibt ja kaum etwas trostloseres und zugleich horrorfilmmäßig gruseligeres als solche Orte, wo aus Verwahrlosung, Aus-der-Zeit-Gefallensein und dem verblichenem Glanz der Kinderfreuden längst vergangener Tage ein düsteres und seelenerstickendes Echo von Verlassenheit, Verfall und gespenstischer Einsamkeit widerzuhallen scheint.

This too shall end...

Du schuldest der Welt noch einen Tod!
 
Bleiben ist nirgends...

Ich stand lange dort, in Gedanken versunken, passende Musik im Ohr und grübelte über die Ironie des menschlichen Daseins. Danke dafür, Sokcho :-/
 
Den Turm, der auch nicht gerade eine Schönheit ist,


erreichte ich dann irgendwann, ließ ihn aus Protest unbestiegen und amüsierte mich stattdessen über die zu seinen Füßen auf winzigen Moppeds kreisenden und zivilen Ungehorsam übenden Koreaner:

alles cool, er fährt nach rechts
 
Anschließend fand ich auch einen großen Supermarkt, der über ausreichend gute Auswahl verfügte, um u.a. auch Qualitätsschokolade aus der Heimat feilzubieten

home, sweet home


und wo ich alles fand, was ich brauchte, noch einiges mehr, was ich nicht brauchte und unglaublich viel, von dem ich nicht mal wußte, was es überhaupt war. Ich erwarb vorsichtshalber auch einen Regenschirm, der gleich als ich ins Freie trat, einer Dichtigkeitsprüfung zu unterziehen war, denn es hatte sich unterdessen gründlich eingeregnet, worin auch meine Lust auf weitere Erkundungen in diesem tristen Kaff absoff. Ich fuhr also heeme, aß „Deutsche Wurst“ mit Senf, schaute Youtube auf dem großen Fernseher, an den ich über HDMI mein treues kleines Netbook, Begleiter auf vielen Reisen, angeschlossen hatte und war’s zufrieden.
Ach, wo ich schon daheim/dabei bin: hier noch ein paar Eindrücke der hiesigen „SPA Pension Basso“, die ebensoviel mit „SPA“ zu tun hat, wie hier ein „Barrista“ und ein „Sommelier“ angestellt ist (steht trotzdem draußen auf dem Schild) :D

ganz schnuckelig, ne? Abends muß man sich dann noch unentwegt grillende Koreaner im Bild vorstellen. Und ne Hollywoodschaukel hat's hier auch :)

Dritter Tag
Toll, wieder so ein grauer, regendrohender Himmel. Ich entschied mich zu zocken und die beiden noch anstehenden Besuche im Seoraksan auf Freitag und Samstag zu schieben, wann das Wetter besser werden soll, und heute… tja, was blieb übrig als noch mal in dieses elende Sokcho zu fahren, bevor ich hier rumsitze. Dort soll es ja ein kleines Fischerdörfchen namens Abai (grüner Pfeil auf der Karte unten) geben, das mal in einer koreanischen Seifenoper aufgetaucht ist und wo es leckere Tintenfischwurst gebe (ja ja, die Ansprüche werden kleiner).
Nach dem inzwischen - dank neuer Ausstattunng - recht ordentlichen Frühstück auf Stube ohne Suppe dafür mit Simpsons-Biscuit-Müsli und Toast legte ich das Touristengeschirr an, den neuen Schirm wohlweislich einsteckend, latschte und busste los und fuhr diesmal fast komplett um das Hafenbecken rum, bevor ich ausstieg (roter Pfeil):


ich muß mein harsches Urteil von gestern über Sokcho etwas abmildern, denn hier war es zumindest ganz ok, nicht so viel Verkehr und eine lange Straße voll ulkiger koreanischer aber auch westlicher Kettenläden, teilweise dasselbe Produkt anbietend direkt Wand an Wand:


Anhand der Zahl von Kaffeehökern, die ich allein in Sokcho schon gezählt habe, sollte man meinen, der Koreaner genehmige sich sehr oft und gerne einen kleinen oder großen Braunen. Anhand der Zahl der Kunden, die in den Läden tatsächlich drin sind (bzw. eben nicht) ist dann das Gegenteil zu vermuten. Je nun. Jedenfalls erweckte Sokcho auf dieser Seite des Hafens mehr den Eindruck einer stark Fischfang und –verzehr orientierten Hafenstadt mit wirklich unzähligen Stätten für Fischverkauf, -zubereitung, -verzehr

hier kann man auf dem draußen bereit stehenden Hometrainer die feisten Lachspasteten gleich wieder abstrampeln, nehme ich an

 und –merchandise. In dieser langen Passage z.B.


gab es neben wilden, wilden Gerüchen vor allem sehr viel (zum Teil noch lebenden) Fisch


und Seafood, von roh bis verzehrfertig frittiert und jede Menge Pasten, Pulver, Schlämme, Tunken, Stäube und andere dunkle Dinge ungeahnter Provenienz und Zwecke


Ich spazierte sehr gemütlich im erratischen Gassenzickzack, immer wieder stehenbleibend, schnüffelnd, probierend/dankend ablehnend („dindin“ sagt der Koreaner) das ganze Viertel ab, bis ich an die Stelle kam, an der man mit einer Art Floßfähre

unter Einsatz eigener Körperkraft mit Haken, wie der Oppa sie da in der Hand hat, mußten die Männer an Bord das Seil auf dem Boden quer über das Boot ziehen, wodurch sich das Boot am quer über den Kanal gespannten Seil entlang bewegte
auf die andere Seite nach Abai übersetzen konnte. Ich mach’s kurz: da gibt’s nichts interessantes. Die Tintenfischwurst habe ich mangels Hunger nicht probiert (gab’s nur in Riesenportionen) und die Seifenoper kenne ich nicht. Es gab natürlich eine Kaffeebude


und auch reichlich Tristesse


Aber auf dem Rückweg auf die andere Hafenbeckenseite gab es von der Brücke herab wenigstens noch einen schönen Ausblick auf Sokcho und den Seoraksan im Nebel dahinter:


 Ich trieb mich noch ein wenig in Sokcho 'rum, kurbelte die koreanische Wirtschaft an und weckte zugleich eine unterarbeitete Barrista-Dame, indem ich an einer mir über den Weg laufenden Kaffeebude eine Vanilla-Latte (cold? yes, please!) orderte und erst den Rückweg antritt, als mir durch den doch noch einsetzenden unflätigen Regenguß die Motivation für weitere Erkundungen davonschwamm (Metaphern? Kann ich.)
Rest des Tages wie gehabt: Urlaubskram. Müll fressen, Youtube schauen, paar Situps rausquälen, Korrespondenz pflegen, lesen, schreiben... wat man so macht. Morgen wieder Seoraksan. Sch'freue mich!