Sonntag, 16. Februar 2014

Innsbruck


Werte Echtzeit-LeserInnen: Dieser Beitrag wird täglich aktualisiert, solange ich noch in Innsbruck bin.

Da hat es mich doch, nachdem ich nun schon ungezählte Male mit H. Isaac zusammen sein Verlassenmüssen musikalisch nachempfunden und mich sogar zu dieses Blogs Namen von jenen sehnsuchtsvollen Klängen inspirieren lassen habe, endlich und tatsächlich nach Innsbruck verschlagen. Eigentlich anläßlich einer Dienstreise doch vor Antritt des Dienstgeschäftes gönnte ich mir noch einige Tage Urlaub.

Tag 1

Na toll! Da klappt ausnahmsweise mal alles in puncto Hinreise (bis auf eine kleine Verspätung beim Abflug - man hatte noch neue Reifen auf's Flugzeug zu ziehen, hieß es. S'besser, meine ich. Angesichts der regnerischen Verhältnisse sind die üblichen Slicks vielleicht suboptimal) und ich komme ungehindert im triefenden, schneefreien und seinen ihm nachgerühmten Charme derzeit wirkungsvoll verhehlenden Innsbruck an, da verwechsele ich auch gleich die Hotels. Ich fuhr mit dem Bus in die Innenstadt, wo ich im Hotel schräg gegenüber dem goldenen Dach erfuhr, daß dieses keinesfalls die richtige Filiale der unter gemeinsamem Markennamen firmierenden Hotels sei, sondern daß die meine sich -natürlich - direkt neben dem Flughafen, von dem ich just gekommen war, befinde. Also wieder in den Bus und zurück. Wir ham's ja!
Und in der Tat: von meinem Zimmer aus kann ich den Tower sehen und somit nur hoffen, daß hier Nachtflugverbot herrscht. Das Zimmer ist passabel, immerhin ****, WLan inklusive, die Aussicht auf Flughafen und Umfeld, wird in ihrer Tristesse durch die umfriedenden Ausläufer der Tiroler Alpen abgemildert. Nach Abwurf des Mitgeführten ließ ich mich vom eigens herbeigerufenen Skiverleih-Knilch wieder in die Innenstadt kutschieren, wo ich mir Ski und Stiefel aussuchte und diese anschließend schon einmal ins Hotel schaffen ließ, alldieweil ich selbst noch ein wenig Innsbrucks Straßen anzusehen beabsichtigte. Wie sich herausstellte, gewann ihre Strahlkraft nicht durch das vorherrschende Fascho-Wetter

selbst Tirol kann trist
Und auch die Triumphalität der Triumphpforte ließ erheblich Federn



Dennoch wandelte ich beschirmt aber nicht beschwingt ein Weilchen vor mich hin und sah die ein oder andere Säule


und irgendwie mochte ich die düstere Stimmung auf der Maria-Theresien-Straße, mit den dräuenden Bergen in der jenseitigen Finsternis und ein paar gelben Lichtäuglein, die davor leuchten.


Naja und in Innsbruck darf auch das "Dachl" nicht fehlen, das bei Dunkelheit und Regen nicht mit seiner Güldenheit zu prahlen vermag.


Man muß das Adjektiv einfach glauben und sich, wie ich mir, vornehmen, es ein andermal zu besuchen.
Auf dem Weg zu / Suche nach einer gastlichen Abendbrottstätte sah ich noch das hier



und Mitleid mit der zivilisatorischen Unvollkommenheit des Nachbarlands, in dem es immer noch kein echtes Rauchverbot gibt, überkam mich. Wo ich schließlich zu speisen mich niederließ, konnte man friedvoll verharren, denn gute Menschen rauchen, dem Aphorismus widersprechend, nicht Zigarren.
Gesättigt stieg ich endlich ein drittes Mal in den Bus, mit dem ich zum Hotel zurückkehrte, wo ich zum Abschluss des Tages noch Sauna und Wellnessbereich in Augenschein nehmen wollte. Dazu aber morgen mehr.


Tag 2

Ich erhob mich zur gänzlich unurlaubigen Zeit von 7 Uhr, denn um 8.30 Uhr, so war's versprochen, sollte mich bereits der kostenlose Skibus aufsammeln und auf den Axamer Lizum hinaufschaffen. Vorher gab es aber ein recht ordentliches Frühstück, von dessen Buffet ich einige Früchte als Pistenverpflegung mitgehen ließ. Um 8.25 Uhr stand ich fertig gerüstet bei nach wie vor grauem Regenwetter vor dem Hotel und der Bus war sogar schon da. Der Dialog mit dem redseligen Fahrer (bis zur ersten Zwischenstation, wo ich den Bus wechseln mußte) geriet durch seinen schweren Tiroler Dialekt bei gleichzeitigem vollständigen Fehlen von Vorderzähnen zu einem lustigen Ratespiel und ich bin nicht sicher, daß ich auf seine Erläuterungen und Fragen immer mit einer sinnvollen Antwort reagiert habe. Sei's drum. Dafür wurde ich bei einem Blick durchs Fenster mit der folgenden Trouvaille belohnt



und ich fragte mich, ob hier eine dem Waffengattungsdünkel beleidigter Florettisten entsprungene Schmähung oder aber eine in Richtung der ehemaligen Besatzungsmacht gewandte pazifistische Parole der freundlich-gelben Wand überantwortet wurde.
Das Wetter schien indes zunächst nicht dazu angetan, großes Skivergnügen in Aussicht zu stellen, doch auf dem Lizum angekommen schien tatsächlich die Sonne.


 


Nach dem Erwerb einer Liftkarte schnallte ich mir nach bestimmt 10 Jahren Abstinenz endlich wieder die Bretter an, die die Welt Schneevergnügen bedeuten und ließ mich erhaben von einem Ankerlift auf den Idiotenhügel schleppen.

Hügel voller Idioten und ich
Was soll ich sagen? Es war, als wäre ich nie weg gewesen und auch der neue Ski-Typus ("Carving") machte mir keine Probleme. Ich fuhr ein paar Kurven, bremste, rutschte seitwärts - alles ging prima. Nach der zweiten Runde Idiotenhügel fühlte ich mich ausreichend wieder in Form, um der ehemaligen olympischen Damenabfahrt zu Leibe zu rücken. Ich packte also mein Gelumpe und stieg in die Olympiabahn, auf der eine gewaltige, schräge Kabine auf Schienen auf den Gipfel fährt.



Und hier der Beweis: ich war da.



Und da lag sie vor mir, die Abfahrt.



Auch das ging gut, die letzten paar hundert Meter hielt ich mich nicht mehr mit läppischem Kurvenfahren auf sondern versuchte, einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen. Leider war die entspr. Messanlage außer Betrieb (oder, sie ist durch mein Tempo überlastet worden und explodiert - man weiß es nicht). In bester Stimmung fuhr ich gleich nocheinmal hoch, machte aber diesmal auf Viertelstrecke am Dohlennest halt für ein zweites Frühstück der Champions



Auf dem letzten Teil der Abfahrt begann es dann aber, zuzuziehen



und ich beschloss, eine schwierigere Piste in Angriff zu nehmen. Ich weiß, diese beiden Aussagen bilden auf den ersten Blick keine besonders sinnvolle Kombination aber nun. Ich stieg also auf die Schönbodenbahn, eine Gondelbahn, und fuhr empor. Oben ließen die Sichtverhältnisse "etwas" zu wünschen übrig



und ich fuhr relativ blind in die graue Suppe. Ich versuchte, der Pisto zu folgen, stand aber nach 2 Minuten irgendwo im Tiefschnee und sah keine Markierungen mehr. Ich dachte: runter kommen sie alle und tuckerte gemächlich vor mich hin, bis ich irgendwann tatsächlich wieder auf eine Piste stieß. Diese war etwas giftig und die vereisten Stellen und die nicht vorhandene Sicht ließen meine Abfahrt etwas "robust" werden und ganz sicher nicht glamourös aussehen. Dennoch kam ich nach einer Weile wieder unten an und fand, daß es damit für diesen Tag sein Bewenden haben sollte. Mit dem Bus ging es also wieder direkt vor's Hotel, von wo es nach einem kurzen Duschbad in der grandiosen Regendusche wieder nach Innsbruck ging, da das Wetter inzwischen besser war.

Nach kurzen Verschnaufungen und Waschungen zog es mich erneut nach Innsbruck, um der Stadt auch einmal bei Tageslicht und ohne Regen ansichtig zu werden. Und siehe da, das Dachl ist tatsächlich golden


Es gelang mir nun auch besser, die Stimmung und das Flair Innsbrucks aufzunehmen und ich hatte zugleich neidvoll anzuerkennen, daß diese Stadt nicht gerade ungünstig zu liegen kommt

Berge in jeder Himmelsrichtung

Es gefällt mir hier. Es ist schon typisch österreichisch, alles ein bißchen umständlich und altmodisch-förmlich, „Hobe d’Ehre, Herr Dockta!“, aber dabei auch eben tirolerisch-alpenländisch. Es gibt hier viele gemütliche Eckchen mit bergdörflichem Charme aber auch ausreichend Erinnerungen, daß Innsbruck eine Großstadt z.B. mit vorzüglichem ÖPNV, eigenem Flughafen und großem Tourismus ist. Die Wege sind kurz, die Innenstadt ist vielerorten schön und gut erhalten mit ihren Bauten aus der Zeit Maximilians I. Es ist, wie eine kleine Prise Wiens :-)
Da es am Berg ja nur ein paar Früchte und einen Schokoriegel gegeben hatte und Sport an der frischen Luft bekanntlich hungrig macht, erstand ich in einer Pizzabude ein oberamtliches Stück Mafiatorte


und flanierte pizzamampfend durch Innsbrucks alte Gassen, wo ich allerhand Merkwürdigkeiten begegnete

ohne Worte
heißt das, daß Frauen keine Köpfe haben? Oder daß da Köpfe ohne Körper behandelt werden?

Church of Doom

aber auch der ein oder anderen Weisheit
s'rischtisch
Als das Tageslicht langsam zur Neige zu gehen sich anschickte, kehrte ich noch einmal auf die Maria-Theresien-Strasse zurück, um erneut den Blick aus der Stadt auf die Berge zu genießen:

passsender Soundtrack: http://www.youtube.com/watch?v=15vDOBmQzS8


einsame Wacht
Der Anblick der Gipfel und Hänge, dies Umfriedetsein von schneebedeckten steinernen Wächtern hier berührt mich und bewegt etwas in mir und ich fragte mich wieder einmal, wie man nur in einer Großstadt im Flachland leben kann.
Zurück im Hotel probierte ich noch die kleine aber feine Saunalandschaft, schwitze mit Blick auf die Alpen, goss kaltes Wasser aus einem Überkopfeimer auf dem dampfenden Torso und ließ schließlich auf der Ruheliege den Herrgott einen guten, weil ausgedachten Mann sein.



Tag 3

Die durch die ungewohnte Belastung des Vortags etwas in Mitleidenschaft gezogenen unteren Extremitäten, sowie eine gewisse Unlust, wieder um 7 Uhr aufzustehen, ließen eine Skipause derart sinnvoll erscheinen, daß ich mich fröhlich dazu entschloß und so den Tag zu deutlich zivileren Zeiten mit einem ausgedehnten Frühstück bei sonnenüberflutetem Alpenpanorama und guter Lektüre begann.



Bester Laune machte ich mich am Vormittag dann auf den Weg nach Innsbruck. Zu Fuß. Ich lief die gesamte Busstrecke, machte hier und dort halt, um zu schauen und zu bummeln und mich gelegentlich an den Seltsamkeiten am Wegesrad zu erfreuen.

Jawohl! Pizza Mann! Auf Deutsch.


findet das außer mir noch jemand lustig

ja. netter Versuch. Kommt mal nach Köln und schaut Euch an, wie das richtig geht.

hat man je etwas trostloseres gesehen?

In der Innenstadt angekommen suchte ich einige Orte von Interesse auf, darunter das „Institut für Gerichtliche Medizin“ (wie es in Ösiland heißt), welches – pun intended – wie ausgestorben wirkte (es war niemand da), das Kongreßzentrum, wo ab Donnerstag das Vorprogramm des 34. Spurenworkshops stattfinden wird

gibt schlechtere Kongressorte, oder?

und mein nächstes Hotel, das „Altpradl“ in der Nähe des Bahnhofs. Unterwegs kam ich am Gasthof „Weißes Kreuz“ vorbei, wo Mozart höchstselbst im Dezember 1769 logierte. Keine Frage, dort mußte eingekehrt werden und in einem dunkelbraunhölzernen, sehr gemütlichen Kaffeehaussaal, wo – natürlich - Mozart gespielt wurde, ließ ich mir eine Melange servieren.


Ich fand es nur konsequent, daß man zwar „free WiFi“ an die Scheibe geklebt hatte, aber auf meine Frage, wie denn das Netz zu finden sei, nur entgegnete, daß man das nicht wisse und dös "Kasterl" vermutlich ohnehin aus oder "hin" sei.

Nach einer Mittagspizza, während deren Einfuhr ich in meinen diversen Prospekten auf die Möglichkeit gestoßen war, fuhr ich mit einem Bus zur Hungerburg, hoch über der Stadt. Auf dem Weg zum Bus ging ich übrigens über die Inn-Brücke (Inn’s Bruck, Sie verstehen?)


Auf der Hungerburg angekommen, wurde ich mit einem Panorama belohnt.

das Wort, das Sie suchen, ist: "Hach!"

Ich hätte von dort aus auch mit einer Seilbahn noch viel höher, bis auf 2200 m hinauffahren können, aber der Beförderungspreis war entweder ein Druckfehler oder so unverschämt hoch, daß ich dafür ein mongolisches Kind hätte adoptieren, einführen, aufziehen und zum Sherpa ausbilden können, das mich dann auf seinem Puckel da hochschleppen würde. So beschied ich mich und war’s für den Tag zufrieden.
Zurück im Hotel ruhte ich kurz aus, dann wurde gesportelt, sauniert, geruht und der Abend mit köstlicher Holzofenpizza von gegenüber veredelt, abgerundet und beschlossen.



Tag 4

Tolles Timing. Nicht. Gestern wäre wettermäßig der bessere Skitag gewesen, denn heute begann mein letzter Urlaubstag mit dem gleichen grau-tristen Wetter. Hoffend, daß es in der Höhe, wie schon Montag, besser sein würde, ging ich pünktlich frühstücken und wurde dann um 8.40 Uhr von einem Taxi abgeholt (man wollte für ein Männeken keinen ganzen Bus schicken). Der Fahrer, ein Orientale, war auf jeden Fall tiefenentspannt. Er war ca. 10 Minuten zu spät, so daß es knapp werden würde, den Bus am Umsteigeplatz noch zu erwischen. Das schien ihn aber nicht zu sonderlicher Eile anzutreiben. Er schnallte sich auch nicht an und ignorierte minutenlang (!) das nervende Warnpiepsen, bis ich entnervt fragte, ob er denn nicht vom Piepsen genervt sei. „Doche, doche, sicher.“ sprach’s und schnallte sich dann mit lasziver Langsamkeit an.
Gerade noch rechtzeitig erreichten wir den Busparkplatz und ich ging erneut an Bord Richtung Axamer Lizum. Dort angekommen stellte ich enttäuscht fest, daß es auch dort grau und noch dazu verdammt neblig war. Egal. Ich war da, ich würde skifahren und wenn es das letzte sein sollte, was ich tat. Karte gekauft und ab in die Olympiabahn.
In der Kabine stand im Abteil unter mir ein kleines, englischsprachiges Mädchen, das folgendermaßen beschriftet war


und ich nehme an, der ein oder andere Pfaffe hätte bei diesem Anblick feuchte Augen bekommen. Nun ja.
Oben angekommen stellte ich fest: ups. Hier ist es ja noch VIEL schlimmer als unten. Ich begann mit der Abfahrt und zum Teil konnte man echt keine 10 m weit sehen


 Überall fuhren die Leute im Schneckentempo, diverse Skischulen glitten als langsame Kolonnen in weiten Schwüngen die Piste hinab, tauchten kurz aus dem Nebel auf und verschmolzen dann gleich wieder damit. Es war unwirklich und fast ein wenig malerisch. Dennoch war auch ich vorsichtig und ein paar Mal verlor ich fast die Piste aus den Augen, weil selbst die Begrenzungspfähle nur aus nächster Nähe zu erkennen waren. Irgendwann konnte ich dann die Liftanlagen der Basisstation unter mir erkennen und genehmigte mir wenigstens eine kleine Schußfahrt, jetzt da ich sah, wohin ich fuhr.
Aber von unbeschwertem Skispaß konnte bei diesen Verhältnissen keine Rede sein. Mißmutig verzichtete ich auf eine weitere Olympiabahnfahrt und fuhr dafür etliche Male mit dem Schlepplift auf den Idiotenhügel, was ca. 3 Minuten dauert. Für die wütenden Abfahrten brauchte ich dann vielleicht jeweils 10 Sekunden und bremste nur einmal vor dem Lift. Irgendwie mußte ich ja wenigstens ein bißchen Temporausch erleben. Nee. Das war nix. Um 13.30 Uhr hatte ich genug und nahm den Bus zurück nach Innsbruck.
Und das war es eigentlich auch an berichtenswertem. Zurück zum Hotel, umziehen, noch 'ne Runde spazieren, Dampfsauna, chillen, Monsterburger... das übliche, das übliche.
Und während ich in diesem Moment "Evolution" im TV (mit D. Duchovny als Biologe) schaue, beschließe ich offiziell meinen Urlaub in Innsbruck, denn ab morgen ist wieder Arbeit angesagt. Schön war's und pfiat enk!