Dienstag, 2. Oktober 2018

Auf Kreta oder von der Verlängerung des Sommers

September war’s und da noch sowohl von Jahr als auch Urlaub etwas übrig war, entschlossen wir uns, der nach diesem Großen Sommer nun unleugbar heranrückenden meteorologischen Üsselichkeitsoffensive noch einmal kurz zu entfliehen, und zwar an einen Ort, wo auf Wunsch einer einzelnen Person noch immer sommerliche und damit badetaugliche Witterung zu herrschen und unmittelbare Meeresnähe geboten zu sein habe.
Und so kamen wir auf und später nach Kreta, oder Kriti, mithin nicht einmal durch spezielles Interesse an der Insel oder Griechenland im Speziellen.

Die Anreise gestaltete sich einigermaßen furchtbar. Im heimatlich-hohen Norden erhoben wir uns bleiern um 3 Uhr, trafen um 4 am Hamburger Flughafen ein, wo wir das Auto in ein Parkhaus und uns schon 20 Minuten später in eine Goin und Moin Respekt abnötigenden Monsterschlange stellten, die so lang war, daß sie sich wie ein Schneckenhaus in Spiralen ineinanderwand. Nach 30 Minuten wurde wegen der Schlangenlänge unser Check-In-Schalter geändert, so daß wir nun an einer kürzeren, dafür deutlich langsameren Schlange erneut anstehen mußten. Eine nicht minder gewaltige Menschenmenge ballte sich auch schon vor der Sicherheitsschleuse, so groß war der Andrang, daß wir schließlich in die Fast Lane aufrücken durften, um überhaupt noch rechtzeitig zum Flug zu kommen und das, obwohl wir bei einem EU-Flug mehr als 2 Stunden zu früh am Flughafen waren. Am Gate dann erneutes Anstehen, worauf ein Opa geruhte, sich die Sinne schwinden und hernach auf den Boden sinken zu lassen, was zu abermaliger Verzögerung beim Einsteigen führte und letztlich dazu, daß er nicht mitkonnte, woraufhin selbstverständlich noch auf dem Rollfeld seine und die Koffer seiner Bagage wieder aus dem Flieger herausgeklaubt werden mußten. Man muß ernüchtert feststellen, daß Fliegen wirklich zu einer Pest, zu einer reinen Zumutung geworden ist, die niemandem Freude macht und allenthalben Genervtheit, Zorn und Verbitterung erzeugt. Kann man eigentlich nicht mehr machen…. Mit satter Verspätung ging es dann endlich los und von da an wurde es besser.
Der Flug ging vorüber,

flying through the air...

Side by side we dip bend and climb

wir landeten schließlich auf einer ins Meer ragenden Bahn – wofür mich vor Fremdscham mich windenlassenderweise von den dicken deutschen Touristen an Bord enthusiastisch applaudiert wurde #siekönnenesnichtlassen - und wurden draußen von der bereits sengenden kretischen Sonne empfangen. Noch zweimal hieß es anstehen in der schangeligen abgeranzten Provinzklische von Flughafen in Heraklion, erst für die Koffer, dann für das comichaft winzige und runde Euteken, das uns als Gefährt zugewiesen wurde. Da wir in HH mangels Zeit und in der Luft aus Frack nichts gefrühstückt hatten, tat ich, wie der Grieche tut und parkte höchst gesetzes- und straßenverkehrsordnungswidrig irgendwo am Straßenrand und wir kehrten rasch bei einem Kaffeehöker ein, deren drei Angestellte zusammen ausreichend Englisch konnten, um wild miteinander schnatternd, unsere Bestellung zu prozessieren und uns mit koffeinhaltigem Heißgetränk – eines davon immerhin mit Sojamilch - und Stullen zu versorgen. Danach ging es endlich  „on the road“ über Kretas Küstenstraßen Richtung Makrygialos.
Der Grieche pflegt einen, nun, robusten Fahrstil, der beinhaltet, sein Überholbegehr, das stets trotz meinerseits bereits leicht überschrittener Geschwindigkeit entstand, winkend, hupend, auffahrend, durchs offene Fenster auf die Außenseite der Tür hämmernd und blinkend kundzutun und es dann in einer Kurve, bei Gegenverkehr und doppelt durchgezogener Linie energisch und einhändig in die Tat umzusetzen, denn mit einer Hand hielt er ja das Mobiltelephon ans Ohr, in das er unablässig, laut und offenbar verärgert seinen Anteil einer offenbar lebhaften Debatte hineinschrie. Je nun, er hatte sicher verschlafen, der wackere Hellene, und man weiß ja, daß er flott zu tun hat, um seine Wirtschaft, die ein paar Dekaden Korru… äh Winterschlaf eingelegt hatte, wieder in Gang zu bringen.
Mich würde aber wirklich mal interessieren, ob es in der griechischen StVO nicht nur nicht verboten ist, sondern darin dazu ermuntert wird, am Steuer jedweden Gefährts zu telefonieren und ob man in diesem Land nichts von der Erfindung des Bluetooth hält. Wir sahen jedenfalls kaum einmal einen zweihändig fahrenden griechischen Verkehrsteilnehmer, der sich nicht gleichzeitig fernmündlich mitteilte. Und immer scheinen sie überaus verärgert oder zumindest in einen höchst agitierten Disput verwickelt zu sein, so wie sie schimpfen und auf ihr Gerät einteufeln. Wir sahen sogar einmal einen einhändig auf einem Mopped fahrenden Pizzaboten mit riesiger Lieferbox hintendrauf, der Schlangenlinien fahrend gegen den Fahrtwind und das Geknatter seines Untersatzes wütende Tiraden in sein Telephönchen brüllte.

Doch ich schweife ab - wir hingegen hatten es nämlich nicht eilig und schaukelten besinnlich durch die von zahlreichen halb- und viertelfertigen Bauruinen

immer diese klotzförmigen Gerippe aus Betonsäulen ohne Wände

verunstaltete aber ihrer Anlage nach schönen Landschaft,


zu der auch imposante Berge gehören, und entlang der Küste, immer mit Blick auf’s herrliche Meer,

Es ist

sooo

blau!

Richtung Südost. Für die Strecke von etwas über 100 km braucht man hier ein wenig mehr als 2 Stunden und die letzten Kilometer stimmten mich zunächst mißmutig, denn man sieht hier die Armut und die prekären Zustände im Land, die sich auch auf Kreta bemerkbar machen, doch recht deutlich. Landschaftlich und vor allem, was die Farbe der Umgebung, von Himmel, Häusern, Pflanzen, Straßen betrifft, erinnerte mich diese Gegend ganz intensiv an mein urvertrautes Südfrankreich. Doch ist hier alles viel schäbiger und ärmer. Die Autos sind fast alle schmutzig und verschrammt bis regelrecht kaputt und notdürftig geflickt,

wozu reparieren und Ersatzteile kaufen, wenn es 6 Streifen Klebeband genausogut tun?

die Häuser windschief oder unfertig, die Leute sehen müde, graugesichtig und abgespannt aus, selten sieht man ein Lächeln oder hört man ein Lachen. Es gibt kaum große und gepflegt aussehende Geschäfte, nur kleine Krauter mit fleckigen, abblätternden Fassaden und zufällig wirkender Warenauswahl. Hier und da wird der immer gleiche Touristenbedarf feilgeboten, der von den vielen Monaten, die er draußen in der Sonne stand und nicht gekauft wurde, staubig und verschossen ist. Von Hochglanz und seelenloser Massentouristik kann hier also keine Rede sein, große Hotels oder Luxusanlagen mit mehr als zwei- oder dreistöckigen Gebäuden gibt es sowieso fast nicht und die Ortschaften und Dörfchen, die wir durchfuhren, um zu unserem Domizil zu gelangen, wurden immer kleiner.
Schließlich hielten wir bei den „Cybele Appartments“ direkt an einer kleinen Dorfstraße an,

Cybele Appartements, mit nettem Gärtchen und weißen Häuschen

parkten das Blechei und fanden die Rezeption unbesetzt – der Grieche macht gerne von ca. 2 bis 6 Siesta und samstags rafft er sich selten auf, die Arbeit danach nocheinmal aufzunehmen – dafür aber einen Zettel vor, der mich auf Englisch wissen ließ, daß der Schlüssel zu unserem Appartment 2 unter dem Stein vor dessen Türe zu finden sei. So war es auch und wir betraten unsere gemütliche, großzügige und vie so vieles hier blau-weiß (mit ein bißchen rosa) eingerichtete, wenngleich stellenweise noch vom Vornutzer angeschmockte Bleibe. Es gab ein Wohn- und Eßzimmer, das durch eine Theke von der Küche getrennt ist, ein kleines Bad und ein Schlafzimmer mit Klimaanlage und draußen einen Balkon mit – sagen wir – eingeschränktem Meerblick.

Wir fühlten uns schnell wohl, räumten unser Gelumpe ein und machten uns gleich auf die Suche nach einem Laden, wo das allernötigste zu erwerben war. Der Grieche arbeitet normalerweise samstags nämlich nur bis 15 Uhr,

verstorbenes Beinkleid, allenthalben

 nur in den touristischeren Orten haben die Läden öfter/länger auf. In „Tito’s Small Mall“ erstanden wir für stolze Preise Frühstücks- und improvisierten Abendessenbedarf und bei einem Instant-Kaffe, dazu die extrem leckeren Sesamkekse, die netterweise zur Begrüßung in unserem Appartement gestanden hatten, auf dem Balkon bei leichtem Wind waren wir’s für’s Erste zufrieden.


ist ja auch toll hier in Makry Gialos

vorbildlicherweise hat der Holländer-Tourist ADHS-Elvis angeleint
Ich teile mit dem Griechen offenbar eine Vorliebe für eine betstimmte Nukleinsäure. Sympathisch.


Apropos Wind: ist eigentlich allgemein bekannt, wie windig es auf Kreta ist? Am Strand, wo man gelegentlich sein Buch festklammern muß, damit es nicht fliegen geht, kann das lästig sein, als milde Naturabkühlung bei der Hitze ist es jedoch ganz knorke. Und wir reden hier nicht von einem Häuchlein oder so, sondern von ausgewachsenen Winden, so wie man sich vorstellt, daß Rilkes Herr sie auf den Fluren losgelassen hat. Winde, die Sand vor sich hertreiben und Schaum auf dem Meer schlagen, Winde, die an Karren und Fenstern rütteln, die heulen und pfeifen und bei Durchzug Papiere und Tücher von Tischen und Stühlen fegen. Kurz: auf Kreta ist es wirklich sehr windig :-)

In unserer Zeit auf Kreta machten wir nur zwei  kleine Ausflüge. Einen nach Siteia ganz im Nordosten Kretas und einen nach Ierapetra, von uns aus westlich, der südlichsten Stadt Europas. Beide liegen am Meer und sind keine wirklich schönen Städte. Beide sind geprägt durch Tourismus und ein rechtes Gefühl haben wir, bei zugegeben eher jeweils kurzer Aufenthaltsdauer, für keine der beiden bekommen.

Sitia von oben, schon schön; (da Montag war, war die einzige Sehenswürdigkeit geschlossen)



Ierapetra nich so. Dennoch schön gelegen, so mit Berge und Meer, ne?

und da der Grieche orthodox irrt, stellt er sich hie und da diese bunten Betbümse hin, die er aber außerhalb der Zeiten der darin zu verrichtenden Albernheiten absperrt und dem Tourismus daher verwehrt. Bunte Wimpelchen gab's aber doch

Auch den bereits archäologisch ausgebeuteten Überresten einer römischen Villa in Makrygialos selbst statten wir natürlich einen Besuch ab und phantasierten, wie es wohl gewesen war, in diesem Anwesen im Balnearium zu sitzen, zu planschen, mit Honig kandierte Schweinskaldaunen zu schnabulieren und Pupjiter Jupiter einen guten und ausgedachten Mann sein zu lassen.
Darüber hinaus gibt es gar nicht so viel zu berichten, weil wir, wie es der Plan war, kaum etwas unternahmen und allgemein wohltuend untätig waren. Jeden Tag wurde gebadet,

hier so
 im Wasser frohlockt und in Sand und Schatten gelegen,

in etwa so (linkes Bein, rechtes Bein, v.l.n.r.)
gelesen, Musik gehört, geschrieben, geschmaust, Uhrzeiten, Termine, Kalender und Pflichten in den Wind schlagend, blau-weiße und glücklicherweise völlig unbayrische Gemütlichkeit genießend.
Eine unprekäre Robinsonade auf einer wunderbaren Insel, auf der man sich trotz verhältnismäßig kurzer Anreisezeit nicht nur geographisch ganz weit weg fühlt.
Nur ein Termin fand Beachtung, denn in den Kretaurlaub fiel auch der 12. Geburtstag meines 29. Geburtstags und die Liebste bedachte mich liebenswerterweise mit Kuchen, Kerzen, Geschenken und Gesang :-)

4? Dabei wurde ich doch erst 29...

Zu einer der schönsten und faszinierendsten Attraktionen dieses Ortes gehört für mich übrigens der phänomenale, grandiose Sternenhimmel, der sich nachts über Meer und Landschaft auftut. Man sieht Hunderte von Sternen und das lange Band der Milchstraße aber auch Planeten wie Mars und Saturn sind ungewöhnlich hell und zwischen ihnen und vor der Milchstraße galoppierte der Schütze


Viele Nächte lagen wir im warmen Sand und starrten gierig und ehrfürchtig ins All, wir schauten und schauten, bis die Augen tränten und konnten uns nicht sattsehen:


Überfließende Himmel verschwendeter Sterne
prachten über der Kümmernis. Statt in die Kissen,
weine hinauf. Hier, an dem weinenden schon,
an dem endenden Antlitz,
um sich greifend, beginnt der hin-
reißende Weltraum. Wer unterbricht,
wenn du dort hin drängst,
die Strömung? Keiner. Es sei denn,
dass du plötzlich ringst mit der gewaltigen Richtung
jener Gestirne nach dir. Atme.
Atme das Dunkel der Erde und wieder
aufschau! Wieder. Leicht und gesichtslos
lehnt sich von oben Tiefe dir an. Das gelöste
nachtenthaltne Gesicht giebt dem deinigen Raum.

-- R.M. Rilke

Die Abendstimmung hier, das nahe Meer, die sanfte Dämmerung, das Farbenspektakel des Sonnenuntergangs
Hach...

...jaaaa.

bevor die Sonne die Szenerie für den Aufzug größerer, älterer und fernerer Sonnen räumt, und der beständig wehende Wind erinnerte mich übrigens immer irgendwie an die Szene aus „300“ als Leonidas am Abend, bevor er in die Schlacht zieht, noch mal ordentlich die Mutti… naja, Sie wissen schon… jedenfalls da in diesem Haus/Zimmer ohne Wände, wo so schön der Wind geht und der Mond lange Schatten macht und dann steht er da so mit nix an und blickt auf sein mondbeschienenes Sparta


So fühlte ich mich, wenn ich vom Balkon über das Land auf’s Meer blickte - nur mit mehr an und echten (statt aufgemalten) Bauchmuskeln, versteht sich ;D

Apropos: Auch wenn Sparta bzw. die griechische Region, wo der Spartaner seinerzeit kriegerisch tätig war, weit entfernt von Kreta ist, scheint, nicht zuletzt durch den Film „300“, Sparta und der Spartanermythos fest im griechischen Selbstverständnis und Selbstbild (?) und daher auch in der griechischen Merchandisingstrategie verankert zu sein, so daß man auch hier auf Kreta allen möglichen Spartaner-Nippes erwerben kann, was mich natürlich dazu veranlaßte, mein traditionellerwesise stets vor Urlaubsort zu erwerbendes „ich war da“-Shirt mit coolem Spartanermotiv zu wählen #mangönntsichjasonstnix #dasistnichtsparta

DAS. IST. SHIRTA!

Noch ein paar Bemerkungen zum Griechen bzw. Kreter (ob und inwiefern sich diese unterscheiden, vermag ich nicht zu beurteilen): so mancher Kreter, mit dem wir zu tun hatten, wirkte irgendwie verschnupft darüber, daß, um die dortzulande jahrzehntelang gepflegte Fettlebe EU-mitgliedschafterhaltenderweise abzubüßen, er nun sein Paradies mit blassen Ausheimischen aus aller Herren Länder teilen und diesen auch noch Frappés und Souvlaki servieren muß. Diese Verschnupftheit zeigt er nicht nur gerne in teils ostentativ desinteressiertem bis nachgerade barschem Verhalten gegenüber Kunden, nein, er kündigt auch frei und offen an, daß er dem dem feisten Touristariat zu servierenden Brathinkel ein gutes Fundament aus verachtungsvollem Eigenspeichel zuzugeben aufgelegt ist:

jetzt so'n Huhn auf Spucke

Generell wirkte vieles dort auch improvisiert, halbherzig, unvollständig, schnodderig, irgendwie erlahmt. Es erschloß sich uns bei all dieser und in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens zur Schau gestellten Wurschtigkeit,

damit fahren die hier rum. Wurschtiger geht's nicht :)

selbst die Papageien lassen sich hier hängen

die man bei oberflächlichem Hinschauen auch für Coolness halten könnte, nicht, wofür der Grieche Enthusiasmus, Leidenschaft und Begeisterung aufbringt, weil es nirgends sichtbar wird. Ist das die Resignation vor dem zu erklimmenden Berg aus Arbeit und Mühe, die Erschöpfung nach dem langen Marsch vom Schuldenberg, täuscht bloß unser Eindruck oder sind die einfach so?

Ich jedenfalls würde ihnen von Herzen wünschen, bei aller Mühsal des noch Ungetanen, die noch vor ihnen liegt, sich täglich und nächtlich an diesem wunderschönen, reichbeschenkten Flecken Erde, den zu bewohnen, sie das Glück und zu dem bald zurückzukehren wir uns versprochen haben, erfreuen zu können.

Samstag, 12. Mai 2018

Portugal - An südlichen Gestaden

Als ich die Ponte 25 de Abril über den Rio Tejo befur, begann meine Reise durch Südportugal. Die Fahrt ging eigentlich recht gut, denn im Gegensatz zum Ungarn und seiner Charakterisierung durch L. Mozart, macht der Portugiese sehr wohl einen Weg, sogar Autobahnen in bestem Zustand hat er, deren Erhaltung er sich qua an großzügig verteilten Registrierstationen abgepresster Maut auch reichlich entgelten läßt. Und weil er offenbar am Steuer seine ansonsten durchaus erlesene Höflichkeit gründlich und sorgfältig ablegt und gerne sich und andere totfährt, v.a. auf der EN125, auf der auch ich später noch fahren sollte, verfolgt die portugiesische Polizei, wie ich gewarnt wurde, eine Null-Toleranz-Politik hinsichtlich Geschwindigkeitsüberschreitungen und sonstiger Schweinigeleien. Also hielt ich mich eisern an 50 in der Stadt, 90 auf der Landstraße und 120 auf der Autobahn, was den ein oder anderen raselüsternen Jungportugiesen offenbar wider mich aufbrachte: zwei haarscharf gerade eben noch vermiedene Horrorcrashs passierten nicht, weil mich jeweils ein testosterongesättigter Bursche in rollendem Penisersatz mit schwungvoll überhöhter Geschwindigkeit im Überholverbot und vor einer Kurve zu überholen genötigt sah und sich jeweils schlingernd, hupend und mit kreischenden Reifen gerade noch vor mir auf die Fahrbahn retten konnte, bevor er frontal in den überraschenderweise vorhandenen und kurvenhalber nicht einsehbaren Gegenverkehr getrümmert wäre.
Nach ca. zwei Stunden gemächlicher Fahrt, inzwischen fuhr ich über Landstraßen durch bukolische Dörfer, hieß mich das Motele, links in einen unbefestigten, aus Lehm, Splitt und Schlaglöchern bestehenden Weg einzubiegen.
Befremdet tat ich, wie geheißen, fuhr einen Kilometer weiter und sollte, bei der nächsten Gelegenheit links eingebogen, am Ziel sein. Nun stand ich aber in, wie mir schien, der Einfahrt des überaus abgelegenen Privatanwesens eines sicher mit Absicht so zurückgezogen lebenden Portugiesen, der dort, wie ich annahm, Sülze aus verschleppten Touristen kocht. Ich war sicher, falsch zu sein, gab eine alternative Adresse ins das Gerät ein, welche mich 26 km weiter in den Ort Odemira verwies, wendete und wollte gerade losfahren, als sich von hinten ein verbeultes Auto näherte, hupend, am Steuer ein fuchtelnder Greis. "Hurtig, nur fort, bevor ich eine Schrotladung in den Kühler bekomme und gepökelt und geräuchert an einem Haken ende", dachte ich und fuhr, Staubwolken aufwirbelnd, schnell wieder auf die Straße Richtung Odemira. Selbiges stellte sich als winziges Dörfchen heraus, so gut wie ohne Touristen – Assoziationen zu Innsmouth drängten sich förmlich auf -, in dem ich nicht wenig auffiel, als ich, das Auto irgendwo entnervt abgestellt habend, weißesthäutig und fluchend mit dem Navigationsgerät in der Hand durch die lächerlich engen Sträßchen ging, um die verdammte Adresse zu finden. Doch da war kein Hotel in der genannten Straße, nur ein Privathaus stand da, durch dessen Fenster ich eine portugiesische Matrone Fisch beizen sah. „Das kann es nicht sein!“, mutmaßte ich und zog, langsam etwas ratlos, den papiernen Ausdruck des Reiseveranstalters zurate, worauf tatsächlich stand, daß das mit dem unbefestigten Feldweg schon richtig gewesen und mein gebuchtes eben nunmal ein "Naturhotel" war.
Zurück in der Pampa klärte sich alles auf: ich mußte einfach noch sehr viel weiter in die Einfahrt hereinfahren, um zur Rezeption zu kommen, der Greis war in Wirklichkeit der Besitzer von ditt Janze, der auf dem Anwesen auch seine private Bude zu stehen hatte und sein Gefuchtel war kein Frust darüber, daß er mich nicht ausweiden, entbeinen und mit meinem Gekröse seine Fiedel neu besaiten konnte, sondern sollte mir signalisieren, daß ich wirklich richtig sei und mich nicht verfahren habe.

kann doch keiner ahnen, daß es hier zum Hotel geht


Schließlich kam ich an, checkte beim netten Personal in einer winzigen Rezeption ein, um welche betreten zu können ich tatsächlich meinen Rucksack abnehmen und mal wieder seitwärts die Tür durchqueren mußte und konnte endlich mein Zimmer beziehen, eine wunderschöne, große, edel eingerichtete Suite mit Terrasse und zusätzlicher Außendusche in einem Haus, das wirklich mitten im Nichts stand.

irgendwo im Nirgendwo


Es war herrlich (absolute Empfehlung), nur eben etwas abgelegen und daher nur für die Motorisierten relevant. Die Anlage und die ganze Gegend in Südwestportgual liegt im "Parque Natural do Sudoeste Alentejano e Costa Vicentina", die nächstgelegene Ortschaft am Meer, so 3-4 km entfernt, war
Vila Nova de Milfontes. Da ich endlich richtig das Meer sehen, meine Füße in den Atlantik tunken und irgendwann auch 'was essen wollte, fuhr ich, nach einer kleinen Siesta am Pool,

Siesta. Mit Pool und Ausblick.

 den es dort auch gab, dorthin. Am Strand saß ich lange auf ein paar Felsen, sah auf's Meer, hörte die rechte Musik dazu und war's leidlich zufrieden.

ich geh' ins Wasser.



Dank der EU/Abschaffung der Roaminggebühren konnte ich, während ich mit den Zehen im warmen Sand scharrte, sogar mit Daheim sprechen und Bilder von meiner Umgebung schicken, ohne mich finanziell zu ruinieren, was mir, der ich mich noch an Zeiten mit Münzfernsprechern und im Urlaub eisern durchgehaltenen Telefonembargos erinnere, immer noch ein wenig surreal vorkommt. Zumal die mobile Internetabdeckung Portugals derjenigen der Bananenrepublik D selbstverständlich weit voraus ist: es gibt hier eigentlich überall und immer mobiles Internet.
Als es dämmerte und Zeit zum Abendessen wurde, holte ich mir bei einem Pizzahöker etwas para levar und aß das Scheibchen im Hotel, während in der riesigen Glotze ein "Ridiculousness"-Marathon lief. Gutes kann so einfach sein :)

Am nächsten Morgen machte mir Esperança (oder so... jedenfalls eine etwas grummelige Portugiesin) Frühstück in der Küche des Gemeinschaftsraums des Gästehauses, in dem ich wohnte. Mir und zwei - natürlich - Bayern, die auch gerade dort Urlaub machten und mit denen ich am selben Tisch saß. Sie kochte Kaffee und Eier, presste Orangen, röstete Brot etc. Sehr feine Sache, das.

 Gerne wäre ich noch hier geblieben und ich nahm mir vor, ein andermal wiederzukommen, doch mein Reiseplan sah vor, daß es heute nach Sagres, mein erstes Ziel an der Algarve, gehen sollte.
Das hatte ich auch auf deren Erkundigung hin der netten Rezeptionistin gesagt, die mir riet, wenn ich Zeit hätte, auf dem Weg nach Sagres noch beim Ort Arrifana vorbeizufahren, es lohne sich, da dort eine tolle Aussicht zu bewundern sei. Also stieg ich in den Punto und fuhr nach Arrifana, wo ich schon beim Aussteigen der guten Dame ihren Hinweis dankte und ansonsten froh und staunend den Anblick genoß:
BÄM!



Anschließend kraxelete ich noch auf den Resten, alter, verlassener ehemals militärischer Anlagen herum, hier die "Fortaleza de Arrifana", von der aus ich einen beneidenswerten Platz, seinen Campingwagen abzustellen, erspähte,

man kann ja schlechter stehen, als Camper

und weiter staunte und mich der Aussicht erfreute. Da dies zum höchsten Sonnenstand passierte und ich dachte, ich brauche schon keine Sonnencreme, ich wolle ja nur eben mal gucken, was dann aber doch eine ganze Stunde wurde, trug ich hernach einige Tage das karmesinene Siegel der zornigen portugiesischen Mittagssonne auf meiner nordisch-falben Haut.
Nach ansonsten ereignisloser Fahrt erreichte ich schließlich Sagres. Viel machte der Ort auf den ersten Blick ja nicht her, etwas angeschangelt wirkte er und als ich auf den kahlen Parkplatz meines Hotels fuhr, das keineswegs in Sichtweite des Meers lag

dafür gab es reichlich Baustellen in der Umgebung und immerhin einen Pool, in den niemand wollte

und von außen einen nicht so dollen, irgendwie uneinladenden und nicht gerade luxuriösen Eindruck machte, schwante mir, daß es hier etwas einfacher zugehen würde. So kam es denn auch: mein Hotel war ein Apartementhaus, d.h. jedes Zimmer hatte seine eigene Küche mit entsprechender, übrigens spartanischer Ausstattung. Meine hatte wahrscheinlich noch Vasco da Gama auf seiner ersten Tour mit an Bord: die Bude war zwar wirklich schön groß, aber eben auch kahl und unfreundlich, mit häßlich gefliestem Boden, uralten Betten mit garstig harten Knast-Matratzen und etwas säuerlich riechenden, stets leicht klamm wirkenden Laken. Die Beleuchtung war funzelig, die Möbel abgestoßen und wackelig, die nur alle zwei Tage gewechselten Handtücher rochen stark nach Chlor, die fehlende Duschgriffstange zwang zum knieenden Duschen mit Handbrause, der Fernseher war ein Röhrenrelikt in Briefmarkengröße, der die vier empfangbaren portugiesischen Sender in feinverrauschter 80er-Jahre-Alufolienantennen-Griesselqualität anbot usw. usf. Und dafür drei Sterne? "Landeskateogrie" heißt sowas ja dann gerne... Mist! Denn ausgerechnet hier hatte ich 3 Nächte gebucht! >:-(  Ich nutzte das unerwartet gute W-Lan des Hauses, um eine entsprechende Schilderung bei Trip Advisor zu hinterlegen ;-), sagte mir abermals, daß ich hier nicht zum Wohnen sei und brach daher bald zu einem Fußmarsch zum Strand auf, der durch eine triste Gegend führte und ca. 20 Minuten dauerte.
Am Meer angekommen bot sich mir ein herrliches Bild, das ich in den nächsten Tagen so oder ähnlich noch etliche Male sehen sollte: ein fast menschenleerer Sandstrand, umragt von im Sonnenlicht golden leuchtenden, hohen und schroffen Klippen mit grünem Pflanzenbewuchs:

voll war's nich.


Und mir wurde klar, wer vor allem von diesem Ort angezogen wird: Sagres ist ein Surferparadies und dürfte im Sommer wohl voll von Vertretern jenes gummierten Menschenschlags sein, dessen Ansprüche sich im Wunsch nach der perfekten Welle erschöpfen. Im Ortszentrum gibt es zig Läden für Piraten-

Heute: Sparrrrrrrangebote


und Surfbedarf, vom Brett, über Neo(prenanzug) und Kurse, bis hin zum Chic (Korallenketten, Muschelanhänger und ähnlicher Talmi und natürlich T-Shirts, die Auskunft darüber geben, daß sein Träger gerne surft und dies auch in Sagres bereits erledigt habe). Ich verstand, daß der gemeine Wellenreiter vermutlich weniger Wert auf gute Unterkunft als auf tüchtige Brandung legt und sah unterwegs auch, daß einige einfach gleich mit ihrem Bully auf den Klippen direkt am Strand geparkt hatten, vor dem ich sie, von Kopf bis Fuß tätowiert, Eierkuchen auf der Bunsenbrennerflamme bratend,

Friede, Freude...


konische Kräuterzigaretten rollend und/oder rauchend und Surfbretter wachsend, sitzend sah und zwischen ihnen und mir Unterschiede bei der Prioritätensetzung konstatierte.
Für das Abendessen dieses und des nächsten Tags erwarb ich dann rasch noch einige bescheidene Dinge im nahegelegenen Supermarkt und briet jene anschließend in meiner armseligen Kombüse zu einem kargen Mahl zusammen. Armselig war auch die Schlafqualität auf der unguten Feldpritsche sowie das Frühstück am nächsten Morgen. Die Auswahl entsprach dem, was einem wohl auch in einer durchschnittlichen Haftanstalt geboten wird, mit Ausnahme des, nun ja, heiß gemachten Koffeinseichs, den man uns zumutete und den man aus humanitären Gründen wohl selbst Häftlingen ersparen würde, und ich war froh, das ganze Elend wenigstens mit meinem Nutella zukleistern zu können.
Für diesen Tag hatte ich mir einen Besuch der Fortaleza de Sagres verordnet,

vor der Festung


die auf einer dramatischen Klippe liegt,

in der Festung


die man komplett begehen kann und auf der wagemutige Petrijünger ganz am Rande des Abgrunds ihre Würmer zum Baden ins Meer halten, das ca. 100 m unter ihnen schäumt.  Es gibt da auch eine riesige Windrose aus dem 15. Jahrhundert,

gut, richtig leserlich war's nicht mehr und den Rasen timmen könnte man auch mal wieder. Aber sonst...


da dies einmal der Ort war, an dem Heinrich der Seefahrer gewirkt hat und der als Ausgangspunkt der europäischen Expansion und damit dem Beginn des modernen Europas anzusehen ist. Sehr eindrucksvoll fand ich das und verbrachte den Rest des Tages mit Herumlümmeln an der schönen Praia del Tonel und allgemeiner Nutzlosigkeit.
Am nächsten Tag ging es morgens nach der Speisung der Armen zum windumjagten Cabo de Sao Vicente,

10 Uhr morgens am südwestlichsten Punkt Europas. Die Frisur sitzt nicht.


dem südwestlichsten Punkt des europäischen Festlands. Nicht nur war das ganze in dramatische Kulisse angelegt,



es war auch eine bewegende Vorstellung, daß das hier wirklich einmal als finisterre, als Ende der Welt galt,

finis terre

 bevor da Gama nach Indien aufbrach und neue Wege fand. Ich erwarb ein Erinnerungsshirt und zwar keine
*seufz* Die Deutschen...


aber wenigstens 'ne Limo, ließ die Beene von den Klippen baumeln und die Gedanken fliegen (wie so oft auf den Schwingen der Musik). Später ging es wieder an den Strand mit dem üblichen, wohligen Taugenichts-und-Tagediebprogramm. Essen wollte ich an meinem letzten Abend in Sagres auswärts und suchte mir eine Bar direkt am Strand mit tollem Blick auf's Meer aus, wofür ich mit einer absoluten Frechheit von Essen bestraft wurde. Das, meine Damen und Herren, war der schlechteste Burger meines 29-jährigen und an Burgern nicht armen Lebens. Zwischen die Hälften zwischen ledrig und kautschukartig rangierender Brötchenimitate hatte man eine auf den Tod durchgesengte, offensichtlich durch Mikrowellen aus dem gnädigen Kälteschlaf, in den man sie vor ungekannten Zeiten versetzt hatte, gezerrte, fleischoidbröselige Anomalie gezwängt, deren hygroskopischer Trockenheit durch gnädige Zugabe irgendeiner Sauce beizukommen man sich nicht veranlasst gesehen hatte. Ein paar welke, lauwarme Zwiebeln hatte man dazugestopft und eine arme, schlaffe, blasse Tomatenscheibe, die vor Elend ihr Wasser an den Seiten des beklagenswerten Klumpens herabweinte. Vom Würzen hatte man abgesehen. Dazu reichte man, ich zählte sie, weil meine Finger dafür ausreichten, 10 Fritten in einem Näpfle von für Playmobilmännchen brauchbarer Größe. Zwischen Ungläubigkeit und Amüsiertheit über diese gastronomische Chuzpe (das muß man sich erstmal trauen) oszillierend aß ich hungershalber zumindest einige Bissen dieser Abscheulichkeit und brach dann rasch auf, da ich beabsichtigte, noch den Sonnenuntergang von den westlichen Klippen aus zu erleben. Und so geschah es:





Sagres, dachte ich am nächsten Morgen, ist schon nicht verkehrt. Feine Strände, dramatische Klippen, tolles Meer, ein paar Sehenswürdigkeiten, dabei nicht übertouristisch, durch das Surferpublikum irgendwie entspannt und sympathisch - aber gut gewohnt und gegessen habe ich hier wahrlich nicht. So fiel der Abscheid leicht und ich war begierig zu sehen, was in Carvoeiro, meiner nächsten Station weiter entlang der Algarve, östlich von Lagos, so geboten wird. Der Punto brachte mich, mit kurzem Halt in Lagos, zügig dorthin und ich stieg vor dem recht großen Hotelkomplex "Mirachoro Praia" aus, wo mir eine desinteressierte Dame mitteilte, daß mein Zimmer noch nicht so weit sei, woraufhin ich Obst kaufte und dieses in einer schattigen Nische der spektakulären Klippenlandschaft, genannt Algar Seco, in die ich hinabgekraxelt war, direkt am Meer verzehrte:

ich mach jetzt Middach


Es gibt da auch einen phantastischen Holzgehweg, direkt auf den Klippen mit phänomenaler Aussicht auf das Meer und die umgebenden Steilklippen.


 Toll. Mitten in Carvoeiro,  umringt von weißen Häusern hoch auf den Klippen, gibt es einen kleinen, feinen Sandstrand,


an den und dann in ein direkt angrenzendes Café ich mich hernach verfügte, um nach Sagres endlich wieder einen seinen Namen zurecht tragenden Kaffee, genauer: einen Galão, zu trinken und mir ein wenig die Zeit zu vertreiben. Das Hotel, das ca. 10 Fußminuten vom Strand entfernt war, war diesmal deutlich besser und komfortabler und verfügte sogar über einen eigenen sehr ordentlichen Pool, an dem es sich auf komfortablen Liegen trefflich lümmeln ließ. Das tat ich ausgiebig, ging zwischendurch noch eine Bica (so sagt der Portugiese einem Espresso) trinken und zwar in einer Bar, die man mitten in die bizarre Felsenlandschaft des Algar Seco gebaut hatte


 und besichtigte noch einen anderen Strand in der Nähe, die sehr schöne Praia do Vale Centeanes,

auch hier: der Menschenauflauf ist überschaubar.


Carvoeiro ist ein hochtouristischer Badeort und war schon Anfang Mai sehr gut besucht, zur Hochsaison wird es aus allen Nähten platzen und will man daher sicher nicht dort sein. Es gab alles, was es in diesen Orten immer gibt, z.B. zig verschiedene Restaurants, Souvenirläden, Strandbedarfhöker etc. Was soll ich sagen, viel ist in solchen Orten, die selten einen unverwechselbaren Charakter, dafür aber den Charme einer wunderschönen Küste und Meeresnähe haben, nicht zu tun und das wollte ich auch nicht, außer rum- und abhängen, lesen, gehen (lassen), liegen, schauen, denken, essen. Apropos: eines Nachmittags gelüstete es mich nach Knoppers und Zimtkeksen, also fuhr ich rasch zum nächsten Supermarkt

Aldi Nord. Was zum Teufel auch sonst?

Naheliegend: "Fliederbeer Saft" gegen den Durst.

 und erstand das Begehrte. Am Abend jenes Tags, als ich vom Essen in einer sehr löblichen Pizzaria über den Holzweg zurück ins Hotel ging, wurde ich dann sogar noch eines wunderbaren Sonnenuntergangs teilhaftig, dem ich verzückt auf einer Klippe sitzend, mit der passenden Musik im Ohr, bis ganz zuende zugesehen habe.


ich finde mich wieder mitten im Auge
um mich herum Ruinen einer Welt
die niemand mehr versteht
was hält mich hier
was hat mich je hier gehalten
zum Abschied grüßt mich aus der Ferne die letzte Sonne
ich sehne mich nach ihr so sehr
und verschlungen im Licht stürze ich ins All
Haut an Haut verschmelze ich mit ihr -- "letzte Sonne", DWEF

 Carvoeiro hat mir gefallen. Es ist die Reduktion auf das Wesentliche, sofern dieses darin besteht, sich einfach nur in bester Meeres- und Strandkulisse zu erholen. Selbiges erwartete mich dann auch in Amarçao der Pera, wo ich, nachdem ich die ca. 16 km von Carvoeiro aus dorthin gefahren war, ins lächerlich unpassend benannte „Pestana Viking Resort“ einzog. Trotz der Statue in der Lobby

von der Größe (und Ausrüstung) her wohl eher Asterix als Erik der Rote. Aber was weiß der Portugiese schon von Wikingern?

 will sich die Assoziation zu den großen, blonden Kriegern aus dem eisigen Norden, die mit ihren Drachenbooten sturmgepeitschte Meere für ihre Plünderfahrten bezwangen, so gar nicht einstellen, wenn man bei 25°C in diesem chicen, palmenumstandenen Atlantikressort eincheckt. :D Nichtsdestoweniger ließ ich auf meinem mitgebrachten Lautsprecher die passende Musik laufen, während ich mich vernehmlich mitsingend in meinem sensationellen Zimmer mit seinem 15 qm Balkon (!) mit Meerblick aus- und umzog, um mich auf der spektakulären Liegewiese des Hotels zu aalen, die bis ganz zur Spitze einer das Meer überragenden Klippe reichte:

WOA. Kann man so anbieten.

Blick vom Ende der Liegewiese. Aussicht ist vorhanden.

 Kann ja schlechter liegen, so’n Hotel und dieses war von allen auf der Reise auch das beste. Es bot ein tolles Zimmer mit Riesen-TV, Safe und noblem Bad, ein großer Spa- und Fitnessbereich war vorhanden, feine Außen- und Innenpools, Sauna etc. Und auch das Fühstück, das mir bekanntlich immer besonders wichtig ist, war das bisher beste. Ich mußte erheblich schmunzeln, als ich sah, daß sie das Restaurant, in dem das Frühstücksbuffet gereicht wurde, allen Ernstes „Valhalla“ genannt hatten. Auf einem Zettel mit Vorschlägen zur Verbesserung notierte ich, daß sie das Restaurant in „Methalle“ umbenennen, sowie Drachenboottouren zu den Grotten anbieten sollten :D Die Frühstücksauswahl war vergleichbar gut wie in Carvoeiro, aber in wesentlich gemütlicherer Umgebung mit Meerblick zu delektieren. Und sogar die Säfte waren genießbar UND es gab Nutella (sicher, um den zahllosen Deutschen aufzuwarten, die hier allzeit zu residieren scheinen), was sehr gut paßte, da mein mitgebrachtes gerade zur Neige ging. Am letzten Tag habe ich übrigens versehentlich ein Brötchen in diesem Fließbandtoaster, den sie in Portugal gerne haben (so auch in Lissabon, Carvoeiro und Sagres), in Brand gesteckt und fast das Buffet abgefackelt, weil sich das Backwerk als zu dick für den Toaster erwies und im Inneren in direkten Kontakt mit den glühenden Heizstäben kam und mit Druck an ihnen vorbeigewalkt wurde, so daß, als es am Ende des Geräts auf die Schütte fiel, die in diesen Geräten das Röstgut herunter und zurück zum Ausgang rutschen läßt, mir ein verkohlter, brennender Brötchenkomet, der eine Rauchfahne hinter sich herzog, entgegen geschossen kam :D
Was ich in Amarçao de Pera sonst so gemacht habe? Na, nix! Rumgelegen hab’ ich, an Strand

Die gesuchte Formulierung ist: "Scheiße noch eins!"

und Pool, schwimmen war ich, in Atlantik (eieiei, kalt!) und Pool, ansonsten: gelesen, geschrieben, Musik gehört, mit Daheim telefoniert, gegessen.

Ich bekam noch ein Abschiedsgeschenk von der portugiesischen Verkehrspolizei: Nachdem ich auf der Suche nach der Station des Autoverleihers zur Rückgabe meines Gefährts zunächst auf einen falschen Parkplatz gefahren war und für 20 Sekunden Parken bereits hatte 80 Cent berappen müssen, erspähte ich von einem hinter dem Ausgang dieses Parkplatz gelegenen Kreisverkehr aus das Logo des Verleihers. Ich fuhr also aus dem Kreisverkehr aus und die Einfahrt lag gleich zu meiner Linken. Leider und zugegeben von mir getrennt durch eine durchgezogene Linie. Da vor und hinter mir weit und breit kein Auto zu sehen war, bog ich ein, statt kadavergehorsam weiter geradeaus zu fahren und irgendwo zu wenden, stellte mein Auto ab und wollte gerade ausladen, als ein dicker Polizist auf einer lächerlichen weißen Vespa, an der sein Blaulichtlein auf einem albernen, federnden Stengel befestigt war, hinter mir auf den Hof fuhr. Er stieg von seinem Kinderroller, klappte des verspiegelte Visier von seinem LL-Cool-Cop-Helmchen hoch, wodurch das lächerliche Bild vom selbstgefälligen dicken Mann auf kleinem Mopped noch verschärft wurde, kam breitbeinig auf mich zu und fragte in akzentschwerem Englisch und höchst wichtigtuerisch : „Hello Sir, can I ask you a question?“ „Natürlich!“, feierte ich mein Glück, der ich die letzte Woche jede einzelne verschissene portugiesische Verkehrsregel peinlich genau eingehalten hatte, „natürlich passiert das auf dem buchstäblich letzten Meter, den ich in diesem Land gefahren bin und jetzt spielen wir auch noch das Fragespielchen…“ und sagte: „Sure!“ „Do you know, what this line stands for?“ Ich dachte: „Fiiiiiick Diiiiiich!!!“, riß mich aber hinsichtlich meines bevorstehenden Fluges zusammen und sagte: “What line? Oh, THAT line? Yes, I think, it signifies that I’m not supposed to cross it. I’m very sorry, I was in a hurry and in search for the Europcar station and it was just to the left and no cars behind or in front of me….”.  Um es kurz zu machen, Sr. Wichtig ließ sich nicht erweichen, informierte mich noch, daß ich außerdem nicht geblinkt hätte, woraufhin ich mir die Frage verkniff, ob es denn eine lebensnahe Vorstellung sei, daß man bei der Durchführung eines ohnehin illegalen Abbiegevorgangs diesen auch noch ostentativ durch Blinken anzuzeigen hätte und ob er das nicht als zusätzliche Provokation empfunden hätte. Überdies mußte ich arg an mich halten, um nicht zu grinsen, da im Rücken des albernen Schupos der junge Europcar-Dude, der mein Auto entgegennahm und das Elend mit angesehen hatte, mit Gesten und Mimik signalisierte, für was für einen aufgeblasenen Sack er dieses Bülleken hielt, der sich wohl hier gerne öfters bräsig auf die Lauer legt, um easy vor’m Middachmachen noch ein paar Touristen auszunehmen. Der Spaß kostete mich 50 €, die ich per Visa auf einem Gerät bezahlte, das er natürlich in der Kiste unter seinem kleinen Klappsattel hatte. Obrigado, puto!

Am Flughafen angekommen, viel zu früh, weil die Fahrt schnell und rasch gegangen war und ich im Gegensatz zur Station in Lissabon 0 Minuten warten mußte, um mein Auto zurückzugeben, wollte ich gerade herausfinden, wann und wo ich meinen Koffer loswerden könne, als ich sah, daß mein Flug selbstverständlich 50 Minuten Verspätung haben würde.  Ich denke, man kann spätestens jetzt amtlich feststellen, daß ich verflucht bin. Oder ich habe die vollkommen nutzlose Superkraft, fast alle (damit ich mich nicht drauf verlassen kann) Verkehrmittel, mit denen ich zu reisen trachte, zu spät kommen lassen kann.
Damit hatte ich jedenfalls 3 Stunden auf einem kleinen Provinzflughafen totzuschlagen und ich stellte fest, daß sich alle Läden, die etwas zu essen anboten, dahingehend verschworen hatten, Mondpreise für das Gebotene zu verlangen. Irgendwann begann der Check-In, ich wurde meinen Koffer los und erwarb ein sensationell überteuertes Mittagessen. Selbstverständlich wurden aus den 50 Minuten 80 und meine extrem gute Laune besserte sich natürlich noch, als ich merkte, daß ich im Kinderhorrordies zu sitzen kam. Ich war, ohne zu übertreiben, von 6 unerträglichen, uner- wie gezogenen Kackbälgern unmittelbar umgeben, die unentwegt plärrten, damit die, die gerade zu schlafen sich anschickten, weckten und auch zum Plärren anstifteten und oder rumlaufen wollten, was die erziehungsverweigernden Mütter natürlich unterstützen, indem sie mit ihnen den Gang auf und abliefen, zum Teil 7,8 Mal hintereinander, und mich dabei jedes ! einzelne ! Mal ! nicht nur mit dem dicken Arsch anrempelten, sondern auch duldeten, daß das jeweils vor ihnen torkelnde Blag mich, mein Bein, meinen Kopfhörer o.ä. angrabbelte. Ist es interessant, zu erwähnen, daß das samt und sonders Holländer waren? Es war eine dreistündige Folter! Endlich in Düsseldorf angekommen brach der Kackflughafen dieses Scheißhaufens von Stadt meinen Negativrekord, denn ich mußte über 1 Stunde auf meinen Koffer warten! Es war 22 Uhr, bis ich in den Zug steigen konnte und aus meiner Ankunft in des Freundes Armen gegen halb neun, neun war ein ferner Blütentraum geworden.

Fazit: zum Glück hatten sich alles Pech, alle Flüche und Nervereien auf diesen einen Rückreisetag konzentriert und ich werde nicht zulassen, daß dieser Scheißtag einen Schatten auf den tollen Urlaub wirft. Portugal ist ein großartiges, schönes und bereisenswertes Land, das ich ganz sicher nicht zum letzten Mal besucht habe.