Und so kamen wir auf und später nach Kreta, oder Kriti, mithin nicht einmal durch spezielles Interesse an der Insel oder Griechenland im Speziellen.
Die Anreise gestaltete sich einigermaßen furchtbar. Im heimatlich-hohen Norden erhoben wir uns bleiern um 3 Uhr, trafen um 4 am Hamburger Flughafen ein, wo wir das Auto in ein Parkhaus und uns schon 20 Minuten später in eine Goin und Moin Respekt abnötigenden Monsterschlange stellten, die so lang war, daß sie sich wie ein Schneckenhaus in Spiralen ineinanderwand. Nach 30 Minuten wurde wegen der Schlangenlänge unser Check-In-Schalter geändert, so daß wir nun an einer kürzeren, dafür deutlich langsameren Schlange erneut anstehen mußten. Eine nicht minder gewaltige Menschenmenge ballte sich auch schon vor der Sicherheitsschleuse, so groß war der Andrang, daß wir schließlich in die Fast Lane aufrücken durften, um überhaupt noch rechtzeitig zum Flug zu kommen und das, obwohl wir bei einem EU-Flug mehr als 2 Stunden zu früh am Flughafen waren. Am Gate dann erneutes Anstehen, worauf ein Opa geruhte, sich die Sinne schwinden und hernach auf den Boden sinken zu lassen, was zu abermaliger Verzögerung beim Einsteigen führte und letztlich dazu, daß er nicht mitkonnte, woraufhin selbstverständlich noch auf dem Rollfeld seine und die Koffer seiner Bagage wieder aus dem Flieger herausgeklaubt werden mußten. Man muß ernüchtert feststellen, daß Fliegen wirklich zu einer Pest, zu einer reinen Zumutung geworden ist, die niemandem Freude macht und allenthalben Genervtheit, Zorn und Verbitterung erzeugt. Kann man eigentlich nicht mehr machen…. Mit satter Verspätung ging es dann endlich los und von da an wurde es besser.
Der Flug ging vorüber,
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flying through the air... |
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Side by side we dip bend and climb |
wir landeten schließlich auf einer ins Meer ragenden Bahn – wofür mich vor Fremdscham mich windenlassenderweise von den dicken deutschen Touristen an Bord enthusiastisch applaudiert wurde #siekönnenesnichtlassen - und wurden draußen von der bereits sengenden kretischen Sonne empfangen. Noch zweimal hieß es anstehen in der schangeligen abgeranzten Provinzklische von Flughafen in Heraklion, erst für die Koffer, dann für das comichaft winzige und runde Euteken, das uns als Gefährt zugewiesen wurde. Da wir in HH mangels Zeit und in der Luft aus Frack nichts gefrühstückt hatten, tat ich, wie der Grieche tut und parkte höchst gesetzes- und straßenverkehrsordnungswidrig irgendwo am Straßenrand und wir kehrten rasch bei einem Kaffeehöker ein, deren drei Angestellte zusammen ausreichend Englisch konnten, um wild miteinander schnatternd, unsere Bestellung zu prozessieren und uns mit koffeinhaltigem Heißgetränk – eines davon immerhin mit Sojamilch - und Stullen zu versorgen. Danach ging es endlich „on the road“ über Kretas Küstenstraßen Richtung Makrygialos.
Der Grieche pflegt einen, nun, robusten Fahrstil, der beinhaltet, sein Überholbegehr, das stets trotz meinerseits bereits leicht überschrittener Geschwindigkeit entstand, winkend, hupend, auffahrend, durchs offene Fenster auf die Außenseite der Tür hämmernd und blinkend kundzutun und es dann in einer Kurve, bei Gegenverkehr und doppelt durchgezogener Linie energisch und einhändig in die Tat umzusetzen, denn mit einer Hand hielt er ja das Mobiltelephon ans Ohr, in das er unablässig, laut und offenbar verärgert seinen Anteil einer offenbar lebhaften Debatte hineinschrie. Je nun, er hatte sicher verschlafen, der wackere Hellene, und man weiß ja, daß er flott zu tun hat, um seine Wirtschaft, die ein paar Dekaden Korru… äh Winterschlaf eingelegt hatte, wieder in Gang zu bringen.
Mich würde aber wirklich mal interessieren, ob es in der griechischen StVO nicht nur nicht verboten ist, sondern darin dazu ermuntert wird, am Steuer jedweden Gefährts zu telefonieren und ob man in diesem Land nichts von der Erfindung des Bluetooth hält. Wir sahen jedenfalls kaum einmal einen zweihändig fahrenden griechischen Verkehrsteilnehmer, der sich nicht gleichzeitig fernmündlich mitteilte. Und immer scheinen sie überaus verärgert oder zumindest in einen höchst agitierten Disput verwickelt zu sein, so wie sie schimpfen und auf ihr Gerät einteufeln. Wir sahen sogar einmal einen einhändig auf einem Mopped fahrenden Pizzaboten mit riesiger Lieferbox hintendrauf, der Schlangenlinien fahrend gegen den Fahrtwind und das Geknatter seines Untersatzes wütende Tiraden in sein Telephönchen brüllte.
Doch ich schweife ab - wir hingegen hatten es nämlich nicht eilig und schaukelten besinnlich durch die von zahlreichen halb- und viertelfertigen Bauruinen
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immer diese klotzförmigen Gerippe aus Betonsäulen ohne Wände |
verunstaltete aber ihrer Anlage nach schönen Landschaft,
zu der auch imposante Berge gehören, und entlang der Küste, immer mit Blick auf’s herrliche Meer,
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Es ist |
sooo |
blau! |
Richtung Südost. Für die Strecke von etwas über 100 km braucht man hier ein wenig mehr als 2 Stunden und die letzten Kilometer stimmten mich zunächst mißmutig, denn man sieht hier die Armut und die prekären Zustände im Land, die sich auch auf Kreta bemerkbar machen, doch recht deutlich. Landschaftlich und vor allem, was die Farbe der Umgebung, von Himmel, Häusern, Pflanzen, Straßen betrifft, erinnerte mich diese Gegend ganz intensiv an mein urvertrautes Südfrankreich. Doch ist hier alles viel schäbiger und ärmer. Die Autos sind fast alle schmutzig und verschrammt bis regelrecht kaputt und notdürftig geflickt,
wozu reparieren und Ersatzteile kaufen, wenn es 6 Streifen Klebeband genausogut tun? |
die Häuser windschief oder unfertig, die Leute sehen müde, graugesichtig und abgespannt aus, selten sieht man ein Lächeln oder hört man ein Lachen. Es gibt kaum große und gepflegt aussehende Geschäfte, nur kleine Krauter mit fleckigen, abblätternden Fassaden und zufällig wirkender Warenauswahl. Hier und da wird der immer gleiche Touristenbedarf feilgeboten, der von den vielen Monaten, die er draußen in der Sonne stand und nicht gekauft wurde, staubig und verschossen ist. Von Hochglanz und seelenloser Massentouristik kann hier also keine Rede sein, große Hotels oder Luxusanlagen mit mehr als zwei- oder dreistöckigen Gebäuden gibt es sowieso fast nicht und die Ortschaften und Dörfchen, die wir durchfuhren, um zu unserem Domizil zu gelangen, wurden immer kleiner.
Schließlich hielten wir bei den „Cybele Appartments“ direkt an einer kleinen Dorfstraße an,
Cybele Appartements, mit nettem Gärtchen und weißen Häuschen |
parkten das Blechei und fanden die Rezeption unbesetzt – der Grieche macht gerne von ca. 2 bis 6 Siesta und samstags rafft er sich selten auf, die Arbeit danach nocheinmal aufzunehmen – dafür aber einen Zettel vor, der mich auf Englisch wissen ließ, daß der Schlüssel zu unserem Appartment 2 unter dem Stein vor dessen Türe zu finden sei. So war es auch und wir betraten unsere gemütliche, großzügige und vie so vieles hier blau-weiß (mit ein bißchen rosa) eingerichtete, wenngleich stellenweise noch vom Vornutzer angeschmockte Bleibe. Es gab ein Wohn- und Eßzimmer, das durch eine Theke von der Küche getrennt ist, ein kleines Bad und ein Schlafzimmer mit Klimaanlage und draußen einen Balkon mit – sagen wir – eingeschränktem Meerblick.
Wir fühlten uns schnell wohl, räumten unser Gelumpe ein und machten uns gleich auf die Suche nach einem Laden, wo das allernötigste zu erwerben war. Der Grieche arbeitet normalerweise samstags nämlich nur bis 15 Uhr,
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verstorbenes Beinkleid, allenthalben |
nur in den touristischeren Orten haben die Läden öfter/länger auf. In „Tito’s Small Mall“ erstanden wir für stolze Preise Frühstücks- und improvisierten Abendessenbedarf und bei einem Instant-Kaffe, dazu die extrem leckeren Sesamkekse, die netterweise zur Begrüßung in unserem Appartement gestanden hatten, auf dem Balkon bei leichtem Wind waren wir’s für’s Erste zufrieden.
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ist ja auch toll hier in Makry Gialos |
vorbildlicherweise hat der Holländer-Tourist ADHS-Elvis angeleint |
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Ich teile mit dem Griechen offenbar eine Vorliebe für eine betstimmte Nukleinsäure. Sympathisch. |
Apropos Wind: ist eigentlich allgemein bekannt, wie windig es auf Kreta ist? Am Strand, wo man gelegentlich sein Buch festklammern muß, damit es nicht fliegen geht, kann das lästig sein, als milde Naturabkühlung bei der Hitze ist es jedoch ganz knorke. Und wir reden hier nicht von einem Häuchlein oder so, sondern von ausgewachsenen Winden, so wie man sich vorstellt, daß Rilkes Herr sie auf den Fluren losgelassen hat. Winde, die Sand vor sich hertreiben und Schaum auf dem Meer schlagen, Winde, die an Karren und Fenstern rütteln, die heulen und pfeifen und bei Durchzug Papiere und Tücher von Tischen und Stühlen fegen. Kurz: auf Kreta ist es wirklich sehr windig :-)
In unserer Zeit auf Kreta machten wir nur zwei kleine Ausflüge. Einen nach Siteia ganz im Nordosten Kretas und einen nach Ierapetra, von uns aus westlich, der südlichsten Stadt Europas. Beide liegen am Meer und sind keine wirklich schönen Städte. Beide sind geprägt durch Tourismus und ein rechtes Gefühl haben wir, bei zugegeben eher jeweils kurzer Aufenthaltsdauer, für keine der beiden bekommen.
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Sitia von oben, schon schön; (da Montag war, war die einzige Sehenswürdigkeit geschlossen) |
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Ierapetra nich so. Dennoch schön gelegen, so mit Berge und Meer, ne? |
Auch den bereits archäologisch ausgebeuteten Überresten einer römischen Villa in Makrygialos selbst statten wir natürlich einen Besuch ab und phantasierten, wie es wohl gewesen war, in diesem Anwesen im Balnearium zu sitzen, zu planschen, mit Honig kandierte Schweinskaldaunen zu schnabulieren und
Darüber hinaus gibt es gar nicht so viel zu berichten, weil wir, wie es der Plan war, kaum etwas unternahmen und allgemein wohltuend untätig waren. Jeden Tag wurde gebadet,
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hier so |
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in etwa so (linkes Bein, rechtes Bein, v.l.n.r.) |
Eine unprekäre Robinsonade auf einer wunderbaren Insel, auf der man sich trotz verhältnismäßig kurzer Anreisezeit nicht nur geographisch ganz weit weg fühlt.
Nur ein Termin fand Beachtung, denn in den Kretaurlaub fiel auch der 12. Geburtstag meines 29. Geburtstags und die Liebste bedachte mich liebenswerterweise mit Kuchen, Kerzen, Geschenken und Gesang :-)
4? Dabei wurde ich doch erst 29... |
Zu einer der schönsten und faszinierendsten Attraktionen dieses Ortes gehört für mich übrigens der phänomenale, grandiose Sternenhimmel, der sich nachts über Meer und Landschaft auftut. Man sieht Hunderte von Sternen und das lange Band der Milchstraße aber auch Planeten wie Mars und Saturn sind ungewöhnlich hell und zwischen ihnen und vor der Milchstraße galoppierte der Schütze
Viele Nächte lagen wir im warmen Sand und starrten gierig und ehrfürchtig ins All, wir schauten und schauten, bis die Augen tränten und konnten uns nicht sattsehen:
Überfließende Himmel verschwendeter Sterne
prachten über der Kümmernis. Statt in die Kissen,
weine hinauf. Hier, an dem weinenden schon,
an dem endenden Antlitz,
um sich greifend, beginnt der hin-
reißende Weltraum. Wer unterbricht,
wenn du dort hin drängst,
die Strömung? Keiner. Es sei denn,
dass du plötzlich ringst mit der gewaltigen Richtung
jener Gestirne nach dir. Atme.
Atme das Dunkel der Erde und wieder
aufschau! Wieder. Leicht und gesichtslos
lehnt sich von oben Tiefe dir an. Das gelöste
nachtenthaltne Gesicht giebt dem deinigen Raum.
-- R.M. Rilke
Die Abendstimmung hier, das nahe Meer, die sanfte Dämmerung, das Farbenspektakel des Sonnenuntergangs
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Hach... |
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...jaaaa. |
bevor die Sonne die Szenerie für den Aufzug größerer, älterer und fernerer Sonnen räumt, und der beständig wehende Wind erinnerte mich übrigens immer irgendwie an die Szene aus „300“ als Leonidas am Abend, bevor er in die Schlacht zieht, noch mal ordentlich die Mutti… naja, Sie wissen schon… jedenfalls da in diesem Haus/Zimmer ohne Wände, wo so schön der Wind geht und der Mond lange Schatten macht und dann steht er da so mit nix an und blickt auf sein mondbeschienenes Sparta
So fühlte ich mich, wenn ich vom Balkon über das Land auf’s Meer blickte - nur mit mehr an und echten (statt aufgemalten) Bauchmuskeln, versteht sich ;D
Apropos: Auch wenn Sparta bzw. die griechische Region, wo der Spartaner seinerzeit kriegerisch tätig war, weit entfernt von Kreta ist, scheint, nicht zuletzt durch den Film „300“, Sparta und der Spartanermythos fest im griechischen Selbstverständnis und Selbstbild (?) und daher auch in der griechischen Merchandisingstrategie verankert zu sein, so daß man auch hier auf Kreta allen möglichen Spartaner-Nippes erwerben kann, was mich natürlich dazu veranlaßte, mein traditionellerwesise stets vor Urlaubsort zu erwerbendes „ich war da“-Shirt mit coolem Spartanermotiv zu wählen #mangönntsichjasonstnix #dasistnichtsparta
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DAS. IST. SHIRTA! |
Noch ein paar Bemerkungen zum Griechen bzw. Kreter (ob und inwiefern sich diese unterscheiden, vermag ich nicht zu beurteilen): so mancher Kreter, mit dem wir zu tun hatten, wirkte irgendwie verschnupft darüber, daß, um die dortzulande jahrzehntelang gepflegte Fettlebe EU-mitgliedschafterhaltenderweise abzubüßen, er nun sein Paradies mit blassen Ausheimischen aus aller Herren Länder teilen und diesen auch noch Frappés und Souvlaki servieren muß. Diese Verschnupftheit zeigt er nicht nur gerne in teils ostentativ desinteressiertem bis nachgerade barschem Verhalten gegenüber Kunden, nein, er kündigt auch frei und offen an, daß er dem dem feisten Touristariat zu servierenden Brathinkel ein gutes Fundament aus verachtungsvollem Eigenspeichel zuzugeben aufgelegt ist:
jetzt so'n Huhn auf Spucke |
Generell wirkte vieles dort auch improvisiert, halbherzig, unvollständig, schnodderig, irgendwie erlahmt. Es erschloß sich uns bei all dieser und in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens zur Schau gestellten Wurschtigkeit,
damit fahren die hier rum. Wurschtiger geht's nicht :) |
selbst die Papageien lassen sich hier hängen |
die man bei oberflächlichem Hinschauen auch für Coolness halten könnte, nicht, wofür der Grieche Enthusiasmus, Leidenschaft und Begeisterung aufbringt, weil es nirgends sichtbar wird. Ist das die Resignation vor dem zu erklimmenden Berg aus Arbeit und Mühe, die Erschöpfung nach dem langen Marsch vom Schuldenberg, täuscht bloß unser Eindruck oder sind die einfach so?
Ich jedenfalls würde ihnen von Herzen wünschen, bei aller Mühsal des noch Ungetanen, die noch vor ihnen liegt, sich täglich und nächtlich an diesem wunderschönen, reichbeschenkten Flecken Erde, den zu bewohnen, sie das Glück und zu dem bald zurückzukehren wir uns versprochen haben, erfreuen zu können.