Eigentlich wollten wir ja nach Borkum. Doch dann ereignete
sich ein „
Vorfall“, der jene lang geplante und organisierte Reise, jedoch
keinesfalls das Bedürfnis nach Urlaub, Sommerfrische und
Endich-mal-raus-aus-der-Bude eliminierte. Nach einiger Suche nach
Ersatzbefriedigung, die letzthin zusehends willkürlich und verzweifelt geriet,
stießen wir schließlich auf „
Bad Zwischenahn“ –
klingt komisch, heißt aber wirklich so – im Ammerland in Ostfriesland,
nordöstlich von Oldenburg. Dort empfahl sich uns das ****-Hotel „Seeschlösschen
Dreibergen“, direkt am Ufer eines Sees durchaus überschaubarer Größe, der bei
der für die Region offenbar nicht ganz untypischen Neigung zu
Overstatement
als „Zwischenahner-Meer“
bezeichnet wird.
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das Meer |
Sparfüchse und Spätestbucher die wir sind, stiegen wir ächzend und notgedrungen an einem Donnerstag um 5 Uhr aus dem Bett, um 6:09 Uhr in einen Zug Richtung Norden und nach einmal Umsteigen in Bremen um viertel vor 11 in Bad Zwischenahn aus. Ein hoteleigenes Shuttle holte uns ab und brachte uns zum Seeschlösschen, das im Ortsteil „Dreibergen“ liegt und wo wir erfreulicherweise auch gleich einchecken und das Zimmer beziehen konnten.
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Seeschlösschen, Rückseite |
Dort stank es, fanden wir, und obgleich es sich dabei angeblich um ein Nichtraucherzimmer handeln sollte (, was angesichts eines darin aufgestellten Aschenbechers eher unplausibel erschien), rückte das Personal dem üblen Odeur mit „Tabak-Ex“ zuleibe. Ansonsten gefiel uns das Zimmer ganz gut, es war ausreichend groß, hell und ruhig und das ganze Hotel verfügt sehr löblicherweise über kostenloses W-Lan. Gespart hatte man hingegen am Fernseher, der etwa handtellergroß war, was aber beim verrauschten, grieseligen Bild nicht wirklich tragisch war (und wir waren ja auch nicht zum Glotzen hier). Das Personal war von durchaus variabler Freundlichkeit und Kompetenz, offensichtlich hält man es im Seeschlösschen für ratsam, auch schon nahezu hämorrhagische Anfänger auf die Gäste und deren Zimmer loszulassen, so daß zwar das herunterhängende Klopapierblatt zu einem lustigen wie nutzlosen Dreieck gefaltet wird, aber kein neues Klopapier nachgefüllt, dafür die zahlreichen in den Fensterecken nistenden und webenden arachnoiden Freunde auch nicht durch Putzanstalten behelligt wurden (, was ein erhebliches Reaktionsgfälle zwischen mir und meiner Begleitung, vom redlichen Interesse des Biologen zu „Iiiiieeeeh!“, aufspannte).
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Blick aus dem Spinnenfenster in den Sonnenuntergang am ersten Tag |
Auch das wortkarge Gestoffel eines offensichtlich ungeübten Kellneraspiranten (, der es sich auch nicht nehmen ließ, an einem der folgenden Abende einer Dame am Nachbartisch eine Bierdusche zu verabreichen und die Triefende dann noch pflichtschuldigst und informativerweise wissen ließ, daß er das nicht absichtlich getan habe) fiel uns negativ auf. Ein wichtiges Pfund, mit dem das Hotel hingegen zu wuchern hatte, war der Wellnessbereich, genannt „SPA“, der einen Fitnessraum, vier verschiedene Saunen sowie einen netten Ruhebereich bereithält. Er gefiel uns gut und wir nutzten ihn reichlich.
Der Ankunftstag verlief unspektakulär und eher trist, da unser geplanter Ausflug nach Bad Zwischenahn-„City“ in einem unflätigen Regenguß absoff, so daß wir im Café gegenüber Tee und Kuchen einnahmen und ansonsten und bis auf diverse Saunagänge untätig blieben. Der maue Tag wurde sehr passend durch eine, nun, abendliche Lebensmitteldarreichung abgegällt, die als „Essen“ weniger denn als
Sättigungsmölm zu bezeichnen und ein klarer Hinweis darauf war, daß auch in der Küche Handwerksneulinge dilettierten, die die gleichzeitige Beherrschung der Künste „Nicht-Anbrennen-Lassen“ und „Würzen“ noch derart überforderte, daß mir eine vollständig geschmack- und phantasiefreie Zusammenstellung von Fressalien der Güteklasse Maggi-Fix zugemutet wurde, die selbst die kollektiven Mundwinkel in einer WG, wo Frettchen gehalten und Waldorfpädagogik, Hanfanbau und Abhängen studiert wird, gen Erdmittelpunkt gezerrt hätte.
Es konnte also nur und sollte denn auch besser werden: der nächste Tag empfing uns mit einem ordentlichen Frühstück und Sonnenschein, so daß wir uns besserer Laune auf die 12 km-Runde um das „Meer“ begaben. Direkt zu Beginn der Runde kamen wir am „Fährkroog“ vorbei, einer urigen, reetgedeckten Gaststätte
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Fährkroog |
Dann ging es durch geheimnisvolle Wälder,
und über in voller Frucht stehende Felder, vorbei an geradezu kataloghaft romantischen privaten Wohnidyllen
und Kuhweiden
bis wir durch das schiere Vorhandensein einer Minigolf-Anlage auf unserem Weg um das Wasser aus unserer rauschhaften Wanderungsbegeisterung gerissen und förmlich zum sportlichen Kräftemessen gezwungen wurden. Obwohl es sehr spannend war,
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Tiger Graneis in Aktion |
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Tiger Graneis locht ein |
gab es doch eine Verliererin
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the sad Clown, alias Klonk Graneis |
und einen haushohen Sieger
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Vater dieser Zeilen (kein Photoshop, danke fürs Fragen, ich springe echt so hoch) |
und verdiente Eise schleckend setzten wir unsere Umrundung fort, machten aber doch in Bad-Zwischenahn-City halt, um uns vom unvergleichlichen Flair einer Metropole umspülen zu lassen, deren Durchschnittseinwohneralter etwa 94 ist, wo es mehr Rollatoren und E-Rollis als Autos hat und alles in Zeitlupe abzulaufen scheint und in deren Mitte ein Zentrum für onkologische, rheumatologische,
proktologische und orthopädische Rehabilitation ruht. Hier moussierte das Leben, hier prickelte zwischen Sanitätshäusern und Rentnercafés die Stimmung wie Champagner, hier war ich lebendig und in Kontakt mit Meer und Tier
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das schwarze müßte ein Ibis sein. Oder ein Reiher. Oder so. |
Und hier war auch der schon bekannte Hang zu Schönfärberei
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das "Fröhlich Hotel" lädt zu heiterem Verweilen ein |
und Overstatement
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da (Pfeil) geht's zum Bolzplatz, in Zwischenahn auch als "Stadion" bezeichnet |
wieder deutlich zu spüren. Wir schlossen unsere Runde im darauf einsetzenden und eine beschleunigte Heimkehr durchaus wünschenswert erscheinen lassenden Landregen ab, saunierten und kehrten nach einem diesmal sehr guten und versöhnlich stimmendem Abendmahl vor seeromantischer Kulisse
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wenn bei Dreiloch die rosa Sonne im "Meer" versinkt... |
noch im benachbarten Fährkroog zu friesischem Geist
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the Clouds neue brennende Liebe |
und Tee ein
Den nächsten Tag begonnen wir erneut mit einem erfreulichen Frühstück und traten dann eine auf einem Parkplatzschild angepriesene Rundwanderung von angeblich ca. 5 km an. Noch herrschte eitel Sonnenschein und beste Laune,
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Jemand versucht, "Im Frühtau zu Berge" zu pfeifen, hatte aber einen Schlaganfall |
wir schritten munter und erneut durch geheimnisvolle Wälder und hie und da wurde mit der weidenden Vierbeinerschaft angebändelt
Dann aber verdüsterten sich erst der Himmel und in der Folge auch unsere Gemüter,
als wir feststellen mußten, daß man, im Gegensatz zur Wanderwegbeschreibung auf dem Parkplatzschild, wohl das Gelände den Bedürfnissen der wohnwilligen Bevölkerung angepasst hatte, so daß die in der Beschreibung vorgesehenen Wegmarken ausblieben und wir auf Blindflug umstellten, unabsichtlich die Route abkürzten und schließlich im Regen und unter Einsparung eines Kilometers oder so wieder in Dreibergen eintrafen.
Unwillig, das Tagwerk mit diesem mauen
"Amuse-pied" sein Bewenden haben zu lassen, stiegen wir in den nächsten Bus, um noch einmal Bad Zwischenahn heimzusuchen, wo sich, so hatten wir gehört, die vollverrentete Bevölkerung an diesem Tag auf der ZwiWo ("Zwischenahner Woche") delektieren würde. Als wir dort eintrafen war, wie Claudia noch beschreiben wird, das Trash-Paradies bereits eröffnet, aus dem zwei Eindrücke ich mitzuteilen dem Leser nicht ersparen kann:
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vierköpfige Drehorgelkombo orgelt und sammelt für die Krebshilfe |
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Marcel B. aus Bottrop, dessen Oma Asiatin war, spielte, verkleidet als Inka-Fred und mit poetisch und vor dem Schmerz der Welt dramatisch geschlossenen Augen, Lieder aus seiner "Heimat" ("Hallelujah" und "An der Nordseeküsten") auf einer Vielzahl von Flöten, Schellenkränzen und seinem Aluröhrchen-Glissando vor dem Playback zugeschmierter Synthie-Streicher und Vogelzwitschern. Wenn das Atahualpa gesehen hätte, hätte er ihm auf offener Straße des Herz rausgerissen! Und wer vom Flöten-Indio nicht genug bekommen konnte, kaufte an Ort und Stelle seine CDs. |
Nachdem wir uns an jenem Elend sattgeweidet hatten, waren wir malade und benötigten frische Seeluft, derer wir auf einer adrenalingeschwängerten Fahrt in einem Elektroboot über das sturmgepeitschte "Meer" habhaft wurden
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Blick von der Brücke |
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vom Charme des Käptns überwältigte Passagierin |
Hernach verschlug es uns zur Einkehr in
dieselbe Seemannsspelunke dasselbe Café wie tags zuvor
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auf dem Klo des Cafés: diese Christen lassen aber auch keine Notlage zum Beten aus, wa? |
und gestärkt traten wir alsbald den Rückweg nach Dreibergen an, um den Abend sehr ähnlich dem vorigen mit Saunawellness zu beginnen und nach einem wiederum guten Essen mit einem Ostfriesentee im Fährkroog ausklingen zu lassen.
Der vierte Tag stand ganz im Zeichen der Rückreise, die wir planmäßig antraten und abschlossen. Mein Fazit zum Kurztrip lautet: befriedigend. Wir haben uns erholt und waren mal raus, bei Wetter und Hotel war durchaus noch Luft nach oben, wir hatten aber auch viele schöne Momente. Eine Neuauflage ist dennoch unwahrscheinlich.