Samstag, 23. Februar 2013

Halle an der Saale

Im Februar mußte ich nach Halle an der Saale und los ging es schon sehr früh und durchaus unzureichend frühverköstigt am Freitagmorgen vom Flughafen Köln/Bonn aus. Halle ist ziemlich weit weg von Bonn, aber in nur 50 Flugminuten ist man da. Nach der Landung bewahrheitete sich eine alte chinesische Weisheit (die ich soeben erfunden habe): im Osten ist alles anders. Ich habe z. B. noch nie einen Flughafen gesehen, der so (immerhin laufbandpflichtig) groß und zugleich so menschenleer war.

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Auf der ewig langen Strecke zu einem Bistro, wo wir auf unseren Anschlußzug warten wollten, aber von niemandem bedient wurden, kam uns kein Mensch entgegen. Eigentlich unverständlich, da der Flughafen neben den Laufbändern, auf denen sich trefflich mit der eigenen Geschwindigkeitswahrnehmung experimentieren läßt, auch noch eine weitere Attraktion bereithält: eine Art Zeitmaschine in die 90er Jahre.

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 die zu enge Blouson-Lederjacke und die Ludenlocken darf sich der geneigte Betrachter gerne dazu vorstellen

Aber auch das Wetter war anders. Sehr anders. Während das Rheinland bei unserer Abreise bereits nahezu unanständig mit dem Frühling flirtete, war in Halle

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naja, nicht ganz so schlimm. Aber es herrschte doch unmißverständlich verschneiter, atemkondensierender und akrenanästhetisierend eisiger Winter. Selbst unserem Flugzeug war kalt ;-)

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Was mir hingegen das Herz erwärmt hat, war gleich von der ersten Säule herab daran erinnert zu werden, daß in dieser Gegend nicht nur winters stets ein grimmer Frost, sondern auch der Schöpfer der schönsten Musik gewirkt hat.

03Obwohl wir gleich nach der Landung zur Stätte des Spurenworkshops geeilt sind, da dort bereits das Anwendertreffen der Firma Qiagen lief, zu dem wir angemeldet waren, von dessen Besuch wir uns neben Erkenntnissen über neue Qiagen-Produkte und deren Anwendung auch einige belegte Schrippen erwarteten und das im beeindruckend die Althergebrachtheit der Hallenser Uni darstellenden „Löwengebäude“ stattfand,
Christian Thomasius guter Mann, der an der Abschaffung gleich zweier Kirchenklassiker (Hexenprozesse und Folter) mitwirkte
Christian Thomasius guter Mann, der an der Abschaffung gleich zweier Kirchenklassiker (Hexenprozesse und Folter) mitwirkte, empfängtt einen im Löwengebäude

  
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will ich noch eben die durch Zeitmangel wie unwirtliche Witterung zugestandenermaßen karge touristische Ausbeute aus Halle ausbreiten: das Zentrum Halles, so belehrte uns niemand geringeres als der Sprecher einer Abordnung der Halloren (s.u.), sei sein Marktplatz. In dessen Mitte steht das Denkmal des zurecht gerühmten G.F. Händel, des sicher berühmtesten Sohnes der Stadt

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der einem hier aber allerorten, so auch in der Lobby unserer Herberge, begegnet

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Aber auch in der Peripherie hat der Hallenser seinerzeit nicht unbeträchtliche und nun als Wahrzeichen dienliche Bauten untergebracht, wie den Roten Turm und die Marktkirche 

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wie so oft in Halle ist es nahezu menschenleer. Hier ein zu Leere und wetterlicher Tristesse passender Soundtrack:

aber auch das Stadthaus

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und natürlich den verwirrenderweise als „Leipziger“ bezeichneten aber konsequenterweise auf der Kreuzung von „Leipziger Straße“ und „Am Leipziger Turm“ aufragenden Turm.

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In der Nähe des Markts holten sich diese Grazien auf dem Brunnen vor St. Ulrich  den Tod, wären sie nicht von bildender Kunst in die ewige Duldsamkeit kalten Metalls gegossen.

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der Bau dient heuer als Konzerthalle erbaulicherweise weitaus gedeihlicheren Zwecken als der Götzenverehrung

Aber auch die darstellenden Künste finden in der Hallenser Oper eine würdige Wirkungsstätte

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und damit zum Abend keiner der herbeiströmenden Ring-Jünger glättehalber hinschlagen möge, machte der wack’re Mann mit der tuckernden Apparatur am Morgen bei gerade wieder einsetzendem Schneefall unermüdlich die Wege frei (man muß ihn sich mit Camus wohl als einen glücklichen Menschen vorstellen…).
Halle in diesem tiefen, menschenarmen Winter hatte etwas stoisches, winterruhendes und wirkte auf mich, als genieße es, es nicht paradox zu finden, sich an seiner Melancholie erfreuen zu können (eine Empfindung, die es mit mir teilte).