Das erste, was uns auffiel, als wir in Bilbao dem Bus entstiegen waren, war, daß alles, Klos, Eingänge, Ausgänge, Wegweiser mindestens zweifach, manches dreifach beschriftet war. Erst groß auf Baskisch, dann kleiner auf Spanisch und ggf. noch auf Englisch. Ich hatte die Liebste vorgewarnt, daß Baskisch völlig bizarr und fremdartig ist, eine isolierte Sprache, von der man auch als diverser europäischer Sprachen und des Lateinischen Kundiger kein einziges Wort versteht. Als wir uns umsahen, verstand sie, was ich meinte:
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aber nür für Männer! |
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das ist keine Sprache, das ist eine umgekippte Tüte Buchstabensuppe |
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Polizei heißt bei denen übrigens: "Udaltzaingoa" |
Bilbao ist Hauptstadt der Provinz Vizcaya (= Baskenland). Mit > 340.000 Einwohnern ist sie eine der zehn größten Städte Spaniens (und trotzdem nur ca. 1/10tel von Madrid) und die größte Stadt der Autonomen Gemeinschaft Baskenland und es kam mir vor wie ein Mini-Madrid: auch hier gab es Prachtstraßen, tolle Plätze, Brunnen, Hochhäuser, einen komplexen ÖPNV (Metro, Straßenbahn, Busse) aber alles schien näher zusammen, in Teilen besser erlaufbar und ist im Norden durch das Meer begrenzt. Auch hier gab es viel zu sehen, zu tun und zu essen, aber nicht ganz so viel und in ganz so großer Vielfalt wie in Madrid. Es fühlte sich auch etwas gemütlicher, weniger „buisy“ an (zumal der Anteil Touristen pro Einwohner etwas geringer zu sein scheint) und durch das sehr präsente „Baskische“ grenzt sich Bilbao zusätzlich von Madrid und eigentlich dem „normalen“ Spanien ab. Allerdings haben wir in der ganzen Zeit dort fast niemanden jemals Baskisch sprechen hören und uns gefragt, ob dieses alles ostentativ-auf-Baskisch-Beschriften nur so ein performatives Theater ist und die Sprache in Wirklichkeit kein Schwein oder nur noch die ganze Alten sprechen. Wir sind jedenfalls mit Spanisch völlig problemlos durchgekommen.
Dennoch ist es uns nicht gelungen, weder in der Architektur, noch in den Straßen noch in den Gesichtern etwas einzigartig oder typisch Baskisches auszumachen. Ob es neben der Sprache die baskische Küche ist, die so einzigartig ist? Ich kann es nicht sagen, denn wir hatten irgendwie keine rechte Gelegenheit, sie in Anspruch zu nehmen (bzw. kein Geld, um in eines der angeblich zahlreichen Sternerestaurants baskischer Köche in Bilbao zu gehen). Vielleicht hätten wir sie in unserem luxuriösen *****-Sternebunker, dem „Carlton“ finden können?
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nobel geht die Welt zugrunde |
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so mit Flügel und so |
Jedenfalls taten wir auch in Bilbao, das uns am Ankunftstag mit einem garstigen Regenguß begrüßte, viele Zehntausend Schritte und konnten so zumindest vom Stadtkern und den Gebieten entlang des Nervión
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scho schee |
einen guten und vielfältigen Eindruck bekommen. Wir erkundeten natürlich ausführlich die pittoreske Altstadt, sahen uns den Mercado de la Ribiera (eine brechend volle Touristenklitsche) an,
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es gab Fisch da |
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und Fischweiber |
liefen durch den schönen Dona Casilda Iturriar Park mit seinem prächtigen Springbrunnen, liefen und liefen, schauten und schauten.
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schräge Straße mit bunten Buden |
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gab aber auch schräge Buden |
Das Akzuna Zentroa, so eine Art "Kunst"(?)-Zentrum, Ausstellungshalle, Kino und Kulturdingsi in einem, untergebracht in einem riesigen Gebäude fanden wir besonders eindrucksvoll ... und seltsam
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so mit Sonnenprojektionen und |
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komischen Säulen, freien Flächen und Lichtinstallationen |
Mit dem Wetter hatten wir wieder größtenteils Glück und eine schlendernde, händchenhaltende, sorglose Promenade am letzten Frühabend bei bestem Spätsommerwetter am Flußufer entlang gehört zu den schönsten Erlebnissen dieses Urlaubs
Ach ja, auch in Bilbao gibt es eines jener „Da müßt Ihr unbedingt hin“-Museen, das „Guggenheim Museum“. Natürlich sind wir hingegangen, weil das Gebäude wirklich sehr abgefahren und verrückt aussieht, wozu auch die riesige Metallspinne, die davor steht beiträgt,
und natürlich (!) waren wir nicht drin, aus besagten guten Gründen.
Als wir eine Pause von Bilbao brauchten, unternahmen wir an einem Samstag einen Tagesausflug nach San Sebastian. Mit dem Bus fährt man etwa 1h 10 min dorthin.
San Sebastian ist ist die Hauptstadt der Provinz Gipuzkoa in der spanischen Autonomen Gemeinschaft Baskenland und hat uns sehr gut gefallen, wenn auch die schiere Menge an Touristen dort noch Anfang September (also bereits außerhalb der Hauptsaison) nahelegt, niemals niemals niemals (!) zur Hauptsaison dorthin zugehen. Der Ort hat die inzwischen gewohnten alten engen Sträßchen und Gäßchen, historische Gebäude und Kirchen, entspannte Menschen aber vor allem liegt er gleich am Meer und hat zwei phantastische Strände, einen, den „Zurriola“ mit guten Wellen für die Surfer und einen, „La Concha“, zum Baden bei perfekter Temperatur. Genau das taten wir: nach einem ersten Spazierründchen durch die famose Altstadt, taten wir, wie der Spanier tut und machten Siesta am Strand (die perfekt vorbereitete Liebste hatte natürlich Tücher, Sonencreme für ihren Weißbrot-Gringo etc. dabei), genossen die Aussicht, freuten uns des Lebens, hörten Bach auf dem mitgebrachten Lautsprecher und schwammen eine Runde im herrlichen Meer.
Als gute Deutsche, die etwas zum Besteigen vorfinden, stiegen wir aber selbstredend auch zum mittelalterlichen Kastell Motaku Gaztelua hinauf, das auf einem Berglein, dem Monte Urgull, mitten in San Sebastian liegt. Das Kastell ist zwar keine Ruine, aber auch nicht in bestem Schuß, es ist im besten Sinne „gebraucht“ und angewittert man bekommt sofort Lust, dort oben Fantasy-LARPs zu veranstalten.
Natürlich hat man auch leidlich Ausblick von dort oben:
Wir stellten fest, daß an dem Tag unseres Besuchs offenbar ein Fest zum Andenken an irgendwelche historischen Raufhändel mit dem Briten gefeiert wurde, so daß diverse Einheimische in Trachten herumliefen und Tänze aufführten, allgemeine Feierstimmung und Verlustierungslaune herrschte und eine Extraportion Touristen in der Stadt war. Und weil wir nun mal antizyklisch zum Spanier tickten und schon um 19:00 Uhr abendessen wollten (und tourismushalber tatsächlich auch manche Lokale um diese Zeit bereits servieren), erhielten wir in einer sehr beliebten Pinxtos-Bar sofort einen Platz und schnabulierten mit Gusto ein gerüttelt Maß selbiger:
Die Liebste nutzte diese Gelegenheit in der ihr eigenen offenen und konversationsfreudigen Art, die aus Frankreich stammende Wirtin zu fragen, warum eigentlich überall an den Balkons, Fenstern, Straßenlaternen in der Stadt usf. penetrant die verfluchten Palästina-Flaggen hingen. Die Wirtin, die sich selbst als neutral bezeichnete, wußte es nicht zu sagen, vermutete aber, daß viele der auch hier einseitigen Medienberichterstattung verfielen und vor allem viel weniger Kontakt zu Migranten aus dieser Gegend und deren notorisch mit der unseren inkompatiblen Kultur und dem daraus emergenten inakzeptablen Verhalten hätten, von dem sie wußte, daß es in Deutschland ein großes Problem ist. Da fiele es leichter, vermutete sie, Mitgefühl zu tugendsignalisieren. Die meisten Migranten hier seien nämlich Latinos, die kaum unangenehm auffielen, da sie die Landessprache sprechen, einer ähnlichen Kultur entstammen und sich problemlos integrierten.
Die untergehende Sonne im Rücken
fuhren wir schließlich mit dem Bus wieder nach Bilbao und feierten den
grandiosen Tag. Am nächsten Tag würden sich unsere Wege trennen: die Liebste flog in die Heimat und ich nach Santiago de Compostela, wo ich an einem Fachkongress teilzunehmen hatte. Wie es dort war, soll an anderer Stelle berichtet werden.
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FAZIT: Spanien hat uns sehr gut gefallen. Wir mochten es überall, wo wir waren, sahen Gemeinsamkeiten und Unterschiede, trafen nette Leute, davon etliche Latinos, die es nach Spanien verschlagen hatte, weil man dort besser lebt, aßen köstliche Dinge, liefen, schauten, fragten und wurden es nie leid. Spanien ist sehr offenkundig ein südeuropäisches Land aber doch ganz anders als Italien. Es kam mir bodenständiger vor, rauher, weiter und weniger im Rausch der Schönheit, des Lichts und der Farben. Mit ganz anderer, grimmigerer Geschichte und ihren Spuren in den Städten. Man merkt auch, daß Madrid sehr weit vom Meer ist, solche Orte gibt es in Italien nicht. Die Menschen wirkten etwas härter und ernster als in Italien, wenngleich nicht mit Deutschen vergleichbar, dramatischer, weniger neckisch, dunkler weniger verspielt. Oft fragte ich mich, woran Spanien leidet, auch wenn es nicht so melancholisch wie Portugal ist, und warum es im Vergleich (!) nach der Renaissance so wenig Musik hervorgebracht hat. Ich muß, will und werde auch Spanien noch öfters bereisen, um es besser zu verstehen und mehr davon zu sehen.
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Reisezeit: 05.09.-09.09.2024