Freitag, 6. September 2024

Das kam uns spanisch vor - Teil 3: Bilboa

Das erste, was uns auffiel, als wir in Bilbao dem Bus entstiegen waren, war, daß alles, Klos, Eingänge, Ausgänge, Wegweiser mindestens zweifach, manches dreifach beschriftet war. Erst groß auf Baskisch, dann kleiner auf Spanisch und ggf. noch auf Englisch. Ich hatte die Liebste vorgewarnt, daß Baskisch völlig bizarr und fremdartig ist, eine isolierte Sprache, von der man auch als diverser europäischer Sprachen und des Lateinischen Kundiger kein einziges Wort versteht. Als wir uns umsahen, verstand sie, was ich meinte:

aber nür für Männer!

das ist keine Sprache, das ist eine umgekippte Tüte Buchstabensuppe

Polizei heißt bei denen übrigens: "Udaltzaingoa"

Bilbao ist Hauptstadt der Provinz Vizcaya (= Baskenland). Mit > 340.000 Einwohnern ist sie eine der zehn größten Städte Spaniens (und trotzdem nur ca. 1/10tel von Madrid) und die  größte Stadt der Autonomen Gemeinschaft Baskenland und es kam mir vor wie ein Mini-Madrid: auch hier gab es Prachtstraßen, tolle Plätze, Brunnen, Hochhäuser, einen komplexen ÖPNV (Metro, Straßenbahn, Busse) aber alles schien näher zusammen, in Teilen besser erlaufbar und ist im Norden durch das Meer begrenzt. Auch hier gab es viel zu sehen, zu tun und zu essen, aber nicht ganz so viel und in ganz so großer Vielfalt wie in Madrid. Es fühlte sich auch etwas gemütlicher, weniger „buisy“ an (zumal der Anteil Touristen pro Einwohner etwas geringer zu sein scheint) und durch das sehr präsente „Baskische“ grenzt sich Bilbao zusätzlich von Madrid und eigentlich dem „normalen“ Spanien ab. Allerdings haben wir in der ganzen Zeit dort fast niemanden jemals Baskisch sprechen hören und uns gefragt, ob dieses alles ostentativ-auf-Baskisch-Beschriften nur so ein performatives Theater ist und die Sprache in Wirklichkeit kein Schwein oder nur noch die ganze Alten sprechen. Wir sind jedenfalls mit Spanisch völlig problemlos durchgekommen.

Dennoch ist es uns nicht gelungen, weder in der Architektur, noch in den Straßen noch in den Gesichtern etwas einzigartig oder typisch Baskisches auszumachen. Ob es neben der Sprache die baskische Küche ist, die so einzigartig ist? Ich kann es nicht sagen, denn wir hatten irgendwie keine rechte Gelegenheit, sie in Anspruch zu nehmen (bzw. kein Geld, um in eines der angeblich zahlreichen Sternerestaurants baskischer Köche in Bilbao zu gehen). Vielleicht hätten wir sie in unserem luxuriösen *****-Sternebunker, dem „Carlton“ finden können?         

nobel geht die Welt zugrunde

so mit Flügel und so

Jedenfalls taten wir auch in Bilbao, das uns am Ankunftstag mit einem garstigen Regenguß begrüßte, viele Zehntausend Schritte und konnten so zumindest vom Stadtkern und den Gebieten entlang des Nervión 

scho schee

 einen guten und vielfältigen Eindruck bekommen. Wir erkundeten natürlich ausführlich die pittoreske Altstadt, sahen uns den Mercado de la Ribiera (eine brechend volle Touristenklitsche) an, 

 

es gab Fisch da

und Fischweiber

liefen durch den schönen Dona Casilda Iturriar Park mit seinem prächtigen Springbrunnen, liefen und liefen, schauten und schauten. 

schräge Straße mit bunten Buden

gab aber auch schräge Buden

  Das Akzuna Zentroa, so eine Art "Kunst"(?)-Zentrum, Ausstellungshalle, Kino und Kulturdingsi in einem, untergebracht in einem riesigen Gebäude

fanden wir besonders eindrucksvoll ... und seltsam

 

so mit Sonnenprojektionen und

komischen Säulen, freien Flächen und Lichtinstallationen

Mit dem Wetter hatten wir wieder größtenteils Glück und eine schlendernde, händchenhaltende, sorglose Promenade am letzten Frühabend bei bestem Spätsommerwetter am Flußufer entlang gehört zu den schönsten Erlebnissen dieses Urlaubs


Ach ja, auch in Bilbao gibt es eines jener „Da müßt Ihr unbedingt hin“-Museen, das „Guggenheim Museum“. Natürlich sind wir hingegangen, weil das Gebäude wirklich sehr abgefahren und verrückt aussieht, wozu auch die riesige Metallspinne, die davor steht beiträgt,



und natürlich (!) waren wir nicht drin, aus besagten guten Gründen.

Als wir eine Pause von Bilbao brauchten, unternahmen wir an einem Samstag einen Tagesausflug nach San Sebastian. Mit dem Bus fährt man etwa 1h 10 min dorthin.

San Sebastian ist  ist die Hauptstadt der Provinz Gipuzkoa in der spanischen Autonomen Gemeinschaft Baskenland und hat uns sehr gut gefallen, wenn auch die schiere Menge an Touristen dort noch Anfang September (also bereits außerhalb der Hauptsaison) nahelegt, niemals niemals niemals (!) zur Hauptsaison dorthin zugehen. Der Ort hat die inzwischen gewohnten alten engen Sträßchen und Gäßchen, historische Gebäude und Kirchen, entspannte Menschen aber vor allem liegt er gleich am Meer und hat zwei phantastische Strände, einen, den „Zurriola“ mit guten Wellen für die Surfer und einen, „La Concha“, zum Baden bei perfekter Temperatur. Genau das taten wir: nach einem ersten Spazierründchen durch die famose Altstadt, taten wir, wie der Spanier tut und machten Siesta am Strand (die perfekt vorbereitete Liebste hatte natürlich Tücher, Sonencreme für ihren Weißbrot-Gringo etc. dabei), genossen die Aussicht, freuten uns des Lebens, hörten Bach auf dem mitgebrachten Lautsprecher und schwammen eine Runde im herrlichen Meer.





 Als gute Deutsche, die etwas zum Besteigen vorfinden, stiegen wir aber selbstredend auch zum mittelalterlichen Kastell Motaku Gaztelua hinauf, das auf einem Berglein, dem Monte Urgull, mitten in San Sebastian liegt. Das Kastell ist zwar keine Ruine, aber auch nicht in bestem Schuß, es ist im besten Sinne „gebraucht“ und angewittert man bekommt sofort Lust, dort oben Fantasy-LARPs zu veranstalten.

Natürlich hat man auch leidlich Ausblick von dort oben:


Wir stellten fest, daß an dem Tag unseres Besuchs offenbar ein Fest zum Andenken an irgendwelche historischen Raufhändel mit dem Briten gefeiert wurde, so daß diverse Einheimische in Trachten herumliefen und Tänze aufführten, allgemeine Feierstimmung und Verlustierungslaune herrschte und eine Extraportion Touristen in der Stadt war. Und weil wir nun mal antizyklisch zum Spanier tickten und schon um 19:00 Uhr abendessen wollten (und tourismushalber tatsächlich auch manche Lokale um diese Zeit bereits servieren), erhielten wir in einer sehr beliebten Pinxtos-Bar sofort einen Platz und schnabulierten mit Gusto ein gerüttelt Maß selbiger:

Die Liebste nutzte diese Gelegenheit in der ihr eigenen offenen und konversationsfreudigen Art, die aus Frankreich stammende Wirtin zu fragen, warum eigentlich überall an den Balkons, Fenstern, Straßenlaternen in der Stadt usf. penetrant die verfluchten Palästina-Flaggen hingen. Die Wirtin, die sich selbst als neutral bezeichnete, wußte es nicht zu sagen, vermutete aber, daß viele der auch hier einseitigen Medienberichterstattung verfielen und vor allem viel weniger Kontakt zu Migranten aus dieser Gegend und deren notorisch mit der unseren inkompatiblen Kultur und dem daraus emergenten inakzeptablen Verhalten hätten, von dem sie wußte, daß es in Deutschland ein großes Problem ist. Da fiele es leichter, vermutete sie, Mitgefühl zu tugendsignalisieren. Die meisten Migranten hier seien nämlich Latinos, die kaum unangenehm auffielen, da sie die Landessprache sprechen, einer ähnlichen Kultur entstammen und sich problemlos integrierten.

Die untergehende Sonne im Rücken fuhren wir schließlich mit dem Bus wieder nach Bilbao und feierten den grandiosen Tag. Am nächsten Tag würden sich unsere Wege trennen: die Liebste flog in die Heimat und ich nach Santiago de Compostela, wo ich an einem Fachkongress teilzunehmen hatte. Wie es dort war, soll an anderer Stelle berichtet werden.

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FAZIT: Spanien hat uns sehr gut gefallen. Wir mochten es überall, wo wir waren, sahen Gemeinsamkeiten und Unterschiede, trafen nette Leute, davon etliche Latinos, die es nach Spanien verschlagen hatte, weil man dort besser lebt, aßen köstliche Dinge, liefen, schauten, fragten und wurden es nie leid. Spanien ist sehr offenkundig ein südeuropäisches Land aber doch ganz anders als Italien. Es kam mir bodenständiger vor, rauher, weiter und weniger im Rausch der Schönheit, des Lichts und der Farben. Mit ganz anderer, grimmigerer Geschichte und ihren Spuren in den Städten. Man merkt auch, daß Madrid sehr weit vom Meer ist, solche Orte gibt es in Italien nicht. Die Menschen wirkten etwas härter und ernster als in Italien, wenngleich nicht mit Deutschen vergleichbar, dramatischer, weniger neckisch, dunkler weniger verspielt. Oft fragte ich mich, woran Spanien leidet, auch wenn es nicht so melancholisch wie Portugal ist, und warum es im Vergleich (!) nach der Renaissance so wenig Musik hervorgebracht hat.  Ich muß, will und werde auch Spanien noch öfters bereisen, um es besser zu verstehen und mehr davon zu sehen.

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Reisezeit: 05.09.-09.09.2024

 

Donnerstag, 5. September 2024

Das kam uns spanisch vor - Teil 2: Burgos

Dachte ich zumindest zunächst, denn der Zug war soweit in Ordnung: bequeme Sitze, Steckdosen, Tischchen, schnelle Fahrt, ruhiges Abteil und wir kamen pünktlich in Burgos an.

Burgos, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz in der Autonomen Gemeinschaft Kastilien-León, ist mit seinen 175.000 Einwohnern nur 1/18tel mal so groß wie Madrid. Deshalb nahm wohl auch die Temperatur von Madrid nach Burgos um 18° ab, so daß wir dort bei 13°C und strahlendem Wetter - und damit sind die windhalber quer in der Luft stehenden Strahlen von Regenwasser gemeint-, ausstiegen. Wir kamen in ein offensichtlich neu gebautes, sehr modernes, sauberes und auffallend menschenleeres Bahnhofsgebäude.


Es wirkte für die geringe Zahl an Zügen, die dort der Anzeigetafel nach anscheinend abfahren, deutlich überdimensioniert und der Sicherheitsschwengel, der sich an seinem auch dort für oben geschilderten Irrsinn vorhandenen Röntgengerät mopste, schien vor Langeweile nicht ein noch aus zu wissen.
Ich hatte in meiner jugendlichen Naivität vermutet, daß der Hauptbahnhof einer Großstadt inmitten selbiger liege, selbst in Spanien. Dies stellte sich jedoch als völlig  abwegig heraus, da der nagelneue Burgos Hbf mitten in der Pampa, kilometerweit vom Stadtzentrum liegt. Natürlich. Eine Metro oder Straßenbahn gibt es nicht, ein Fußmarsch hätte laut Google Maps nur ca.  ‘ne Stunde 10 gedauert und kam uns in Anbetracht des Faschowetters begrenzt attraktiv vor.

Am kleinen Vorplatz des Bahnhofgebäudes gibt es eine (1!) Bushaltestelle, an der vier Linien verkehren, derer aber nur zwei in die Stadt fahren und zwar ein (1!) mal pro Stunde. Auf den für uns geeigneten Bus wäre noch ganze 45 min zu warten gewesen. Wäre ja auch absurd, wenn man komfortabel und schnell vom Bahnhof in die Innenstadt gelangen könnte. Statt also bei 13°C an dem sturm- und regenumtosten Unterstand auf einen Bus zu warten, entschlossen wir uns, ein Taxi zu nehmen. Derer gab es am Hauptbahnhof Burgos genau eines (1!), das sofort von anderen Reisenden gekapert wurde, die dafür durch den strömenden Regen laufen mußten. Brüllend ersuchten wir den Fahrer aus der Ferne, daß er doch bitte noch ein paar Kollegen herrufen möge, es gäbe hier noch reichlich Menschen die wegwollen aber nicht -können, er wisse schon: am Bahnhof. Wo Menschen in Zügen ankommen und dann wegwollen.

Wir warteten also und sahen nach und nach weitere Taxen ankamen, die aber andere vor uns besetzten: dabei ergab sich auch folgendes nicht unchaplineskes Schauspiel: eine Mutter mit Säugling auf dem Arm stand im Regen neben dem zu besteigenden Gefährt und sah zu, wie der Fahrer, der offenbar überrascht war, dergleichen überhaupt in seinem Wagen vorgefunden zu haben, triefend und stoisch versuchte, eine Babyschale im Inneren des Autos auf eine Weise anzubringen, die der Mutter hinreichend sicher für den Einsatzweck erschien, wofür sie offenbar erhöhte Standards anlegte. Jene schien mit den ersten Angeboten auch nicht einverstanden und verlangte offenbar Nachbesserung. Das ganze dauerte und schließlich gesellte sich der Fahrer eines anderen Taxis dazu, nur sich selber mit einem Schirm vor dem Regen schützend, und gab hilfreiche Kommentare, während er die eigenen Fahrgäste in seinem Taxi warten ließ. Der andere Fahrer scheiterte in einem fort, wurde darüber immer wütender und mußte sich am Ende sichtlich körperlich zusammenreißen, um seinem Kollegen nicht die Babyschale in die Fresse zu hauen. Die Liebste und ich betrachtete dieses absurde Theater kopfschüttelnd und amüsiert, fanden den Empfang in Burgos „speziell“ und wurden schließlich von einem irgendwann eintreffenden Taxi zu unserem, ebenfalls wieder sehr ordentlichen Hotel gebracht.

Der Kontrast zwischen Burgos und Madrid könnte – auch jenseits des Wetters – nicht größer sein. Hier gab es natürlich deutlich weniger Touristen, dafür einige Pilger (da Burgos offenbar eine für diese Leute und ihr sonderbares Unterfangen bedeutende Zwischenstation zu sein scheint), und viel weniger zu tun und zu sehen als in der Hauptstadt. Aber auch nicht nichts.

Als wir – im abermals sehr ordentlichen Hotel angekommen – abgeladen hatten, zogen wir gleich los, zumal der Regen aufgehört hatte, um die Zeit in Burgos gut zu nutzen und vermeinten uns in eine Geisterstadt geraten. Keine Sau auf der Strasse, die Läden dicht. Einen Betbums direkt am Hotel konnten wir immerhin ansehen. Es war surreal. Dann begriffen wir: Siesta. Die ziehen das hier knallhart durch (in Madrid fiel das nicht so auf): die machen von 2 bis halb 6 oder so dicht und in dieser Zeit geht auch keiner der Burgosianer? Burgonier? Burgenser? Burgoniten? Burgoten? raus – warum auch, ist ja alles dicht. Bei 40°C im Schatten mag das ja auch eine Art Sinn ergeben, aber bei 13°C?
 Was aufhatte, war immerhin ein royaler Rinderquetschebrötchenanbieter, wo wir uns kurz stärkten, um dann zum Castillo de Burgos hochzusteigen, um die Stadt von oben zu betrachten. Natürlich (!) war das Castillo, das eigentlich nur eine Ruine ist, vorübergehend geschlossen, wegen „Reparaturarbeiten“. Was damit gemeint ist, bei einer Ruine, erschloss sich uns nicht ganz, wirkte aber so sinnig, wie der Versuch, aus ‘nem Mettigel ein Schwein zu basteln. Nun gut, die Wege des Spaniers … und so.. immehin gab es einen dem Castillo vorgelagerten Mirador, von dem man Burgos von oben sehen konnte:


Danach strawanzten wir noch ein wenig durch die leere Stadt, sahen nette Häuschen, viele Statuen (scheint so ein Ding zu sein in Spanien – und die Woken hier scheinen sich auch noch nicht daran zu vergreifen):

v.l.n.r.: gigantillo (m), yours truly, Pachi, gigantillo (f)

und kehrten dann ins Hotel zurück um unsererseits Siesta zu machen – darf ja im Urlaub auch mal entspannt zugehen. Gegen 17 Uhr brach die Liebste alleine auf, um Liebstendinge zu tun und zu betrachten. Wir verabredeten uns um 19 Uhr zum Tapas-Essen bei „Boca de Lobo“.  Als wir uns dort trafen, war der Laden leer. Auf Nachfrage, ob wir einen Tisch für 2 haben könnten, sah man uns mit einer Mischung aus Verwirrung, Mitleid und Befremdung an: man habe zu und öffne frühestens um 8. Tzz… Touristen! Wollen doch tatsächlich vormittags um 19 Uhr zu Abend essen… Noch so ein Spanien-Ding, das wir nicht ganz auf dem Schirm hatten und das in Madrid nicht so aufgefallen war. Hier ist alles später. Beim Frühstück um 8:30 Uhr (wie wir es zu tun pflegten) waren wir (in Madrid aber auch in Burgos, wie sich erweisen sollte) fast immer ganz alleine und das Abendessen geht hier frühestens (!) für die ganz krassen early-birds um 20 Uhr los, warm gelaufen ist man um 21 Uhr, Hochzeit ist 22 Uhr.  

Also keine Tapas und „Taco Bell“ stattdessen, weil Hunger und keinen Bock zu warten. Mir gefiel es besser als der Liebsten, aber jetzt hatte sie es wenigstens mal probiert 😉 Als wir das Lokal verließen, war Burgos inzwischen „explodiert“: die Straßen und Plätze waren voll, überall gingen, standen, saßen Menschen, die Restaus hatten Tische rausgestellt, wo die „terraza“-verrückten Spanier bei 12°C mit Winterjacken saßen, tranken und klönten. Es war regelrecht Partystimmung, überall war etwas los – man erkannte die Stadt nicht wieder. Da uns nicht nach Suff & Tanz war,  ging es zurück ins Hotel.

Am nächsten Tag ging es nach dem (hinsichtlich des Angebot nahezu mit dem madrilenischen identischen) Frühstück (Kommentar der Liebsten zu mir, dem staatl. anerkannten Frühstücksaficionado: „Ay mi amor, die Spanier können kein Frühstück!“) ins phantastische und preisgekrönte „Museo de la evolucion humana“, das im Zusammenhang mit der Entdeckung der Ausgrabungsstätte „Sierra de Atapuerca“ von überragender Bedeutung, gegründet wurde.  Auf vier Etagen wird die Geschichte der Stätte, die Arbeit und die Funde von dort, die Reise Darwins auf der Beagle (sie haben das komplette Heck nachgebaut, das man auch betreten kann) 

und die Begründung der Evolutionstheorie und die menschliche Evolution sowohl in biologischer wie kultureller Hinsicht ganz wunderbar dargestellt. In einer gelungenen Mischung aus Schrifttafeln, Ausstellungsstücken, Filmen, Projektionen, Schaukästen und Klängen werden die Konzepte und ihre Bedeutung auch für Laien greif- und verstehbar. Das Ganze befindet sich in einem tollen, großzügigen Bauwerk mit viel freiem Raum und Licht, mit langen Sichtlinien, Galerien und kunstvoll arrangierten Exponaten. 

 

homo habilis war offenbar ziemlich klein

dieser Beckenknochen ist > 400.000 Jahre alt!

Wir verbrachten dort sicher drei Stunden und waren sehr begeistert (und selbst ich als Biologe habe noch etwas dazugelernt: homo antecessor kannte ich noch nicht…)


 Nach dem Museum wanderten wir ziellos durch das prä-siestabelebte Burgos, besuchten El Cid:

"El Cid" - Rodrigo Díaz de Vivar (* um 1045 bis 1050 möglicherweise in Vivar/Bivar; † 10. Juli 1099 in Valencia)  kastilischer Ritter und Söldnerführer aus der Zeit der Reconquista, der in der Neuzeit zum spanischen Nationalhelden avancierte

und gönnten uns vor der Siesta noch 

leckere Churros mit geschmolzener Schokolade – Urlaub ist Urlaub :)

Dann aber war es Zeit, die eigentliche Attraktion und Sensation von Burgos die Ehre zu geben:

 


 


 die Kathedrale von Burgos ist zweifellos eine der bedeutendsten gotischen Kathedralen der Welt, sowohl was die Architektur als auch die Künstschätze im Inneren betrifft. Und sie ist wirklich gewaltig und absolut eindrucksvoll. Ich mußte die Zähne zusammenbeißen, als für den Eintritt 10 € verlangt wurden, da ich es grundsätzlich ablehne, der Kirche mehr Geld zukommen zu lassen, als ich (z.B. von meinem Heimatland) gezwungen werde. Aber in diesem Fall – vor allem in Rückschau – war es das wert.

Einschub zur Einordung: als Atheist und Verächter der Institution Kirche, der Bibel und des Konzepts „Glaube“ (bzw. mutwillige Irrationalität) bin ich für den emotionalen Wert geistlicher Kunstwerke, den sie für Gläubige haben mögen, natürlich völlig unempfindlich und -empfänglich. All die Bibelgeschichten und -szenen, Kreuzigung, Himmelfahrt, Heimsuchung, Auferstehung, jüngstes Gericht, Krönung, all die Mythen, Legenden, „Heiligen“, Ikonen, Liturgien, Wunder, Kirchenväter und Päpste gehen mir mit Karacho am A…llerwertesten vorbei, berühren mich nicht im Geringsten und bedeuten mir absolut nichts – für mich ist das alles zum Teil alberner, zum Teil absurder, zum Teil naiver, zum Teil menschenverachtender drittklassiger Fantasyquatsch. Das gilt auch für meinen liebste Kunstform, die Musik: so sehr mich die Musik der H-Moll-Messe mitten ins Herz trifft und mich ihre Schönheit und Erhabenheit überwältigen, so vollkommen wurschtegal sind mir die Worte, die gesungen werden (die, das ist mir klar, für Bach sicher wichtig waren). Es würde mir nicht ein Iota vom Kunstgenuß fehlen, wenn sie statt „So höret denn: Jesus hat’s hinter sich – das betrübt uns arg! Doch sehet, da isser wieder – das kam unerwartet, also jauchzet und frohlocket“ (oder so) das Telephonbuch von Sindelfingen, immer nur hintereinander das Wort „Bananenkarton“ oder ein Rezept für Toast Hawaii singen würden. Was ich aber anerkenne und gleichmütig zur Kenntnis nehme, ist daß die von mir verfemten Inhalte für andere v.a. für die voraufgeklärten Erbauer der Kathedrale von Burgos (neben klingender Münze) eine gewaltige und profunde Inspiration gewesen sein müssen, die dazu beigetragen haben, daß Werke wie dies entstehen konnten. Und mit genau dieser Sicht: Bewunderung und Staunen für die überragende Bau- und Handwerkskunst, das Durchhaltevermögen und die Hingabe dieser Menschen, Empathie für ihren naiven Glauben und ihre Sehnsucht nach einer besseren jenseitigen Welt, mit Anerkennung für die internationale Zusammenarbeit, die es damals schon gab und Begeisterung für die überwältigende Kunstfertigkeit all jener Meister, die sich vor Jahrhunderten daran verewigten und durch die all das ohne moderne Geräte und bei schlechtem Licht geschaffen wurde, mit dieser Sicht also betrat ich die Kathedrale von Burgos.

Und ich war und bin überwältigt. Ich mußte auch die in zahllosen Werken dargestellten Inhalte weder kennen noch verstehen, um von Kapelle, zu Kreuzgang, zu Chor, zu Hauptschiff gehen und dort in den Bann der teils zig Meter hohen Kunstwerke aus Stein, Marmor, Holz, Seide, Gold und Eisen geraten zu können. Was dort zu sehen ist, gehört zu den Höhepunkten europäischer Sakralkunst –

z.B. die weltberühmte "Goldene Treppe"

das Bauwerk selbst mit seinen himmelstrebenden Gewölben, Bögen und Säulen aber auch die Altäre, Malereien, Statuen, Gewänder, Sarkophage, Chorgestühle und – natürlich- die Orgeln.

Chor + Orgel (1 von 2)

  Mit der passenden Musik auf den Ohren und dem Blick zum Himmel ist es eine reine Sinnenfreude durch diese Kathedrale menschlichen Könnens und Wollens aber auch Sehnens und Hoffens zu wandeln, und der kleine ironische Gedanke im Hinterkopf: „Wow… und das alles für einen solchen Quatsch!“ stört dabei auch nicht weiter sondern mischt nur eine leise amüsierte Note unter all das Staunen und Bewundern.


 Bilder können diesem Ort nicht gerecht werden, man muß es selber gesehen muß selber mit dem Kopf im Nacken darin gestanden haben, um die Faszination und Bewunderung empfinden zu können, die ich erlebte, was ich jedem, gläubig oder nicht, nur empfehlen kann.

Dick und voll, übervoll eigentlich, mit den Eindrücken aus der Kathedrale, wo wir sicher über 2 Stunden zubrachten (so lange, wie noch nie in einer Kirche), kehrten wir bei einem Pizzahöker ein, speisten und lustwandelten danach noch weiter durch Burgos, das sich wieder prall mit Menschen füllte, bis es deutlich abkühlte und wir das Erlebte einen Tag hießen und hotelwärts strebten.

Am nächsten Tag checkten wir aus und fanden schnell die riesige Busstation von Burgos, wo an die 15 große Reisebusse gleichzeitig in einer enormen Halle halten, rangieren und Fahrgäste ein- und aussteigen lassen können. Unser Bus kam pünktlich und etwas beengt aber immer noch komfortabel sitzend fuhren wir innert zwei Stunden bis nach Bilbao im Baskenland, wo wir in einer ähnlichen Busstation ankamen.

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Reisezeit: 03.09.-05.09.2024